Space Empires 4X

Dieses Spiel ist nur auf Englisch erhätlich.

Es gibt in der Brettspielewelt ein paar Spiele, die allein schon wegen ihrem enormen Umfang einen beinahe legendären Status erlangt haben. Im Fantasy-Bereich gäbe es da unter anderem Runewars und Descent, aber die RICHTIG GROßEN Schlachten werden im All ausgefochten. Da wäre zum Beispiel Twilight Imperium zu nennen oder das neuere Eclipse. Giganten, bei denen eine Spielrunde viele, viele Stunden lang dauert (ich habe von TI-Spielern gehört, die während einer Partie an Schlafmangel gestorben sind... zumindest fast). Nun gibt es viele Leute, die zwar die Spielmechaniken und das unglaublich tiefe Spielgefühl solcher epischen Spiele schätzen und lieben, dafür aber einfach zu wenig Zeit haben.
Um auch den normal sterblichen Nicht-Fanatiker in den Genuss dieser Erfahrungen kommen zu lassen, hat sich Jim Krohn die hehre Aufgabe gestellt, ein ähnlich episches Spiel zu gestalten, dabei aber das Regelbuch nicht zu einem Roman ausarten zu lassen und – vor allem – die Spielzeit in einem halbwegs normalen Rahmen zu halten. Auf jeden Fall so, dass sich das Spiel an einem Abend spielen lässt.
Die Idee zu Space Empires 4X war geboren. Das war anno 1990. Nach über 20 (!) Jahren Entwicklung und Test ist es dann schließlich 2011 bei GMT Games auf den Markt gekommen. Was für eine Geschichte! Da macht es natürlich doppelt Spaß, das Spiel auf Herz und Nieren zu testen.

Die vier X

Der Name des Spiels ist Programm: Jeder Spieler versucht, sein eigenes Space Empire zu gründen. Dabei bedient er sich des 4X-Prinzips: eXplore, eXpand, eXploit und eXterminate. Ganz im Sinne des Letztgenannten, zu Deutsch "ausrotten", gilt es, beim Ausbau des eigenen Imperiums alle anderen in den Boden zu treten. Sprich: Der Spieler, dessen Hauptbasis am Heimatplaneten als letzte übrigbleibt, siegt. Der Weg dahin ist allerdings steinig, denn im Standard-Szenario hat man zu Beginn des Spiels nebst ein paar Schiffen nur das wichtigste: eben den Heimatplaneten mit Basis.

Der Spielaufbau

Der Startplanet wird auf das dafür vorgesehene Hex-Feld gelegt (ersichtlich im Szenarioheft) und mit vier Raumwerften versehen, dazu erhält jeder Spieler drei Späher, drei Kolonieschiffe und einen Frachter (s.u.). Auf alle anderen Felder des Heimatsystems (ebenso ersichtlich im Szenarioheft) werden verdeckt die Heimatsystem-Marker der eigenen Farbe gelegt.

Wenn alle Spieler soweit mit ihrem Aufbau fertig sind, werden die verbleibenden Hex-Felder mit Weltraum-Markern bestückt. Fertig ist die Ausgangssituation.

Der Rundenablauf

Grundsätzlich ist jede Runde folgendermaßen eingeteilt:

1. Zug (Bewegung, Kampf, Erkundung)
2. Zug (Bewegung, Kampf, Erkundung)
3. Zug (Bewegung, Kampf, Erkundung)
Wirtschaftsphase

Jedes Schiff darf sich also in jeder Runde dreimal bewegen (mit allen Konsequenzen, die das hat) und erst dann wird eine Wirtschaftsphase eingeläutet. Der Aufbau einer solchen wird weiter unten genauer beschrieben.

Zum Kampf kommt es ausschließlich, wenn sich zwei oder mehr Schiffe von unterschiedlichen Spielern in einem Hex befinden, und weil das anfangs noch nicht möglich ist, lasse ich diese Phase mal außen vor.
Da man aber natürlich schnell mehr Geld, größere und stärkere Raumschiffe haben, den Gegner vernichten und überhaupt als ganz toller Hecht dastehen will, bleibt einem nichts anders übrig, als sein Territorium auszuweiten. Man bewegt also in der Bewegungsphase seine Schiffe in neue Gebiete, um diese dann in der Erkundungsphase zu untersuchen. Was kann man da so entdecken? Das hängt davon ab, ob man sich noch im Heimatsystem befindet oder nicht. Dort gibt es mit Ausnahme von einem einzigen Schwarzen Loch eigentlich nur Gutes oder Neutrales. Zu den guten Sachen seien neue, besiedelbare Planeten und Mineralien gezählt, zu den neutralen Nebel und Asteroiden. Im offenen Weltraum gibt's dann einige Möglichkeiten mehr, deren Aufzählung hier nicht weiter wichtig ist, nur so viel sei verraten: Das ist kein Ponyhof da draußen.

Am Anfang ist es vor allen Dingen wichtig, mehr Konstruktions-Punkte (KPs) zu erhalten. Das geht am besten mit den Kolonieschiffen, die man von Anfang an zur Verfügung hat und mit denen man Planeten besiedeln kann, was in weiterer Folge zu mehr Einkommen pro Wirtschaftsphase führt. Auch Mineralien sind gern gesehen. Man kann sie mittels Frachter einsammeln und zu einem besiedelten Planeten bringen, was in der nächsten Wirtschaftsphase in einem einmaligen Einkommensbonus resultiert.

Die Wirtschaftsphase

Hierbei handelt es sich um das Kernstück des Spiels. Die Wirtschaftsphase kann und soll von allen Spielern gleichzeitig und verdeckt ausgeführt werden. Alle Veränderungen werden dabei auf einem Formular festgehalten (dem Spiel liegt ein ganzer Block dieser Formulare bei). Eine Wirtschaftsphase gliedert sich wie folgt:

1. Einkommen berechnen

Hierzu wird zusammengezählt, wieviele KPs wir noch aus der letzten Runde übrig haben, wieviel unsere Kolonien produzieren und wieviel durch Mineralien hereinkommt. Spielt man mit den erweiterten Regeln, kommen auch noch die Handelsschiff-Pipelines dazu.

2. Unterhalt zahlen

Die meisten Schiffe bedeuten in ihrer Instandhaltung einen gewissen finanziellen Aufwand. Dieser wird nun ermittelt und von dem vorher berechneten Einkommen abgezogen.

3. Gebot für die Reihenfolge

Wer möchte, kann in dieser Phase ein Gebot abgeben. Wer am höchsten geboten hat, darf bestimmen, wer in der nächsten Runde der Startspieler ist.

4. Technologien und Schiffe kaufen

Hier wird's spaßig: neues Spielzeug kaufen! Neben einer Vielzahl an Kampfschiffen gibt es auch Raumwerften, Basen, Kolonieschiffe, Handelsschiffe, Frachter, Lockvögel, Minenschiffe und Minen (wenn man mit erweiterten Regeln spielt, ansonsten sind es ein bisschen weniger). Außerdem besteht die Möglichkeit, neue Technologien zu entwickeln, um zum Beispiel den Angriffswert oder die Bewegung der Schiffe zu verbessern, das Besiedeln von brachliegenden Planeten zu ermöglichen und so weiter.

5. Kolonien entwickeln sich weiter

Als letztes werden in jeder Wirtschaftsphase die Kolonien verbessert. Dies geschieht automatisch ohne Kosten und funktioniert so: Hat man mit einem Kolonieschiff einen Planeten besiedelt, liefert der in der ersten Wirtschaftsphase noch keine KPs, in der zweiten 1 KP, in der dritten 3 KP und ab der vierten 5 KP.

Pikant ist, dass die Gegner nie wissen, in was man seine KPs investiert hat. Manche Dinge sieht man zwar auf dem Spielbrett (Schiffe bewegen sich auf einmal weiter), aber das meiste ist zumindest nicht genau erkennbar, zumal neue Schiffe immer mit einer nichtssagenden Seite ausgelegt werden (dazu gleich mehr).

Kampf

Mit dem neu erstandenen Kram fangen dann wieder die drei Züge an. Das Spielchen wird so lange gespielt, bis zwei Spieler auf Konfrontation gehen. Ab dann wird es ernst. Bevor ich auf die Mechanik des Kampfes eingehe, noch ein Wort zu den Schiffen. Diese werden (wie alles andere auch) durch kleine, zweiseitig bedruckte Plättchen dargestellt. Auf der einen Seite sieht man... nichts. Nur ein Bild, unter dem sich alles verbergen könnte. Auf der anderen Seite steht dann ganz genau, um was für einen Schiffstyp es sich handelt, über welche Angriffs- und Verteidigungskraft er verfügt und wieviele Treffer er einstecken kann. Aber nicht nur, dass die Art des Feindes ungewiss ist, auch seine Anzahl ist bis zum Zeitpunkt des Kampfes nicht einsehbar. Unter jedem Schiff-Plättchen liegt nämlich noch ein weiteres, auf das eine Zahl von 1 bis 6 aufgedruckt ist. Sie repräsentiert die Anzahl der Schiffe des jeweiligen Typs. Ein Plättchen ist daher nicht als einzelnes Schiff anzusehen, sondern als potentielle Gruppe.

Der Kampf als solches wird wie folgt abgewickelt. Zuerst werden die teilnehmenden Schiffe enthüllt und gemäß ihrer Klasse (A-E) aufgelegt. Dann wird ermittelt, welcher Spieler zuerst schießen darf. Wenn keine Sonderregeln greifen, ist das der Verteidiger. Es schießen also zuerst die Schiffe der Klasse A des Verteidigers, worauf die Schiffe der Klasse A des Angreifers zurückballern, es folgen die Schiffe der Klasse B des Verteidigers usw. Zur Trefferabhandlung wird der Verteidigungswert des angegriffenen Schiffes vom Angriffswert des attackierenden Schiffes abgezogen. Der Angreifer muss nun mit einem zehnseitigen Würfel unter den errechneten Wert kommen, wobei eine eins immer Schaden verursacht.

Der Kampf geht solange weiter, bis entweder eine Seite völlig ausgelöscht ist oder sich zurückzieht. Sollten eine Armee und eine befeindete Kolonie ohne Armee auf einem Hex sein, kann die Kolonie angegriffen werden. Jedes Schiff darf genau einmal pro Zug schießen, wobei unter den Grundangriffswert ohne irgendwelche Mali gewürfelt werden muss. Kolonien erleiden nach dem gleichen Muster Schaden, wie sie vorher gewachsen sind: 5, 3, 1, aus. Bei Heimatplaneten sind die Abstände größer: 20, 15, 10, 5, aus. Sobald die Basis auf einem Heimatplaneten zerstört ist, ist der entsprechende Spieler ausgeschieden.

Die Ausstattung

Oh, ein wunder Punkt. Gleich vorweg, von mangelnder Qualität kann nicht die Rede sein. Vielmehr geht es um die grafische Umsetzung. Zwar sind die Illustrationen alle gut gelungen, aber allein die Tatsache, dass absolut ALLES durch in ihren Abmessungen idente Pappplättchen dargestellt wird, lässt mich enttäuscht seufzen. Eine gewisse Monotonie für die Augen ist die Folge – ohne Auswirkungen auf die Funktionalität, aber trotzdem schade.
Ansonsten lässt sich festhalten, dass Space Empires in einer prall gefüllten Schachtel daherkommt, großes Spielbrett, tolles Regelheft und vielfältiges Szenariobuch inklusive.

Spieletester

21.12.2012

Fazit

Einige Elemente von Space Empires beeindrucken mich regelrecht. Allen voran die Tatsache, dass hier wirklich ein Spiel geschaffen wurde, bei dem der Spieler eine riesige Fülle an strategischen Möglichkeiten hat (in dieser Rezension sind bei weitem nicht alle aufgezählt), das Regelbuch aber trotzdem schlank geraten ist (11 Seiten für das Basisspiel, 13 Seiten inklusive erweiterter Regeln). Die Vielfalt der Optionen passt wirklich in einige wenige Grundregeln, Sonderregeln sind die absolute Ausnahme und nach zwei Runden hat der erfahrene Spieler die Prinzipien verstanden und verinnerlicht. Mit dem Szenario für ein schnelles Spiel ist eine Runde gut in zwei Stunden spielbar, vorausgesetzt niemand fängt ein Wettrüsten an. Ebenso begeisternd ist das Bausatz-System. Nicht nur fügen sich die optionalen Regeln lückenlos in das Spielgeschehen ein, man kann auch problemlos einige Schifftypen und Technologien weglassen, um die Möglichkeiten etwas einzuschränken. Im Szenarioheft finden sich noch weitere Ideen, um den Spielfluss zu beschleunigen – und auch die funktionieren allesamt. Außerdem gibt es zwei Solovarianten, einmal gegen Aliens und einmal gegen Maschinen des jüngsten Gerichts. Vor allem Letztgenanntes verspricht ein kurzweiliges Spielvergnügen. Auch wenn die Gewinnchancen auf der höchsten Schwierigkeitsstufe wohl am ehesten mit "Aussichtslos" beschrieben werden können. Space Empires ist auf ganzer Linie gelungen. Einzig die optische Aufmachung gefällt mir wenig, trotzdem spreche ich hier gerne eine große Empfehlung aus, prinzipiell für alle, die Spaß an Strategiespielen haben. Besonders für das Clientel, dem einfach die Zeit für Longplayer à la Twilight Imperium fehlt, das sich aber gern in epischen und strategisch komplexen Schlachtensimulationen verliert, ist Space Empires 4X ein ganz heißer Tipp! p.s.: Ich habe unten auf ein Video verlinkt, wo die Regeln noch etwas eingehender auf Englisch präsentiert werden. Für diejenigen, denen meine Rezension zu wenig ausführlich ist.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 150 Minuten
Preis: 60,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2011
Verlag: GMT Games
Autor: Jim Krohn
Grafiker: Rodger MacGowan
Genre: Strategie
Zubehör:

1 Regelheft 1 Szenarioheft 1 Block mit Formularen für die Wirtschaftsphase 1 Spielbrett 4 zehnseitige Würfel 4 Übersichtskarten 792 Marker (Heimatsystem, Schiffe, Weltraum, Kolonien, Zahlenplättchen)

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