Prime Time

Jeder TV-Konsument kennt das: Frustriert zappt man immer wieder durch hunderte Fernsehkanäle und findet – absolut nichts Interessantes. Nachdem man seine Fernbedienung ewig lange malträtiert hat, bleibt man dann mangels vernünftiger Alternative auf irgendeinem x-beliebigen Schrottsender vor irgendeiner x-beliebigen Schrottsendung hocken und ärgert sich zu gleichen Teilen über den Quatsch, der da gerade über die Mattscheibe flimmert und über sich selbst, weil man keinen inneren Antrieb dazu findet, das TV-Gerät einfach abzuschalten. Was machen Fernsehintendanten und Programmdirektoren denn eigentlich hauptberuflich? Mit guter TV-Unterhaltung haben sie ja offenbar recht wenig am Hut.
Dann versuch’s doch mal selbst! So einfach ist das nämlich gar nicht. In der glitzernden Welt von Prime Time sitzt Du direkt im Chefsessel eines Rundfunksenders und bist alleinverantwortlich dafür, dass zur besten Sendezeit nur die besten TV-Spartensendungen laufen. Und werden diese Shows, Doku-Soaps und Serien dann auch noch von der richtigen Zielgruppe konsumiert, steigst Du in den Fernsehhimmel auf, denn dann sind Dir die zahlungskräftigsten Werbekunden sicher! Und der Zaster rollt so richtig… Aber halt! Die Konkurrenten haben denselben Plan! Ach, wo sind die goldenen Zeiten, als es noch keine Privatsender gab. Öffentlich-rechtlich, das war echt stressbefreit!

Das Spielmaterial
Die Spielkarten sind von guter Qualität, die Kartonplättchen sind allesamt megadick und sehr stabil, die Holzwürfelchen und Holzspielsteine sind knallbunt. Noch dazu sind vor allem die Show-Karten sehr findig betitelt und grafisch mit großer Liebe zum Detail gestaltet. Was will man mehr? Naja, das Spielbrett ist dann eher doch nicht der allzu große Hingucker. Macht aber nix.

Das Spielziel
Jeder Spieler – pardon: jeder Fernsehdirektor – hat sechs Runden (Wochen) lang Zeit, die meisten Zuseher und somit hohe Werbeeinnahmen für seinen Sender zu lukrieren. Die Branche dankt es den Direktoren jeweils zum Ende einer Serien-Staffel mit Preisverleihungen, die Siegpunkte einbringen. Die meisten Siegpunkte gewinnen am Ende das Spiel.

Der Spielablauf
Der Aufbau nimmt einiges an Zeit in Anspruch. Ist das mal geschafft, kann man sich so richtig ins Vergnügen stürzen: Ausgestattet mit ein wenig Startkapital sowie mit zwei Shows, die man vom Network als Mitgift überreicht bekommt, stürzt man sich in die knallharte Welt der bewegten Bilder. Die folgenden sechs Spielrunden laufen nach dem immer gleichbleibenden Schema ab und gliedern sich in jeweils vier Phasen:

Die Entwicklungsphase
Die Spieler setzen ihre Spielermarker auf dem Spielbrett ein, lösen damit Aktionen aus, bieten auf Talente und engagieren diese, bieten auf Rechte an Fernseh-Shows und erwerben diese und können Einfluss auf die zukünftige Spielerreihenfolge nehmen. (Das nennt sich „Worker Placement“ und ist nun in seiner Ausformung weder allzu neu noch allzu innovativ.)

Die Sendephase

Die Demografie-Prognose* wird den einzelnen Sendetagen zugeordnet, die Spieler legen ihre Sendeplanung für die kommende Woche fest, werten deren Attraktivität aus, erhalten Aufträge von Werbekunden und aktualisieren die Siegpunkteleiste. In dieser Phase kann es auch zur Einstellung unbeliebter Shows kommen bzw. dazu, dass etwas weniger talentierte Darsteller zur „Weiterbildung“ geschickt werden.
(* Zum Thema „Demografie“ – der eigentlichen Innovation des Spieles – später etwas mehr.)

Die Preisverleihungsphase
Was wäre die Filmbranche, würde sie sich nicht unentwegt selbst feiern? Zum Abschluss einer Serien-Staffel (dies tritt im Spiel zweimal ein) überhäuft sich die TV-Industrie mit Ehrenpreisen und Auszeichnungen. Dafür gibt es jede Menge Siegpunkte einzuheimsen.

Die Einkommensphase
Je exakter der Charakter einer Show dem Demografie-Wert entspricht, desto lukrativer ist die Show. Diese Übereinstimmung wird nun überprüft und mit dringend benötigten finanziellen Mitteln (Einkünften) vergütet. Das war es dann auch schon wieder und es geht nach einer kleinen Aufräum- und Entrümpelungsphase direkt los mit der Entwicklungsphase der nächsten Spielrunde.

Die demografische Veränderung
Das Salz in der Suppe dieses bis hierher eher harmlosen Auktions- und Worker Placement-Erlebnisses ist die „Demografie“, etwas gespreizt auch „Bevölkerungswissenschaft“ genannt. Und diese Wissenschaft verstehen oder zumindest richtig deuten zu können, das ist das A und O für jeden Fernsehdirektor. Im Spiel tauchen sechs unterschiedliche Bevölkerungsgruppen auf, repräsentiert durch kleine, bunte und harmlos aussehende Holzwürfelchen. Sie wuseln und wogen die ganze Zeit über wie wild auf dem Spielbrett umher und stellen die recht instabilen und launenhaften Demografie-Ströme dar. Diese kleinen Würfelchen wollen alle zu der von ihnen bevorzugten Sendezeit mit den für sie besten und geeignetsten Programmen versorgt werden. Eine Aufgabe, die wahrlich nicht einfach zu lösen ist! Diese Wissenschaft zu meistern und die Tagesprogramm-Planung den Wünschen der TV-Konsumenten anzupassen, das macht den Fernsehdirektor letzten Endes erfolgreich. Und die Werbewirtschaft wird es seinem Sender mit der Überweisung namhafter Summen danken.

Sein oder Nichtsein
An welchem Wochentag sieht welche Bevölkerungsschicht bevorzugt fern? Welches Programm muss ich welcher Bevölkerungsschicht bieten? Welche Genres möchte das Zielpublikum sehen? Science Fiction, Action, Reality-Soaps, Comedy, Drama? Soll ich eine Fernseh-Serie produzieren, eine Mini-Serie oder doch nur einmalige Fernsehshows? Investiere ich in das Darsteller-Ensemble, engagiere ich um viel Geld einen Star unter den Darstellern, den Regisseuren oder den Drehbuchschreibern? Braucht es einen Produzenten oder kümmere ich mich selbst um jeden Kleinkram? Diese Fragen gilt es zu beantworten. Jener Fernsehdirektor, der auf all diese Fragen die beste Antwort findet, wird das Spiel am Ende gewinnen. Und wer weiß – ein erfolgreicher Fernsehdirektor schafft es ja vielleicht sogar auch mal an die Spitze eines Hollywood-Studios…

Spieletester

30.01.2016

Fazit

Worker Placement-Spiele und solche mit Auktionsmodus gibt es – auch in Kombination – mittlerweile wie Sand am Meer. Prime Time wartet jedoch mit dem unverbrauchten Thema der TV-Programmgestaltung auf und wird damit so manchen Genre-Fan in seinen Bann ziehen können. Wer mit Film und Fernsehen und der wundersamen Glitzerwelt der Medien-Stars nichts anfangen kann, wird das Prime Time-Erlebnis als zu monoton empfinden. Das Berufsleben eines Fernsehdirektors ist dann halt doch lange nicht so prickelnd, wie man das als einfacher TV-Konsument vielleicht glauben möchte.

In der Spielschachtel findet sich sowohl ein englisches als auch eine deutsches Regelheft. Die englischen Texte auf den Karten sollen nur ein wenig zusätzliche Atmosphäre abliefern und sind für den Spielverlauf überhaupt nicht relevant. Das übrige Spielmaterial ist vollkommen sprachneutral gestaltet und so bedarf es daher keinerlei englischer Sprachkenntnisse, um Prime Time spielen zu können.
Redaktionelle Wertung:

Plus

  • erfrischend neues Thema

Minus

  • etwas zu abstrakte Umsetzung

Teilen mit facebook twitter

Kommentar verfassen

Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 13 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: 45,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2015
Grafiker: Naomi Robinson
Genre: Strategie
Zubehör:

Karten:
38 Talentkarten (rot)
48 Showkarten (blau)
12 Konferenzraumkarten (grün)
20 Wiederholungskarten (grau)
Karton-Plättchen:
21 Geldscheine $1
12 Geldscheine $5
12 Geldscheine $10
  9 Geldscheine $25
  9 Anleihescheine $5
  9 Anleihescheine $10
17 Werbekunden-Plättchen
  6 Vielfältigkeits-Plättchen
  1 Startspieler-Plättchen
Spielmarker aus Holz:
  1 Spielrundenmarker
24 Spielermarker (6 pro Spieler)
55 Demographie-Marker
Sonstiges:
1 Spielplan
4 TV-Programmtafeln
1 Regelheft deutsch (16 Seiten)
1 Regelheft englisch (16 Seiten)

Anzeige

Statistik

Derzeit findest Du auf spieletest.at 7137 Gesellschaftsspiele-,
1656 Videospielrezensionen
2305 Berichte.