Arkwright

Arkwright
Über viel Luft in dieser fast bleischweren Spielschachtel kann man sich nicht beschweren, und wenn man bei vielen Spielen von Materialschlacht spricht, so findet hier der 1., 2. und 3. Weltkrieg zugleich statt. Nicht nur Spielmaterial gibt’s im satten Überfluss, sondern auch dicke Regelhefte, auf hochwertigem Papier gedruckt und schon fast dünne Bücher. Davon gibt es gleich sechs Stück an der Zahl, je drei in deutscher und drei in englischer Sprache, als kann man schon mal die Hälfte beiseite legen.
Irgendwo muss man anfangen, also Plättchen auscountern und versuchen, sie dabei schon mal etwas zu sortieren. Das fiele leichter, wenn das Material nicht nur in einer langen Liste aufgeführt, sondern dabei auch abgebildet wäre; so muss man sich aus den insgesamt zahlreichen Abbildungen seine Kandidaten mühsam zusammensuchen.
Arkwright, Richard Arkwright, war ein britischer Erfinder und Industrieller des 18. Jahrhunderts, der als Begründer der Textilindustrie gilt. Das Schöne am Spielen ist nicht zuletzt, dass man immer wieder interessante Dinge hinzulernen kann. Er gilt u. a. als Erfinder der Waterframe, das ist eine wassergetriebene Spinnmaschine, und auch ein Regelheft heißt so. Nach kurzem Anlesen legen wir es schnell wieder beiseite, das ist die schwierige, „abendfüllende“ Version des Spiels, auch das Begleitheft bleibt zunächst unbeachtet. Es enthält ausführliche Informationen zum Spielmaterial und dessen Funktionen und muss bzw. sollte überwiegend bei Waterframe zu Rate gezogen werden.

Also beschäftigen wir uns mit Spinning Jenny, so heißt eine andere, weitverbreitete Spinnmaschine der damaligen Zeit und auch das „Einsteigerspiel“ trägt diesen Namen. Beschäftigen ist gut, denn hier ist Regel- und Materialarbeit im Sinne des Wortes angebracht. Ein beträchtlicher Teil des Spielmaterials wird dafür nicht benutzt, was bei aller Liebe zum Detail zunächst einmal froh stimmt. Auf der Webseite des Verlages ist eingangs zu lesen „Warum umfangreiche Regelhefte lesen? Warum viele Stunden um den Spieltisch hocken? Warum Fingernägel kauen? Spielworxx ist warum!“ Dieser Devise wird Arkwright schon mal auf jeden Fall gerecht. Nicht nur viele Stunden am Spieltisch, sondern in diesem Fall auch viele Stunden Vorbereitung, Sichtung, Aufbereitung. Das mag manchen abschrecken, mir macht so etwas Spaß, wenn sich das Dunkel langsam lichtet … und meine Kurzspielregel allmählich Form annimmt, die ich in schwierigen Fällen gerne erstelle. „Schwierige Fälle“ heißt komplexe Spiele, keineswegs negativ gemeint.

Üblicherweise bekomme ich jede Regel auf nur eine, gut leserliche Seite komprimiert, selbst Schwergewichte wie z. B. Madeira, um nur eins zu nennen. Bei Arkwright gelingt mir das nicht, eine Seite für das Grundgerüst, eine für die Spinning Jenny Aktionen und eine weitere für Waterframe oder vielmehr dessen Unterschiede zu Spinning Jenny. Uff, Schwerstarbeit, die durch die Regel nicht erleichtert wird. Um es mal positiv auszudrücken, ist diese sehr ausführlich, Betonung auf sehr, und trotz vieler Abbildungen überwiegend eine „Bleiwüste“, in der wichtige Dinge nicht hervorgehoben sind. Die in meinem Exemplar fehlgedruckten Spielertafeln sind anstelle von Ziffern dort, wo diese stehen sollten, mit „Bullets“ übersät – das sind genau die Bullets, die der Regel gut zu Gesicht gestanden hätten. Dieser Fehldruck passierte leider bei einem Teil der Auflage, was der Verlag auch auf seiner Webseite bekannt gab und vorübergehend eine korrekte Tafel zum Selbstausdruck bereit stellt, bis Abhilfe geschaffen ist. Andererseits ist dieses Malheur nicht wirklich tragisch, denn die erforderlichen Zahlen sind auch auf den Plättchen zu finden, die auf die Tafeln gelegt werden. Obwohl auch ohne Bullets, ist die Waterframe Regel andererseits zu loben: Die Unterschiede zu Spinning Jenny sind andersfarbig gedruckt, und hat man die SJ erstmal kapiert, lässt sich die Waterframe Regel relativ schnell erarbeiten. Die für beide Versionen beiliegenden Spielübersichten sind gut gemeint, aber zumindest für Einsteiger nicht wirklich hilfreich und zu groß – der Spieltisch ist mit dem Spiel an sich und allem Material inklusive der großen Spielertafeln schon mehr als gut belegt.

Kommen wir endlich zum Spiel selbst. Die leicht an Steampunk erinnernde Schachtel täuscht, denn wir sind zwar im Dampfzeitalter, aber Arkwright ist eine knallharte, spannende Wirtschaftssimulation, die einen nach nicht allzu langer Anlaufzeit schnell in den Bann zieht. Das Spiel ist grafisch angenehm und zweckmäßig gestaltet, was die etwas trockene, aber wie gesagt spannende Angelegenheit gut unterstützt.

In die Details zu gehen ist hier unmöglich, doch das Grundprinzip ist schnell erklärt. Die Spieler bauen Fabriken, es stehen Textil-, Nahrungs- Besteck- und Lampenfabriken zur Auswahl. Sie stellen Arbeiter ein, ersetzen diese zum Teil durch Maschinen, und versuchen, ihre Produkte möglichst gewinnbringend zu verkaufen.
Dieses Grundgerüst ist durch viele mögliche Aktionen genial miteinander verzahnt, die Kosten-/Nutzenregelung über sogenannte Verwaltungskosten ist neuartig und die Regulierung von Angebot und Nachfrage über den Arbeitsmarkt ist hervorragend gelungen und mir so auch noch nicht begegnet. Die Spieler legen die Preise ihrer Waren selbst fest, bestimmen dadurch und durch mögliche Werbe- und Verbesserungsmaßnahmen die Qualität und damit Absatzchancen, abermals eine sehr clevere und im Effekt auch interaktive Regelung. Außerdem wollen auch noch sogenannte freie Importeure ihre Ware absetzen und ihren Anteil des Kuchens abbekommen. Die Spieler sind insgesamt über den Arbeitsmarkt und die Verkaufstabelle relativ stark gegenseitig eingebunden, obwohl natürlich auf seiner Tafel jeder die Fabriken für sich baut. Der Arbeitsmarkt regelt auch die fällige Bezahlung der Arbeiter, die dichte Durchwebung der Elemente zeigt sich hier einmal mehr. Letzten Endes geht es um Aktien, wobei jeder Spieler nur seine eigenen Aktien kaufen und verkaufen darf, dabei den Kurs durch geschicktes Wirtschaften möglichst hoch zu treiben versucht. Wer vermutet, dass auch das nicht „einfach so“ geht, liegt genau richtig. Bei Arkwright geht nichts „einfach so“, und das ist auch gut so und ein gefundenes Fressen für Vielspieler, die es gerne nach dem Motto „je komplexer, desto lieber“ mögen. Dabei hat man schon erstaunlich schnell den Ablauf und die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten regeltechnisch im Griff und kann sich auf das Wesentliche konzentrieren: Das Spiel selbst und welche Entscheidungen man wann am besten trifft. Die Anzahl der Eingriffsmöglichkeiten ist groß. Höchste Aufmerksamkeit, gute Überlegung und Planung sind erforderlich, denn nichts ist dem Zufall überlassen – und die Konkurrenten muss man stets im Auge halten.

Waterframe erhöht die Schlagzahl noch beträchtlich, im Vergleich dazu ist Spinning Jenny schon fast „einfach“ zu nennen. Nicht nur kommen nun auch die Fabriken der beiden höchsten Stufen zum Einsatz, sondern es können auch mithilfe von Schiffen Überseekontrakte geschlossen werden, um Waren zu liefern, ein Lagerhaus kann verwaltet werden und, ganz besonders wichtig, es kommen Spezialisten ins Spiel wie Erfinder und Ingenieure und viele andere, die es erlauben, an vielen Schrauben und Schräubchen noch mehr zu drehen als sowieso schon möglich. Auch das erhöht die Interaktion, denn die meisten gibt es nur ein Mal, allerdings kann ein Spieler nur eine begrenzte Anzahl solcher Spezialisten beschäftigen. Da jedoch viele ihren Arbeitgeber nach verrichteter Tätigkeit wieder verlassen, stehen sie dann den anderen Spielern wieder zur Verfügung. Der Zufall in Form von Ereignissen findet bei Waterframe Eingang ins Spiel, aber so, dass alle Spieler davon betroffen sind, natürlich je nach Lage der Dinge mehr oder weniger stark. Das ist bei einem solchen Spiel keineswegs störend, sondern das Tüpfelchen auf dem „i“. Von der reichlichen Auswahl an Ereignissen finden in jedem Spiel nur wenige statt, also ist immer für gute Abwechslung gesorgt. Gerade bei Waterframe leistet das Beiheft beste Dienste mit genauer Beschreibung der Spezialisten und Ereignisse, u. a. Bei aller Kritik an der Anleitung hinsichtlich Zugänglichkeit und Übersichtlichkeit muss man ihr eins lassen – vollständig ist sie und es bleiben
- wenn auch teils nach langer Suche - keine Fragen offen. teils nach langer Suche, keine Fragen offen. Das ist immerhin bei einem solch komplexen Werk eine anerkennenswerte Leistung, auch wenn die Präsentation verbesserungswürdig ist, wie oben erwähnt.

Spieletester

12.04.2015

Fazit

Meine anfängliche leichte Skepsis, ob das Spiel wegen des trockenen Themas einerseits und der (Über-) Fülle an Material und Regeln andererseits wirklich gut funktionieren würde, ist großer Begeisterung gewichen. Es dürfte klar geworden sein, dass Arkwright kein Spiel für „mal eben so“ ist. Mindestens ein Spieler muss sich und das Spiel intensiv vorbereiten, um dann die anderen Spieler an das Spiel heranzuführen. Schon die „einfache“ Version Spinning Jenny ist zumindest für Einsteiger eine reichlich abendfüllende Angelegenheit, die aber bei Spielern, die sich auf solch ein Werk einlassen, auf jeden Fall Lust auf mehr macht. Dann kommt Waterframe zum Zuge, auch das eine lang dauernde, aber umso spannendere Möglichkeit, seine Freizeit zu verbringen und die grauen Zellen Salto tanzen zu lassen. So oder so ist Arkwright ein Schwergewicht, nicht nur wegen der prallgefüllten Schachtel. Der Verlag hat mit diesem Spiel seinen Anspruch, dass „ …man mit außergewöhnlichen (Spiele-) Delikatessen belohnt (wird), die nicht nur „sättigen“, sondern den Genießer verwöhnen“ (Zitat der Webseite), hervorragend erfüllt. Da fallen auch die fehlgedruckten Spielertafeln nicht ins Gewicht, obwohl ich wirklich schon lieber die vielen Bullets in der Regel hätte … Immerhin sind sie wenigstens gut in meiner Kurzspielregel vertreten. Üblicherweise missachte ich Empfehlungen, mit der einfachen Version eines Spiels zu beginnen und die schwierige nur als „geübter“ Spieler anzugehen, im Falle Arkwright habe ich mich ausnahmsweise daran gehalten und das war gut so. Der Verlag bietet übrigens auf seiner Webseite eine Variante Spinning Mule an, die einen Mix aus Spinning Jenny und Waterframe darstellt, um zunächst nur einige Elemente von Waterframe kennenzulernen. Sicher eine interessante Sache, aber wer die Jenny beherrscht, kann sich dann auch gleich an Waterframe wagen. Bei der verlagsseitigen Altersangabe kann man übrigens gut ein Jahrzehnt hinzurechnen, fast. Einen ganz großen Nachteil von Arkwright kann ich aber leider nicht verschweigen: Das Spiel ist ausverkauft und nicht mehr erhältlich! Arkwright hätte es verdient, dass der Verlag auf den notorischen Verzicht einer Zweitauflage verzichtet.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 150 Minuten
Erscheinungsjahr: 2014
Verlag: Spielworxx
Grafiker: Harald Lieske
Genre: Wirtschaft
Zubehör:

1 großer Spielplan, 1 doppelseitiges Ablagetableau, 4 Spielertableaus, 4 Hafentableaus, 120 Geldscheine, 1 Startspielerstein, 2 Zeittafelanzeiger, 4 neutrale Importeursanzeiger, 80 Arbeiter, 50 Maschinen, 40 Waren, 4 Aktienkursanzeiger, 16 Preisanzeiger, 16 Attraktivitätsanzeiger, 64 Fabriken, 16 Qualitätsmarker, 16 Vertriebsmarker, 40 Aktienmarker, 24 Aktionsmarker, 16 kontraktmarker, 32 Ereignismarker, 36 Konjunkturmarker, 28 fortgeschrittene Aktionsmarker, 40 entwicklungsplättchen, 10 Schiffe, 4 Regelhefte, 2 Begleithefte, 8 Übersichtskarten

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