Detective: Erste Fälle

Spiele im Stil von Escape-Rooms erleben aktuell einen wahren Boom. Mit Detective: Erste Fälle haben wir einen Vertreter vor uns, der im Ermittler-Genre angesiedelt ist und auf Web-Unterstützung setzt.

Namensgebung

Ich habe einleitend vom "Ermittler-Genre" geschrieben. Der Name "Detective" hat nämlich nichts mit Detektiven im Sinne von Bespitzelung und Co. zu tun, sondern meint das englische "Detective", was so viel wie "Ermittlungsspezialist bei der Kriminalpolizei" bedeutet. Da sind wir schon voll im Thema: Jemand musste gewaltvoll sterben! Die Spieler arbeiten kooperativ als Ermittlerteam. Es bleibt aber keine Zeit, sich alle Details des Falls anzusehen, alle Zeugen zu befragen..., denn der Chef will morgen einen Bericht am Tisch haben!
Der eine oder andere wird vielleicht das gleichnamige Kennerspiel des Jahres Detective kennen. Spieler ab 16 Jahre können sich dort auf Verbrecherjagd begeben. Die hier vorliegenden ersten Fälle sind für Familien mit Kindern ab 12 Jahren vorgesehen. Natürlich gibt es einen entsprechend abgespeckten Spielablauf (keine Spezialfähigkeiten, keine Berater, keine Überstunden, keine freie Recherche im Internet...). Aber ansonsten liegt dasselbe Prinzip zugrunde.

Eins, Zwei, oder Drei?

Drei unterschiedliche Fälle warten auf die Ermittler. Gemeinsam ist, dass in jedem Fall jemand rücksichtslos aus dem Leben geholt wurde. Der Auftrag lautet: Finde heraus, wer der Täter war! Ihr werdet am Beginn gebrieft und mit ersten Hinweisen ausgestattet. Welchen Hinweisen ihr nachgeht (sie lest), bleibt euch überlassen. Jeder nachgegangene Hinweis verbraucht Zeit von eurem Konto, dafür erhaltet ihr (meistens) neue Hinweise, manchmal auch Fingerabdrücke, Gegenstände oder Namen von Personen die ihr in der Datenbank nachschlagen könnt (gleich mehr dazu). Zusätzlich wird Zeit benötigt, wenn ihr den Ort wechseln wollt, etwa vom Polizeirevier zum Tatort fahren oder eine Person besuchen wollt. Jeder Fall hat angegeben, mit wieviel Zeit ihr startet. Ist die Zeit um, müsst ihr euch dem Abschlussbericht stellen! Es gibt deutlich mehr Hinweise, als ihr in der Zeit bearbeiten könnt. Toi, toi, toi, dass ihr die richtigen Hinweise findet!

Wie so oft kommt es im Leben anders als man denkt: Wenn man beim schlussendlichen Rapport (einem Multiple Choice Test auf der Datenbank-Website) steht, will der Chef plötzlich auch Hintergründe wissen: Wer hat der Mafia die Informationen gesteckt? Wie ist der Täter ins Zimmer gekommen? Egal welchen Fall ihr spielt: Ihr könnt ihn nur einmal spielen, wenn ihr euch danach die Lösung angesehen habt. Da die Lösung über die Website zu kontrollieren ist, könnt ihr auch nur das "richtig oder falsch"-Fenster ansehen und nochmal von vorne beginnen und/oder weiterspielen, um euer Resultat zu verbessern. Neben eurem Ergebnis könnt ihr auch das Gesamtergebnis der bislang absolvierten Spiele ansehen.

Die Datenbank im Internet

Viele Informationen werden über die im Spiel befindlichen Karten transportiert. Manche Dinge (Personendaten, Verhörprotokolle...) muss man jedoch auf einer speziellen Website abfragen. Es mutet fast schon vorsintflutlich an, dass eine solche Recherche nur getätigt werden kann, wenn sich das Ermittlerteam im Polizeirevier befindet. Das mobile Internet hat es noch nicht in dieses Spiel geschafft.

Was man beim Endergebnis schnell sieht: Die Bedienung der Internetdatenbank scheint einige Spieler abzuschrecken. Fingerabdrücke werden etwa von weniger als 10% der Spieler eingegeben und somit als gefunden gewertet. Zugegeben: Es macht für das Spiel auch überhaupt keinen Unterschied, ob man sie eingibt oder nicht. Es handelt sich um abstrakte Zeichenketten, die man dann "gefunden" hat. Keine hübschen Bilder. Keine Treffer in der Datenbank (sorry, Spoiler), die nicht schon auf den Karten erklärt worden wären. Nichts.
Auf der anderen Seite haben wir ab und zu "Errungenschafen freigeschaltet". Was man damit tut, wird an keiner Stelle erläutert.
In Summe hat man den Eindruck, dass man etwas Tolles programmieren wollte, das aber dann irgendwie nicht fertig oder bislang nur in den Basics nutzbar gemacht wurde...

Apropos nicht fertig: Das haben wir uns auch bei den Portraitkarten gedacht. Das sind Bilder von Personen, die lediglich mit einer Zahl versehen sind. Keine Namen oder Ähnliches. Wir waren uns aus dem Kontext der Karten nicht immer sicher, wessen Portrait wir da vor uns haben. Warum keine Namen angedruckt sind, hat sich uns nicht erschlossen.

Die Fälle (nach bestem Wissen und Gewissen spoilerfrei)

Im ersten Fall geht es um einen Professor, der plötzlich verstorben ist. Das Opfer muss ihn gut gekannt haben. Aber wer war es? Motive gäbe es so einige, von Verehrerinnen, über Kollegen bis hin zu Wirtschaftspartnern. Zugegeben: Hier sind wir schwer im Dunkeln getappt, von drei Schlussfragen hatten wir nur eine richtig. Global liegt die Erfolgsquote der Ermittlerteams bei knapp über 50%. Für ein Einstiegsszenario eigentlich ein NoGo, denn das macht nicht unbedingt Lust auf mehr.

Der zweite Fall ist speziell. Die oben angesprochene Web-Unterstützung gibt es hier nicht, da sich das Geschehen an ausschließlich einem Ort abspielt. Somit fallen auch Reisezeiten weg. Opfer ist ein schrulliger, alter Herr. Wie schon oben haben viele Personen ein Motiv, außerdem gibt es jede Menge Gegenstände und Pläne zu finden. Und eine Legende. Doch was ist wirklich passiert? Am Ende gibt es nur eine Frage, die hatten wir richtig. Allerdings eher mehr nach dem Ausschlussverfahren geraten, als Beweise dafür gefunden. Global liegt die Trefferquote bei 2/3.

Im dritten Fall, in dem jemand eiskalt erschossen wurde und die Sachlage ziemlich eindeutig zu sein scheint, fiel eine schwierige Entscheidung gleich mal mit der Tür ins Haus. Was tun? Zustimmen oder nicht? Unsere Wahl war für den Ausgang nur bedingt hilfreich, trotzdem konnten wir den Fall am Schluss ziemlich genau rekonstruieren. Alle Antworten waren richtig. Bei der ersten liegt die Trefferquote global bei etwa 90%, bei den anderen beiden Fragen geht es allerdings schon wieder steil bergab: 3/4 bzw. 60% konnten die korrekte Option nennen.

Spieletester

21.07.2021

Fazit

Theoretisch kann man Detective - Erste Fälle alleine spielen. Aber wie so oft gilt: Mehr Augen sehen mehr, mehr Köpfe ziehen mehr Schlüsse und das Lösen fällt viel leichter. Es macht sicher auch mehr Spaß. Und der ist dringend nötig, denn obwohl als Einsteigerspiel gedacht, ist es keineswegs einfach, die korrekte Lösung zu finden. Vor allem, wenn es so wie bei uns im ersten Fall läuft, und man gar nicht zu den entscheidenden Beweisen vordringen kann. Dass man nicht alle Hinweise ansehen kann, weil vorher die Zeit aus ist, mag so manchen nerven. Ebenso, dass man sich für tiefere Recherchen zu einem Thema, wenn dann sofort entscheiden muss. Aber im Grunde spiegelt es den Polizeialltag wider: Man würde gerne alles bis ins letzte Detail herausfinden, aber dafür reichen die Ressourcen vorne und hinten nicht.

Die Web-Unterstützung machte den Eindruck, als ob sie mehr Aufwand als Nutzen darstellt. Im zweiten Fall wird sie nicht mal benutzt. Aufwändig ist auch die Übersicht zu behalten, welche Hinweise und Portäts wozu gehören. Keine Überschriften bei den Hinweisen, keine Beschriftungen bei den Portraits, gar nichts. Wenn dann mal mehr Zeit draufgeht, um herauszufinden woher man einen Hinweis bekommen hat (d.h. worum es überhaupt geht) als sich für ihn zu entscheiden und ihn dann zu lesen, ist der Spannungsbogen eingebrochen. Wenn ein Fingerabdruck keine Abbildung hat, sondern nur ein sonderbare Buchstaben-Ziffern-Kombination darstellt, ist es atmosphärisch eine Bruchlandung.

Zusammengefasst heißt das: Eine Vereinfachung von Detective ist zwar eine gute Idee, aber es wurden lediglich die Spielregeln vereinfacht. Leider ist dabei einiger Spielspaß auf der Strecke geblieben. Hinzu kommt, dass die Fälle eher schwierig sind (selbst für Erwachsene). Für unter 19€ gibt es das Spiel natürlich auch online zu kaufen.

Redaktionelle Wertung:

Plus

  • -

Minus

  • für Einsteiger zu schwierig
  • die Datenbank wirkt mehr als Krücke denn als belebendes Element
  • dass man in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht alles untersuchen kann mag realitätsnah sein, bringt aber eine gute Portion Glück ins Spiel und wirkt mitunter unbefriedigend

Teilen mit facebook twitter

Kommentar verfassen

Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 bis 120 Minuten
Preis: 21,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2020
Zubehör:

69 Spurenkarten
3 Abdeckkarten
24 Portraitkarten
5 Ermittlerplättchen
4 Spezialplättchen
7 Fertigkeitsplättchen
1 Uhrzeitmarker
1 Teammarker
1 Spielbrett
1 Hilfsbogen
1 Spielanleitung

1 Website mit Datenbank

Anzeige

Statistik

Derzeit findest Du auf spieletest.at 7399 Gesellschaftsspiele-,
1668 Videospielrezensionen
2222 Berichte.