City of Angels

Zischend erleuchtet eine kleine Flamme einen Teil des stockdunklen Piers; Rauch steigt von jenem Glimmstängel in die frische Meeresluft hinauf. „Und Boss? Was sollen wir jetzt mit der Kleinen tun?“ „Na was wohl! Auf das Boot mit ihr! Wenn sie unbedingt singen will, ja dann kann sie ja gern den Fischen eine nette Melodie summen.“ Zwei grimmig dreinsehende Männer packen einen, in weiße Säcke gestopften, Gegenstand der beängstigende Ähnlichkeit mit einem Menschen hat. Mit einem Wumms fällt der Sack auf ein knarrendes Boot; als ganz plötzlich ein noch weit lauteres Geräusch den stillen Nachthimmel erwachen lässt! Eine bleierne Kugel penetrierte das Polyestergemisch eines schwarzen Hutes eines der Gangster, der vor Schreck in das Wasser plumpste. „Keine Bewegung ihr Ganoven, ihr seid umzingelt!“

Dort wo keine Engel wachen:

City of Angels ist eine Art Detektivspiel in dem ihr, in den Rollen von Ermittlern, eine von neun vorgegebenen Geschichten zu lösen versucht. Jede Partie benötigt, in der klassischen Variante, eine Art Spielleiter: den Stichel, dessen Ziel es nicht unbedingt ist die Ermittler auf eine falsche Fährte zu führen und dadurch zu gewinnen, sondern eher einen möglichst spannenden Ablauf zu garantieren. Die Ermittler selbst versuchen jeder für sich die Antworten auf drei Fragen zu finden, die üblicherweise lauten: wer ist der Täter, was war die Tatwaffe und was das Motiv? Alle Geschichten drehen sich um irgendeine Art von Mord in dem, von Gangstern gefüllten, Los Angeles.

Unzähliges an Spielmaterial bietet viele Anpassungsmöglichkeiten des Ablaufs, so kann das Ganze auch kooperativ oder sogar solo absolviert werden, wobei der richtige Spielspaß sich jedoch erst im klassischen Modus ergibt. Genauso gibt es sozusagen Fähigkeitskarten, für Ermittler und den Stichel, die alternativ genutzt werden können.

Bei so viel Inhalt ist es kaum möglich den Spielablauf kurzzufassen, dennoch versuche ich es hier: Ein Spielplan wird aufgelegt und eine vorgefertigte Fall-Box vom Stichel geöffnet. Der darin enthaltene Inhalt wird laut Angabe der Ermittlungsakte des jeweiligen Szenarios aufgestellt und der Stichel liest sich die Lösung der Geschichte genau durch. Im Uhrzeigersinn können die Ermittler nun jeweils vier Aktionen ausführen, wobei es sechs wählbare Optionen gibt. Darunter: bewegen, nachdenken, Schutzgeld erpressen, einen Ort durchsuchen, eine Person filzen oder aber auch einen Verdächtigen verhören. Letzteres ist wohl der Hauptaspekt des Spiels! Spieler können einen Verdächtigen immer nur über ihnen bekannte Informationen befragen, zu denen der Spitzel jeweils die Wahrheit als auch diverse Lügen vordefiniert bekommt. Er kann nun wählen, was er dem Spieler mitteilen möchte, aber Vorsicht ist geboten! Wird die Lüge erkannt, so erhält der Spieler ein Druckmittel gegen den befragten Charakter, was zukünftig dessen Schwindeln verhindert; wird jedoch eine Lüge falsch angeschuldigt, so erhält der Stichel selbst ein Druckmittel, mit dem dieser eine zukünftige Aussage verweigern kann. So erhaltene Informationen gehen immer nur an den Befragenden weiter, außer andere Spieler hätten zuvor mit Geld einen Spitzel gekauft, so würden diese ebenfalls die Information erhalten.

Vier zusätzliche, jeweils Geld in Anspruch nehmende Optionen, geben dem Spiel noch weitere Tiefe; so kann auch ein Mitspieler für ihm bekannte Informationen bezahlt werden oder mit Schlägern ein Verdächtiger zu einem Verhör gezwungen werden.

Das Spiel kann auf zwei Arten enden: entweder jemand löst den Fall, indem er die drei gestellten Fragen geheim beantwortet, oder aber der Rundenzähler ist vollständig abgelaufen und das ohne, dass jemand die Lösung fassen konnte; wobei jeder hierbei noch eine abschließende, zweite Auflösungsmöglichkeit erhält.

Als Ermittler kann jede der neun Geschichten eigentlich nur einmal gespielt werden, denn dann sind einem ja die Details und die Auflösung bekannt, als Stichel für eine andere Spielegruppe kann aber jedes Szenario praktisch endlos wiederholt werden. Das Regelheft empfiehlt sogar die einzelnen Szenarien erstmals gespielt zu haben, bevor man diese als Stichel leitet; aus unserer Sicht aber nicht unbedingt nötig!

Also den Colt fest im Holster, den Hut fein zurechtgerückt und natürlich die Tabakwaren frisch an die Lippen angesteckt, so beginnt wohl jede Ermittlungsarbeit in dieser engelsverlassenen Stadt. Doch wo die göttliche Hand selbst nicht richtet, da müssen es andere tun! Löst die Fälle, macht die Stadt wieder sicherer und, natürlich, kassiert ein nettes Sümmchen für eure Arbeit!

Spieletester

23.10.2023

Fazit

Ein klares Motiv:

Glühende Colts und heiße Fährten heizen euch in City of Angels ganz schön ein! Die erste Hürde der ihr bereits sehr früh entgegenstehen werdet, ein sehr umfangreiches Regelwerk! Vor der ersten Partie kann dieses geradezu abschreckend wirken, wer sich jedoch erstmals damit beschäftigt hat wird schon sehr bald merken, dass der gesamte Ablauf mehr als nur logisch gestaltet und praktisch problemlos umsetzbar ist. Zusätzlich sind viele Seiten des Regelwerks mit alternativen Varianten, darunter auch einer Solo-Variante, gefüllt, welche nicht unbedingt sofort gelesen werden müssen. Hürde Nummer Zwei tritt gleichsam so rasch in Erscheinung, und zwar benötigt das Spiel, besonders um sich auch im Geheimen Notizen machen zu können, eine nicht unbeträchtliche Menge an Spielfläche.

A und O dieses Kriminalspiels ist das gebotene Verhörsystem. Unter all den Regeln stellt dieses auch den komplexesten Teil dar, jedoch ähnlich logisch wie alle anderen Elemente des Spielgeschehens. Mithilfe vorgegebener Lügen auf Kärtchen kann der Stichel, also praktisch der Spielleiter, wählen, ob er den Spielern das Herausfinden der Wahrheit etwas erschweren möchte oder aber nicht. Wichtig ist hier eine gute Balance zwischen Verwirrung und Unterstützung zu finden, denn das Ziel des Stichels sollte es nicht sein die Spieler völlig im Dunkeln tappen zu lassen, sondern die Spielerfahrung so spannend wie möglich zu gestalten.

Bezüglich der Klassifizierung als „Kenner“-Spiel waren wir weiters etwas geteilter Meinung. Wenn man es zum ersten Mal liest und die erste Partie startet und die Regeln noch nicht so 100% eingefleischt sind, dann erscheint es schon sehr komplex, zugegeben, eventuell sogar überfordernd. Sobald jedoch eine Partie erstmals halbwegs flüssig läuft, dann ist der gesamte Ablauf extrem logisch und eher wie ein gemeinsames Geschichtenerzählen. Gefinkelte Storyelemente gibt es zwar immer wieder, dennoch sind die meisten bereits mit wenigen relevanten Infos einfach zu lösen, sodass die Lügen des Stichels schon praktisch obligat sind, um die Spannung am Laufen zu halten. Ich würde nicht so weit gehen die Geschichten als flach zu bezeichnen, aber sie scheinen schon zum größten Teil sehr klassisch und bieten nicht allzu verschachtelte Geschehnisse; das wäre dann auch etwas schwierig das Szenario aufzulösen. Hier ist es aber besonders schwierig eine effektive Trennlinie zwischen Glück und einfach einem guten Riecher zu ziehen.

Auch wenn die Geschichten selbst vielleicht nicht die aller spannendsten sind, es ist dennoch schade, dass es quasi nicht möglich ist, diese erneut zu spielen, außer in der Rolle des Stichels. Um als dieser ein optimales Spielerlebnis zu gestalten kann das Kennen der Story sogar sehr hilfreich und empfehlenswert sein, ist aber eindeutig kein Muss!

Um auch diesen Fall zu den Akten zu legen, fassen wir erst einmal zusammen: Spaß, Spannung und Sensationen, all diese Spielelemente entstehen fast ausschließlich durch die Handlungen des Stichels. Verdächtig einfach spielt sich das Ganze bei einem doch sehr ausgeprägten Erklärungsheft und dem gewaltigen Inhalt der Schachtel. Als gemütliches Beisammensitzen taugt City of Angels ganz schön, ist dabei aber kein Werk für eben mal kurz zwischendurch. Besonders als Stichel ist das Erlebnis sehr ruhig und schon fast entspannend, natürlich nur wenn einem die Rolle des Spielleiters auch zusagt. Und damit… ladet eure Flinten, zieht die Schießeisen und beweist euer detektivisches Können, ihr werdet es bestimmt noch öfters benötigen!

Redaktionelle Wertung:

Plus

  • extrem logischer Ablauf
  • diverse Ergänzungen und Varianten vorhanden
  • spannendes Verhörsystem
  • Stichel als eine Art Wegbegleiter; nicht als direktes Hindernis

Minus

  • relativ viel Information
  • benötigt eine große Spielfläche
  • nur bedingt wiederspielbar

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 5
Alter: ab 16 Jahren
Spieldauer: 30 bis 150 Minuten
Preis: 69,99 Euro
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Pegasus Spiele
Autor: Evan Derrick
Zubehör:

1 Regelheft (20-seitig)

1 Tutorial-Heft (8-seitig)

1 Soloversions-Heft (für sie Solo-Variante) (68-seitig)

1 Stichel-Ermittlungsakte (40-seitig)

4 Ermittlungsakten (12-seitig)

1 Spielplan

1 Block mit 50 Untersuchungsbögen

1 AAK-Umschlag

1 Stichel-Tableau

4 Ermittler-Tableaus

4 Ermittler-Spielfiguren

4 (färbige) Spielfiguren-Sockel

6 Verdächtigen-Sockel

9 Übersichtstafeln (je 1 pro Fall; für die Solo-Variante)

16 Aktionswürfel (je 4 pro Spielerfarbe)

1 Tagesanzeiger

1 Tatortmarkierung

1 "Letzte Chance"-Marker (für die Solo-Variante)

3 Stress-Plättchen (für die Solo-Variante)

4 "Lösen"-Plättchen (je 1 pro Spielerfarbe)

8 Bestechungs-Plättchen (je 2 pro Spielerfarbe; darunter: 1 "bespitzeln" & 1 "passen")

12 "A" bis "L"-Marker (je 1 pro Buchstabe von A bis L)

32 Druckmittel (je 8 pro Spielerfarbe)

32 Ermittlungsanzeiger (je 8 pro Spielerfarbe)

37 Verdächtigen-Pappfiguren

49 Geldschein-Marker (darunter: 41 1$ & 8 5$)

8 "Beweis an sich genommen"-Karten

8 Gaunerkarten

8 Gunstkarten

__________________________
9 Fälle in je 1 fallspezifischen Schachtel mit unterschiedlichen Mengen an:

Antwortkarten (Gesamt: 97)

Durchsuchungskarten (Gesamt: 204)

Fall- & Geheimniskarten, sowie andere fallspezifische Karten (Gesamt: 114)

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