Die Bezeichnung “Erweiterung” ist für Geschichten aus dem Dunkelwald eigentlich völlig falsch gewählt. Der Umfang und die Qualität des Spielmaterials sowie die eigentliche Story um den Auszug der Mäuse in unbekannte Regionen überstrahlen das Basisspiel um ein Vielfaches. Das über 100 Seiten starke Geschichtenbuch – davon widmen sich gerade mal schlanke acht Seiten den neuen Regeln, die übrigen Seiten gelten ausschließlich der Entwicklung der Story – entwirft eine faszinierende Welt, die in dieser Form noch nie zu sehen war.
Die bunten Spielplanteile tragen so klingende Namen wie Lachenbütttel, Brodeltiefe, Spaltenheim, Finstergrund, Distelgrat, Träufelmoor und Träufeltiefe und sind grafisch derart farbenfroh und bis ins kleinste Detail liebevoll ausgestaltet, dass man meinen könnte, man würde sich in einem Mittelerde-Roman von J.R.R. Tolkien wiederfinden. Diese faszinierende Welt wird bevölkert von Fröschen, Maulwürfen, Wieseln, Feengeschöpfen, Molchen, Schlangen, Ratten, allerlei Ungeziefer und natürlich – von Mäusen. Es kann nicht genug Worte geben, um den Einfallsreichtum, mit dem dieses bisher nicht gekannte Universum erschaffen wurde, angemessen zu beschreiben. Da gibt es Gegenstände zu entdecken wie den Borkenschild, das Blattwams, die Pfefferkornschleuder, den Schneckenhaushelm, die Schnurrhaarfidel und viele mehr. Man kann nur hoffen, dass sich ein Buchautor der Maus und Mystik-Saga – denn als solche muss man diese Spielereihe mittlerweile bezeichnen – annimmt und in Form einer Kinderbuchreihe in die Buchläden bringt.
Wären die in der Schachtel mitgelieferten 26 Miniaturen bereits bemalt, wäre Geschichten aus dem Dunkelwald eines der wenigen Brettspiele, das sich im Bereich der Ausstattung ohne Wenn und Aber die Höchstnote verdient hätte.
Geschichten aus dem Dunkelwald
Am Grundregelwerk des Basisspiels ändert sich nichts, die Erweiterung bringt lediglich einige zusätzliche Regeln und Elemente ins Spiel. Insgesamt wird die Maus und Mystik-Welt bunter, tiefgründiger und zeigt sich nun von vielen unterschiedlichen Wesen bevölkert, die das Spielgeschehen lebendiger und vielschichtiger gestalten als dies bisher der Fall war. Die Spielplanteile des Basisspiels, die in relativ stumpfen Farben die Wohn- und Kellerräume einer Burg begehbar machten, erfahren mit dieser Erweiterung einen ebenso tollen wie farbenreichen Zuwachs. Nun geht es in den Oberwald (Baumstämme, Äste, Zweige und Blätter), in den Niederwald (Blumenwiesen, Auenlandschaften, Teiche, Bäche, Moore und Sümpfe) und in den Unterwald (Höhlen, Grotten und Gänge).
Während diese neue Landschaften durchwandert und erkundet werden, können gar seltsame Dinge geschehen: Von Fall zu Fall bricht die Nacht herein, der Vollmond geht auf, es kann zu regnen beginnen und Blätter können von den Bäumen rieseln. Mit praktisch allen Gegenständen, die der Spielplan für die Abenteurer bereithält, kann interagiert werden. So können Blätter, die in den Bach fallen, von den Mäusen als Floß genutzt werden, um trockener Pfote ans andere Ufer zu gelangen. Ist in diesem Moment ein kleiner Teelöffel zur Hand, kann dieser kurzerhand als Paddel genutzt und das Blatt damit sogar stromaufwärts gesteuert werden!
Wie schon im Basisspiel und der ersten Erweiterung Herz des Glürm hält auch der Dunkelwald neben der eigentlichen Haupthandlung eine Vielzahl von Nebenquesten bereit, auf die sich einzulassen es allemal wert ist. Der Belohnungsfaktor für die Spieler ist nicht mehr nur die erfolgreiche Bewältigung ihrer Reise, sondern vielmehr die Entdeckung der tiefen Vielfalt der unbekannten Waldlandschaften und seiner mysteriösen Bewohner. Geschichten aus dem Dunkelwald führt die Spieler ganz nah an ein klassisches Rollenspiel-Erlebnis heran.
Epilog
Geschichten aus dem Dunkelwald wendet sich selbstverständlich an Kinder, die Altersangabe „ab 7 Jahren“ spricht für sich selbst. Die in zehn Kapitel unterteilte Erzählung über eine kleine Gruppe unerschrockener Mäuse ist aber gleichzeitig auch ein Test, dem sich Erwachsene unterziehen sollten. Ein Test dahingehend, ob man sich genügend Phantasie und Vorstellungskraft bewahrt hat, um in der Welt der unschuldigen und staunenden Kinderaugen noch jenen Platz wiederzufinden, an dem man einst selbst gesessen hat. Damals, als der Ernst des Lebens noch nicht spürbar und Leistungsdruck ein Fremdwort war. Geschichten aus dem Dunkelwald gelingt das Kunststück, eine Brücke zu errichten, die schnurstracks und ohne jeden Umweg nach Nimmerland führt. Sie entdecken und darüber gehen wird nur der, der noch mit Kinderaugen sehen kann.
Spieletester
Fazit
Die Erweiterung legt jedenfalls einiges an Komplexität zu und die Maus und Mystik-Serie begibt sich doch ein gutes Stück weit in die Welt der Erwachsenen. Die Geschichten aus dem Dunkelwald halten viele Überraschungen bereit, sind spannend, düster und vor allem jungen Spieleteilnehmern öffnet sich ein staunenswert neuer Kosmos, der von einer Vielzahl lebendig scheinender ungewöhnlicher Kreaturen bewohnt wird. Kino im Kopf. Unbedingte Kaufempfehlung – wenn die genannten Vorbedingungen erfüllt sind.
Ausblick
Am Ende des Geschichtenbuches findet sich ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass die Abenteuer der kleinen Wuselmäuse noch lange nicht zu Ende erzählt sind. Kreativen Spielern/Familien stehen mit den Materialien des Basisspiels und den beiden bisher veröffentlichten Erweiterungen genügend Rohstoffe zur Verfügung, um in der Zwischenzeit eigene Geschichten zu erfinden und zu Papier zu bringen. Vor allem die doppelseitig bedruckten Spielbretter, die in ihrer Vielfalt Wohnräume und Kellerräumlichkeiten, Verliese, Wiesen, Wälder, Höhlen und Grotten, Teiche, Tümpel und sogar einen Dorfmarktplatz abbilden, laden förmlich dazu ein, sich spannende Abenteuer auszudenken.
PS: Ein ganz großes Kompliment gebührt den Übersetzern des Spielbuches und der zahlreichen Kartentexte. Selbst Eigennamen wurden in liebevollster Weise dem deutschen Sprachraum angepasst. Dass diese zeitintensive Aufgabe derart meisterhaft bewältigt wurde, ist mehr als respektabel.
Plus
- ein episches Märchen für Groß und Klein
Minus
- etwas zu komplex um noch als richtiges Familienspiel durchzugehen
Besucherkommentare
Freut mich sehr, dass dir meine Übersetzung so gut gefallen hat. Sie hat viel Spaß gemacht, nicht zuletzt auch weil der Heidelberger Spieleverlag kreativen Anpassungen an den deutschen Sprachraum gegenüber sehr offen war. Gerade wegen des Familienpublikums wollte ich, dass sich auch für die Kleinen alles so natürlich wie möglich anfühlt/-hört. Mein großes Vorbild für solche Übersetzungen ist Margaret Carroux, die den Herrn der Ringe so genial übersetzt hat.
Freut mich sehr, dass dir meine Übersetzung so gut gefallen hat. Sie hat viel Spaß gemacht, nicht zuletzt auch weil der Heidelberger Spieleverlag kreativen Anpassungen an den deutschen Sprachraum gegenüber sehr offen war. Gerade wegen des Familienpublikums wollte ich, dass sich auch für die Kleinen alles so natürlich wie möglich anfühlt/-hört. Mein großes Vorbild für solche Übersetzungen ist Margaret Carroux, die den Herrn der Ringe so genial übersetzt hat.
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Details
Miniaturen:
3 Heldenfiguren
6 Feen
1 Wiesel
1 Maulwump
1 Malodor
2 Ochsenfroschlinge
6 Feuerbauchmolche
6 Froschlinge
Spielplanteile:
8 Spielpläne (doppelseitig)
1 Baumspielplan
1 Astspielplan
4 Laubbaumblätter
Karten (klein):
25 Initiativekarten
34 Fähigkeitskarten
Karten (groß):
9 Begegnungskarten
59 Suchkarten
Papp-Marker:
1 Vollmondmarker
1 Baumstrunkmarker
3 Honigbienen
3 Erfolgsmarker
4 Feuermarker
4 Verfluchtmarker
6 Käsestückchen
6 Schildkrötenpanzer
7 Fundmarker
10 Charaktermarker
3 Gegenstandsmarker
Sonstiges:
1 Schlange (sechs Segmente)
3 Heldenbögen
5 Würfel (sechsseitig)
1 Geschichtenbuch mit 10 Szenarien (110 Seiten)
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