Adventure Island

In meiner Jugend gehörte neben den Büchern von Alexandre Dumas „Der Graf von Monte Christo” und „Die Drei Musketiere” natürlich auch Daniel Defoes „Robinson Crusoe” zur Pflichtlektüre eines jeden abenteuerlustigen Jungen. Heute kann man die Jugendlichen mit solchen Klassikern leider nicht mehr hinter dem so oft zitierten Ofen hervor locken. Mit viel Glück inhalieren sie vielleicht eine der vielen moderneren Formen davon, z.B. die wirklich gute TV-Serie Lost. Lukas Zach und Michael Palm bieten allen Interessierten mit dem hier vorliegenden kooperativen Spiel Adventure Island eine weitere Option an.

Achtung! Diese Rezension ist weitestgehend spoilerfrei, kleinere Hinweise auf den Spielinhalt haben sich jedoch leider nicht vermeiden lassen.

Die bis zu fünf Spieler überleben ein Schiffsunglück und stranden ganz klassisch auf einer vermeintlich menschenleeren Insel. Was sie dort erleben, das beinhalten die fünf im Spiel enthaltenen Abenteuer. Leider findet sich hier gleich die erste Ungereimtheit im Spiel: Die Spielbeschreibung von Adventure Island suggeriert den interessierten Spielern eine durchgehende Geschichte, die in verschiedene Abenteuer unterteilt ist. Das stimmt allerdings nur teilweise. Die Abenteuer hängen zwar lose miteinander zusammen, die Spieler starten trotzdem jedes Abenteuer wieder fast vollständig bei Null und selbst die Zusammensetzung der Charaktere der Gruppe kann variieren.

Um ein solches Abenteuer gemeinsam anzugehen, sucht sich jeder Spieler aus dem Pool von sechs vorhandenen Charakteren einen aus. Hier gibt es keine Überraschungen, da sich natürlich die üblichen Verdächtigen finden: ein kräftiger Mann, eine kluge Frau oder auch eine geschickte Frau. Alle haben zusätzlich noch eine kleine Hintergrundgeschichte, sowie eine besondere Fähigkeit im Gepäck und besitzen drei unterschiedlich hohe Grundwerte für Wissen, Geschick und Kraft. Der jeweilige Wert bestimmt, mit wie vielen Würfeln der Charakter in bestimmten Situationen seine Würfelprobe in ebenjener Kategorie ausführen darf. Das zu erzielende Ergebnis ist dabei vorgegeben. Eine Startkarte zum jeweiligen Abenteuer gibt vor, welche Karten vorhanden sein und in welchen der Stapel sie eingemischt werden müssen. Leider findet man in der Spielregel hierzu nur rudimentäre Informationen.

Ausgehend von einem Lager, in welchem die Charaktere auch die Nacht verbringen, können die Spieler die Insel erkunden. Dazu liegt mit dem Strand schon ein möglicher Ort aus, an welchem angeschwemmtes Treibgut durchsucht werden kann. Weitere Orte können nach und nach über eine spezielle Aktion entdeckt werden. Diese und zwei weitere Aktionen werden durch ausliegende Karten repräsentiert: die Insel erkunden, Nahrung suchen, sowie einen Unterschlupf errichten. Da jeder Charakter pro Tag nur zwei Aktionen hat, sollten sich die Spieler gut absprechen, wer wann was macht und vor allem ihre jeweiligen Sonderfähigkeiten bzw. die ihre hohen Charakterwerte an den richtigen Orten oder in den richtigen Situationen nutzen. Vielfach sind für die Erfüllung von Aufgaben auch die angesprochenen Würfelproben notwendig, bei welchen der Charakter ein bestimmtes Ergebnis erzielen muss. Das fällt natürlich leichter, je besser der entsprechende Charakterwert ist und dementsprechend mehr Würfel zur Verfügung stehen.

Hat jeder Spieler zwei Aktionen ausgeführt, endet der Tag. Bevor allerdings die Nacht hereinbricht, sollte erst einmal ein sättigendes Abendessen eingenommen werden. Ist dieses nicht möglich (da nicht genügend Nahrung heran geschafft wurde) erhalten die entsprechenden Charaktere einen Erschöpfungsmalus. Anfangs ist das nicht weiter schlimm, mit zunehmender Erschöpfung reduzieren sich jedoch die Charakterwerte und wird nichts dagegen getan, kann die Gruppe dadurch sogar im Abenteuer scheitern. Mit der Nacht kommt dann nicht nur erholsamer Schlaf, sondern auch allerlei Unheil auf die Schiffbrüchigen zu, das im schlimmsten Fall sogar alle Bemühungen des Tages zunichte machen kann. Die Spieler ziehen dazu nacheinander eine Unheilkarte und handeln die entsprechenden Ereignisse ab.

Nach und nach werden so die im jeweiligen Abenteuer zur Verfügung stehenden Orte erkundet, Wichtiges gefunden und die Gruppe kommt dem vorgegebenen Ziel des Abenteuers näher. Allerdings haben die Spieler nicht alle Zeit der Welt, sondern müssen sich schon vernünftig koordinieren. Denn wenn alle Karten des Unheilstapels gezogen worden sind, bevor das Ziel des jeweiligen Abenteuers erfüllt wurde, endet der Versuch. Um ein Abenteuer beenden zu können, muss in den meisten Fällen eine bestimmte Karte gefunden werden. Dieses ist anfangs noch gut machbar, wird in den Folgepartien jedoch deutlich schwieriger.

Spieletester

06.07.2019

Fazit

Kooperative Story-lastige Abenteuer- und Exitspiele sind aktuell im Trend und verbunden mit dem gewählten Schiffbruch-Setting und den Illustrationen ist mit Adventure Island ein Spiel mit sehr hohem Aufforderungscharakter entstanden, bei dem man sofort losspielen und die Insel erkunden möchte. Die Regel ist kurz, was sollte also einem schnellen Spielbeginn schon im Weg stehen?

Leider recht viel, wie ich erfahren musste. Gleich zu Beginn merkt man, dass die kurze Regel ein Blender ist. An vielen Stellen fehlen genauere Informationen oder grundlegende Definitionen. Teilweise stehen sogar Dinge darin, die dann auf den Abenteuerkarten anders dargestellt werden. Das alles sorgt gerade am Anfang für einige Verwirrung. Hier wäre eine ausführlichere Regel oder, um nicht spoilern zu müssen, Querverweise auf die Abenteuerkarten wünschenswert gewesen.

Leider bleibt es nicht bei diesem einen Kritikpunkt. Die Abenteuer bauen inhaltlich aufeinander auf, sollen aber laut Pegasus Spiele losgelöst voneinander betrachtet werden. So kann man in einem Abenteuer z.B. am Strand einen interessanten Gegenstand finden, den man dann jedoch im nächsten Abenteuer nicht mehr besitzt. Oder die Spieler haben einen Ort entdeckt, dessen Lage sie in der nächsten Partie jedoch komplett vergessen haben. Sorry, aber das fühlt sich absolut unlogisch an. Eine möglich Variante wäre es gewesen zu erklären, dass die Spieler in den Abenteuern verschiedene Bereiche der Insel erkunden. Dazu wäre jedoch eine bessere und ausführlichere Story als Rahmenhandlung notwendig gewesen. Adventure Island ist als Spiel sehr glückslastig und -abhängig. So gibt es viele Würfelproben, aber auch zur falschen Zeit gezogenen Karten bzw. Unheilkarten können die Abenteurer scheitern lassen. Am schlimmsten wiegt jedoch in meinen Augen, dass der Erfolg des Teams und die Erfüllung der Mission meist an einer einzigen Karte hängen. Wird diese nicht oder nicht rechtzeitig gezogen, hat man keine Chance, denn es gibt keinen alternativen Weg. Man könnte zwar beim nächsten Mal versuchen, rein mechanisch den idealen Weg zu gehen, aber durch den hohen Glücksanteil gibt es auch hierbei keine Garantie auf Erfolg. Durch diese Hemmnisse sinkt leider das Interesse an der Wiederholung eines Abenteuers, noch dazu wenn man es schon einmal gemeistert hat.

Eigentlich würde mich Adventure Island mit seinem Setting und seinen Spielmechanismen voll abholen. Ich hatte mich so richtig auf das Ausprobieren und Testen gefreut. Dann bemerkt man jedoch die vielen kleinen angesprochenen Unzulänglichkeiten und den fehlenden letzten Feinschliff. Selbst Kleinigkeiten beim Material wie z.B. die eigentlich gut gedachten Trennstege im Inlay funktionieren nicht richtig, weil sie nicht bis auf den Schachtelboden reichen und einsortierte Karten problemlos unter ihnen hindurch rutschen können. Sorry, aber auf mich wirkt es, als ob das Spiel überhastet auf den Markt gebracht wurde. Dabei ist Adventure Island beileibe kein schlechtes Spiel. Es hätte aber grandios werden können. Das macht gleichzeitig ein wenig Hoffnung. Darauf, dass Pegasus Spiele und die Autoren Lukas Zach und Michael Palm sich noch einmal zusammen setzen, das Spiel und insbesondere die Regel grundlegend überarbeiten und den Spielern anschließend eine zweite, in den entscheidenden Punkten verbesserte Auflage anbieten.

Zu diesem Zeitpunkt kann ich die vorliegende Ausgabe von Adventure Island leider nur eingeschränkt für Fans empfehlen, die mit den angesprochenen Problempunkten umgehen können. Pegasus Spiele haben zwar mittlerweile online schon einen vier(!)-seitigen Leitfaden veröffentlicht, der einige der angesprochenen Punkte entschärft oder beseitigt. Eine überarbeitete Neuauflage des Spiels wäre langfristig gesehen aber die bessere Lösung. Denn das Spiel ist zudem mit Sicherheit nicht nur, wie vom Verlag beworben, für Kennerspieler interessant, sondern auch Familien mit etwas älteren Kindern könnten sich problemlos daran versuchen, von der Insel zu entkommen.

Redaktionelle Wertung:

Plus

  • schöne Illustrationen
  • wirkliches kooperatives Spielgefühl
  • schöne Spielmechanik
  • hoher Kommunikationsfaktor

Minus

  • Regel der ersten Auflage ohne FAQ und Leitfaden zu kurz und lückenhaft
  • durch ungenaue Beschreibungen oder Anweisungen immer wieder spielerische Unklarheiten
  • Kartennummern sind auf der Vorderseite der Karten, deshalb bekommt man mehr mit als man will
  • Spielfortschritt hängt von bestimmten Karten ab, dadurch geringer Wiederspielwert
  • die Insel muss für jedes Abenteuer neu entdeckt werden 
  • sehr glückslastig
  • Kartentrenner für das Spielinlay zu kurz

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 45 bis 90 Minuten
Preis: 30,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2018
Verlag: Pegasus Spiele
Grafiker: Lea Fröhlich , Lisa Lenz
Zubehör:

1 Spielregel
171 Karten 
6 Charaktertableaus
6 Kartentrenner
8 Sortierhilfen
5 Würfel W6
5 Spielfiguren
5 Spielermarker
5 Multiplikationsmarker
10 Fluch-Marker
15 Fortschrittsmarker
15 Erschöpfungsmarker
14 Erfahrungsmarker
65 Ressourchenplättchen

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