Beim Kinderarzt

Aua! Oder wie meine Tochter zu sagen pflegte als sie zu sprechen begonnen hat: „Kind weint!“ Meist reichen ein Bussi (Küsschen) und Kuscheleinheiten. Aber manchmal muss man dann noch zum Arzt und sich dort behandeln lassen. Dass das halb so schlimm ist, bringt den Jüngsten (ab 2 Jahren) dieses Spiel näher.

Zugegeben, meine Tochter ist vermutlich eine Ausnahme: sie freut sich von jeher auf den Arztbesuch und fragt sich, warum die Assistentin immer mit lächerlichem Spielzeug herumfuchtelt, wenn die Ärztin doch gerade eine Spritze in den Arm sticht. Und dabei zuzusehen ist doch viel spannender, zumal nachher ein buntes Pflaster auf den Arm kommt. Mittlerweile haben Ärztin und Assistentin hingenommen, dass das Mädchen Spritzen lieber hat als Spielzeug. Zumindest beim Arzt. Doch den meisten Zweijährigen ist der Mensch im weißen Kittel nicht immer gleich geheuer. Und hierfür ist, wie auch aus dem Vorwort der Anleitung zu entnehmen ist,  dieses Spiel eine witzig-spielerische Grundlage, um Ängste schon im Vorfeld auszuräumen.

Die Anleitung

Auch im Vorwort zu lesen ist, dass das Spiel „Tipps und Anregungen“ bietet, wie das Spielmaterial entdeckt werden kann. Das erklärt die meines Erachtens sehr kryptisch chaotische Anleitung, die den Eindruck macht als hätte man im Verlag mal hier etwas entdeckt, was man tun könnte, mal da und da wo Platz war, hat man es halt hingeschrieben. Das irritiert beim Lesen und ich muss zugeben, die Anleitung mehrfach und sprunghaft studiert zu haben, um einen ungefähren Einblick zu erhalten, wie man spielen könnte. Das ist nicht, was ich von einem Spiel für Zweijährige erwarte. Doch gut, ändere ich den Blickwinkel halt und danke Haba dafür, dass dem Spiel somit auch ein Logikrätsel für Erwachsene kostenlos beiliegt. Hat man einmal verstanden, dass es in der Anleitung unterschiedliche Ansätze an die Herangehensweise gibt und man frei experimentierend spielen kann, die Erklärungen zur Medizin quasi ein eigenständiges Machwerk und die mitgelieferte Geschichte ebenso unabhängig vom Spiel dennoch in dieses integriert sein soll, hat man also akzeptiert, dass es für den recht simplen Spielablauf „Instrument nehmen“ „Behandeln“ „Instrumente zurücklegen“ acht Seiten kleingedruckte Anleitung gibt, kann es los gehen!

Der Spielablauf und das Spielmaterial

Der Ablauf ist eigentlich recht simpel. Umso mehr erstaunt es in positivem Sinne, wie hochwertig und durchdacht das Material ist, das für den einfachen Ablauf parat liegt. Es ist sogar so ansprechend, dass die Kinder es gerne Spiel-unabhängig angreifen und damit spielen. Immer wieder gelingt es dem Verlag, diesen sehr gewünschten Effekt zu erzielen. Chapeau!

Nun aber endlich zum Ablauf: Vier Kinder haben sich verletzt und warten im Wartezimmer der Ärztin. Dazu werden die Patiententafeln mit der Rückseiten nach oben auf den Tisch gelegt, wo ein Wartezimmer abgebildet ist. Nun wird das erste Kind aufgerufen und die Spielerinnen müssen es behandeln. Die Tafel zeigt, welche Medizin beziehungsweise welches Gerät zum Einsatz kommen muss. Doch verflixt! Wo haben wir die denn hingeräumt? Zwei der medizinischen Utensilien kamen zu Spielbeginn in den Ärztekoffer (unter die Pappschachtel im Look eines Koffers), die anderen drei in den Kasten (Kartonschachtel im Aussehen des Kastens). Die Spielerin muss nun das richtige Instrument holen, um den Patienten zu behandeln. Findet sie es, darf sie den Patienten behandeln. Andernfalls ist die nächste Spielerin an der Reihe, um das Gesuchte zu finden und anzuwenden.

Nach der Behandlung kommt das Medizinprodukt wieder in Arztkoffer oder Kasten. Dabei kann sich die Spielerin aussuchen, wohin sie es legt. Die Instrumente rotieren somit und die Kinder müssen sich gut merken, wo sie welchen Teil finden.

Sind alle Wunden versorgt, heißt es „der Nächste, bitte“ und die nächste Patiententafel wird umgedreht und der Verletzte somit aus dem Wartezimmer geholt.

An Behandlungsmöglichkeiten gibt es:

Die Spritze. Das Kartonplättchen mit der aufgezogenen Seite an den Patienten, Plättchen umdrehen – die Spritze ist jetzt leer. Geimpft!

Der Schmerzsaft (wobei wir uns fragen, was das sein soll. Das Wort war uns vorher völlig unbekannt und hat uns etwas Angst eingeflößt. Trinkt man den und hat danach Schmerzen? Mal gegoogelt: Das Ding gibt es wirklich. Erstaunlich. Nun ja, den Ekel überwunden öffnet man die Flasche aus Karton, indem man sie umdreht, leert den Saft auf den Löffel (indem man diesen umdreht und der leere Löffel somit zu einem gefüllten wird) und den Saft dem Patienten verabreicht.

Das Pflaster. Hier nimmt man eine selbstklebende Folie und klebt sie dem Kind auf die verletzte Stelle. Die Folie ist abwaschbar und immer wieder verwendbar. Eines der absoluten Highlights des Spiels für kleine, neugierige Kinderhände!

Die Creme. Sie ist wie das Pflaster aufgebaut und kann ebenso „aufgetragen“ werden. Für noch mehr „echtes Erlebnis“ nimmt die Spielerin das Tubenplättchen aus Karton, öffnet es, indem sie es umdreht und schmiert dann den Patienten ein.

Das Fieberthermometer. (Oder Fiebometer, wie es meine Tochter nennt). An den Patienten halten, das Kartonplättchen umdrehen, und schon zeigt es die Temperatur.

Zur Belohnung (und Kontrolle) nach jedem Behandlungsschritt, wird ein Gummibärchen aus Karton auf die Checkliste auf der Patiententafel gelegt.

Sind alle Kinder behandelt, darf die Ärztin nach Hause gehen ;)

Etwas ganz Besonderes: Die Spielgeschichte

Eine weitere Option neben dem freien und dem vorgegebenem Spiel ist es, eine Geschichte vorzulesen. Diese ist in der Anleitung abgedruckt und die Worte „Stethoskop“, „Fieberthermometer“, „Spritze“ und co fett und farblich markiert gedruckt. Wenn diese Fachausdrücke fallen, dann hat das Kind die entsprechende Wundversorgung vorzunehmen. Diesen Teil finden wir ganz besonders hilfreich für ängstliche Kinder. Denn wie in einem Kinderbuch sind hier alle Abläufe in eine Geschichte verpackt und das Kind kann die Zusammenhänge erkennen. Beispielsweise schildert die Mama, dass ihre Tochter schon ein paar Tage hustet. Und dann nimmt die Ärztin das Stethoskop um das Herz abzuhören: „Bumm-Bumm“, hört man durch dieses Instrument. Durch Fieber fühlt man sich schlapp. Hat das Kind Fieber? Zuerst wird die Stirn befühlt, dann Fieber gemessen. Auf diese Art und Weise hört die junge Spielerin wie es zugeht beim Arzt und kann sich wundervoll in die Situation hineindenken und fühlen. Und schon ist der nächste Arztbesuch nicht mehr so furchteinflößend.

Spieletester

15.01.2020

Fazit

Hier trainieren Kinder nicht nur Motorik und Gedächtnis, sondern lernen spielerisch, dass der Arzt und die Ärztin immer helfen, um Kranke wieder gesund zu machen. Und meist tut es überhaupt nicht weh. Der Persepektivenwechsel selbst zu schmieren, zu kleben und Saft zu verabreichen, lässt die kleinen Spielerinnen selbst die Rolle der Ärztin erleben und lässt sie erfahren, was (und warum) die echte Kinderärztin tut, um ihren Patientinnen zu helfen. Vom Verlag gewohnt schön umgesetzt. So ist der nächste Arztbesuch ein Kinderspiel!

 
Redaktionelle Wertung:

Plus

  • Witzige Idee der zweiseitigen Optik der Medizinausrüstung
  • Kleben und cremen macht den Kindern viel Spaß
  • spielerischer Lerneffekt

Minus

  • Die Teile passen nur mühsam in den Arztkoffer / Kasten
  • Die Anleitung ist teilweise recht kryptisch und mühsam zu lesen 

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 4
Alter: ab 2 Jahren
Preis: 19,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2019
Verlag: HABA
Grafiker: Sandy Thißen
Zubehör:

4 Patiententafeln
1 Spielfigur „Kinderärztin“ aus Holz
1 Schachtelteil „Kasten“
1 Schachtelteil „Arztkoffer“
6 Kartonteile „medizinische Ausrüstung“
2 Pflastersticker
2 Cremesticker
20 Bärchen-Chips
1 Spielanleitung in Deutsch, Englisch, Spanisch, Niederländisch, Italienisch und Französisch

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