Reisespiele wurden lange Zeit nicht als vollwertiges Spiele-Genre wahrgenommen und fristeten eher ein Nischendasein. Das scheint sich aktuell allerdings deutlich zu ändern.
In Abroad gilt es in einem Zeitraum von vier Wochen, also 28 Tagen, mit dem Zug oder dem Flugzeug kreuz und quer auf dem europäischen Kontinent unterwegs zu sein und dabei in den einzelnen Regionen und Ländern sowohl touristische Highlights als auch Festivals zu besuchen. Diese Besuche müssen möglichst siegpunktträchtig aufeinander abgestimmt werden. Aber warum gerade 28 Tage? Ein bekannter Reiseführer-Verlag führt eine spezielle Eignungsprüfung durch und hat den Anwärtern zu diesem Zweck einen Vier Wochen-Reisekalender zur Verfügung gestellt. Derjenige Teilnehmer, der diesen Zeitraum am besten nutzen und die meisten Siegpunkte sammeln konnte, kann sich über eine Festanstellung im Verlag freuen.
Auf dem Spielplan sind die Länder Europas zwar nicht näher bezeichnet, jedoch in insgesamt 10 Regionen zusammengefasst. Die Staatsgrenzen sind mit ein bisschen gutem Willen und etwas geografischem Verständnis zu erkennen. Vor einer Partie werden jeder Region zwei zugehörige Bucket-List-Plättchen und ein Ortskundigen-Plättchen zugeordnet. Jeder der Spieler startet mit sieben zufälligen Ortskarten und einer zufälligen Postkarte und beginnt seinen Europa-Trip aufgrund dieser Kartenkonstellation in einer Region seiner Wahl. Die 28 Tage des eigenen Kalenders werden vorher noch mit Tagesmarkern belegt.
Abroad wird über vier Runden gespielt, wobei jede Runde sieben Phasen hat. Die zweite Phase ist die Hauptphase, in welcher die Spieler reihum ihre Aktionen ausführen. Die anderen, deutlich kürzeren Phasen dienen vor allem dazu, das Material anzupassen oder Wertungen auszuführen. In der eigenen Aktionsphase können die Spieler mit ihrer Figur mit dem Zug über Regionsgrenzen fahren oder mit dem Flugzeug eine beliebige Region ansteuern. Das kostet aber Energie oder Geld. Aufregung und Ortskundige sind weitere Ressourcen im Spiel. Nach der Bewegung führen die Spieler in der aktuellen Region eine von vier möglichen Aktivitäten durch. Die am meisten genutzte ist es, eine Ortskarte aus der Hand auszuspielen und die auf der Karte verzeichnete Anzahl an Tagesmarkern vom Kalender in die Region zu legen. Die Ortskarte kommt anschließend auf den eigenen Kalender. Ausgespielte Karten gewähren Effekte, die jedoch teilweise an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sind. Zusätzlich ist auf manchen Ortskarten ein Wochentagsbonus verzeichnet, den man erhält, wenn die Aktivität an diesem Tag endet. Um hier ein wenig flexibler zu bleiben, kann durch die Ressource Aufregung die Anzahl der benötigten Tage der Ortskarte reduziert werden.
Natürlich ist die eigene Kartenhand aufgrund der hohen Kartenvielfalt nicht immer die hilfreichste oder aber für die Planung der eigenen Aktivitäten werden andere Wochentage benötigt. Um auf diese Situationen einzugehen, gibt es drei zusätzlich mögliche Aktionen, die lediglich einen Tag dauern. So kann man einen Bericht schreiben, um Geld zu generieren, sich ausruhen, um neue Energie zu erhalten oder aber das weitere Vorgehen planen und damit zusätzliche Ortskarten ziehen. Nach der eigenen Aktion kann der Spieler bei Bedarf noch die Hilfe des Ortskundigen in dieser Region in Anspruch nehmen, ein Ziel auf seiner Bucket-Liste abarbeiten oder aber auf ein Festival gehen. Wichtig zu wissen, Festivals sind ein zusätzliches Spielelement, welches nur erfahrene Spielrunden nutzen sollten.
Haben alle Spieler ihre Tagesmarker der aktuellen Woche verbraucht, gibt es eine Wertung. In dieser werden alle zehn Regionen nacheinander auf Mehrheiten überprüft und dementsprechend Siegpunkte verteilt. Danach wird Einkommen generiert und das Spielbrett für die nächste Spielrunde vorbereitet. Sind alle vier Runden bzw. Wochen gespielt und gewertet worden, werden noch zusätzliche Siegpunkte für erfüllte Postkarten und übrig gebliebene Ressourcen verteilt. Derjenige Spieler, der die meisten Siegpunkte sammeln konnte gewinnt die Partie.
Spieletester
Fazit
Abroad vermischt auf eine angenehme aber auch herausfordernde Art und Weise Management- und Reise-Spielelemente. Ständig ist man in der Zwickmühle, was man zuerst tun soll und wann der ideale Augenblick gekommen ist, um seine Ortskarten auszuspielen. Denn um diese perfekt auszunutzen, sollten sowohl die geforderten Voraussetzungen vorhanden sein, als auch der Wochentag stimmen, um möglichst die Bonus-Belohnung einzusacken. Um der Planungsorgie dann noch die Krone aufzusetzen, benötigt man, um sich die siegpunktträchtigen Bucket-List-Plättchen holen zu können, auch ein entsprechendes Set an Ortssymbolen. Also viele Elemente, die man meistens nicht unter einen Hut bekommt. Deshalb muss man sich irgendwann entscheiden, ob man lieber dem sprichwörtlichen Spatz in der Hand als der nichterreichbaren Taube auf dem Dach den Vorzug geben will. Diesbezüglich ist eine Partie recht spannend, aber speziell in voller Besetzung auch sehr anfällig für Downtime. Zudem muss der nicht unbedeutende Glücksfaktor berücksichtigt werden. Zu oft passen bei den lieben Mitspielern die gezogenen Karten perfekt, während man selbst mit der Glücksgöttin hadert. Das betrifft auch die Möglickeit sein Einkommen zu steigern. Die Anforderungen dafür sind extrem hoch und nur mit Glück rechtzeitig schaffbar, damit man davon im Verlauf der restlichen Partie noch profitieren kann
Leider gibt es jedoch an der Präsentation und Redaktion des Spiels einiges zu bemängeln. Weckt das toll gestaltete Cover sofort die Reiselust, so wird diese beim Anblick der Europa-Karte gleich wieder abgetötet. Wer bitte schön hatte die Idee, die Regionen auf dem Spielplan in einem Potpourri aus Rottönen einzufärben? Auf den Ortskarten wird zudem zwar das zugehörige Land genannt und gezeigt, hier hätte man aber mit einem kleinen Punkt noch die ungefähre Lage des touristischen Highlights vermerken können. Die Bilder auf den Ortskarten sind teilweise unvorteilhaft gewählt und machen nicht unbedingt touristische Werbung für die jeweiligen Orte oder bilden sogar etwas anderes als das Genannte ab. (z,B. die Hagia Sophia in Ankara statt des Präsidentenpalastes) Die Spielregel selbst ist kurz gehalten, ein paar zusätzliche Zeilen zu bestimmten Spielsituationen wären aber vielfach hilfreich gewesen. Insgesamt scheint die redaktionelle Arbeit leider ein wenig zu kurz gekommen zu sein.
Durch die vorgenannten Punkte verbaut sich Abroad in meinen Augen eine deutlich höhere Wertung. Das Spiel funktioniert, der Wiederspielreiz ist bei mir jedoch trotz der hohen Kartenvielfalt gering. Das liegt zum einen am immer gleichförmigen Spielablauf, als auch am nicht unerheblichen Glücksfaktor. Insofern kann ich hier leider keine klare Kauf-Empfehlung aussprechen, eine Probepartie sollte aber klären ob Abroad trotzdem in die eigene Spielesammlung einziehen darf.
Plus
- schöne Verquickung unterschiedlicher Spielmechaniken
- endlich mal wieder ein anspruchsvolleres Reisespiel
Minus
- teilweise schlechte optische Darstellung (z.B. Spielplan)
- Info-Potential bei den Orts-Karten verschenkt
- hoher Glücksanteil
- in voller Besetzung hohe Downtime
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Details
Spielregel
Solo-Spielregel
Spielplan
5 Kalender-Tableaus
240 Orts- Karten
46 Postkarten-Karten
5 Übersichts-karten
20 Bucket-List Plättchen (doppelseitig)
40 Festival- Plättchen
10 Ortskundigen-Plättchen
Startspieler-Marker
59 Münzplättchen (Pappe)
30 Energiemarker (Holz)
30 Aufregungs-Marker (Holz)
30 Ortskundige (Holz)
2 Wertungsbonus-Plättchen (Pappe)
5 Spielfiguren (Holz, je eine in fünf Spielerfarben)
5 Wertungsscheiben (Holz, je eine in fünf Spielerfarben)
140 Tag-Plättchen (doppelseitig) (Pappe, je 28 in fünf Spielerfarben)
Koffermarker (Holz)
15 Multiplikatorenplättchen
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