Abenteuer in Mittelerde

Was geschah in Mittelerde in jenen 17 Jahren, die zwischen Bilbo Beutlins 111. Geburtstag und den Wochen lagen, in denen sein Neffe Frodo Vorbereitungen zu seiner so gefahrvollen Reise nach Mordor traf? In jenen Jahren also, als Gandalf nach dem wahren Ursprung jenes Ringes forschte, der sich in einer dunklen Höhle des Nebelgebirges Bilbo als neuen Träger auserwählt hatte. Nun: Ihr könnt diese Zeitspanne hautnah miterleben, indem ihr entweder Gandalf dabei helft, wichtige Informationen über das Wiedererstarken der finsteren Mächte zu sammeln oder in die Rolle des mächtigen Sauron schlüpft, auf dessen Geheiß die drohende Dunkelheit über Mittelerde heraufzuziehen beginnt.
Spielplan
Die Rezension zu Abenteuer in Mittelerde wäre unvollständig, würde man nicht die außergewöhnliche Gestaltung des Spielmaterials erwähnen. Das zweiteilige Spielbrett misst beachtliche 72 cm x 104 cm und enthält neben überaus zweckmäßig angeordneten Ablageflächen für sämtliche Kartendecks und Pappmarker auch Siegpunkte-, Plot- und Fortschrittsleisten sowie die komplette Rundenübersicht in Stichwortform. Bei der Betrachtung des Spielplanes mit den mehr als 60 grafisch individuell ausgestalteten und namentlich bezeichneten Orten, die die Spieler während ihrer ereignisreichen Queste bereisen können, gerät man unweigerlich ins Staunen. Jeder Ort verfügt über Farbleitsysteme und kleine Symbole, die ihn einer Region zuordnen und diesen entweder als normalen oder bedrohlichen Ort, als Schattenfestung oder Zufluchtsort kennzeichnen. Die Ausgestaltung des Spiels und dessen Zweckmäßigkeit sowie die Qualität der mitgelieferten (unbemalten) Miniaturen kann so rasch nicht übertroffen werden!

Spielidee und Spielziel
Als Gandalf von Bilbos Ring Kenntnis erlangt, begibt er sich einer finsteren Ahnung folgend auf eine mehrjährige Reise, um nach dem Ursprung dieses geheimnisvollen Ringes zu forschen und seine Studien über den Dunklen Herrscher von Mordor voranzutreiben, um dessen Wiederkehr zu verhindern. Die Helden-Spieler unterstützen Gandalf bei seinem Vorhaben, erfüllen Aufträge und werben bei den Freien Völkern Mittelerdes um Unterstützung. Ein Spieler verkörpert Sauron, der Orks, Uruk-hai, Wolfreiter und allerlei anderes finsteres Getier ausschickt und sogenannte Plots platziert, um die Helden in ihrem Handlungsspielraum entscheidend einzuschränken. Die Erfolge, die beide Seiten bei ihren Bemühungen erzielen, werden durch das Vorrücken von Fortschrittsmarkern festgehalten. Erreicht der Fortschrittsmarker der Helden das vordefinierte Zielfeld, ergründen sie rechtzeitig das Geheimnis des Einen Rings und gewinnen das Spiel gemeinsam. Schafft es Sauron jedoch vorher, einen seiner drei unterschiedlichen Fortschrittsmarker auf eine der für ihn festgelegten Endpositionen zu bringen, erlangt er Kenntnis vom Aufenthaltsort des Ringes und gewinnt das Spiel alleine.

Rundenablauf
Die Handlungsmöglichkeiten und Aktionen gestalten sich für den Sauron-Spieler auf der einen und die Spieler der Helden auf der anderen Seite völlig unterschiedlich. Das sehr umfangreiche und übersichtlich gestaltete Regelwerk berücksichtigt diesen Umstand in besonderer Weise und liefert zwei Regelhefte in einem: eines für Sauron und eines für die Helden, wobei jede Seite auch unbedingt die Regeln der jeweils anderen kennen muss. Zu Beginn jeder Runde wird zuerst Saurons Zug, danach der Heldenzug ausgeführt.

Trotz vieler Regel-Feinheiten ist das Grundprinzip sehr rasch erklärt: Der Sauron-Spieler platziert seine „Plots“ an unterschiedlichen Orten Mittelerdes. Mehr als drei davon dürfen jedoch zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig ausliegen. Je stärker sein Einfluss im Lauf des Spieles wird, desto mächtigere Plots kann er auf das Spielbrett bringen. Solange ein solcher Plot aktiv ist, führt das dazu, dass sich Saurons Fortschrittsmarker auf der Siegpunkteleiste vorwärts bewegen. An den Helden ist es nun gelegen, aktive Plots aus dem Spiel zu nehmen. Dies gelingt ihnen, indem sie Orte, an denen solche Plots ausliegen, aufsuchen und eine auf der jeweiligen Plot-Karte vorgegebene Anzahl an Gunstmarkern ablegen. Gunstmarker erringen sie, indem sie Questen vollenden und Begegnungen mit Anführern der Freien Völker haben.

Während die Helden die Orte Mittelerdes auf der Jagd nach Gunstmarkern bereisen, versucht Sauron, ihnen dabei allerlei Kreaturen und Monster sowie den Hexenkönig, die Ringgeister, Gothmog und andere seiner dunklen Schergen in den Weg zu stellen und sie an einer zügigen und konzertierten Vorwärtsbewegung zu hindern. Dass es dabei oftmals zu Kämpfen zwischen den beiden Parteien kommt (die allesamt über Kampfkarten abgehandelt werden) versteht sich von selbst.

Das Kartendeck der Helden sowie der vorausplanende Einsatz dieser Karten spielt bei Abenteuer in Mittelerde eine zentrale Rolle. Anfangs befinden sich die Karten jedes Helden in dessen „Lebenspool“ – nur von dort können sie auf die Hand genommen werden. Sobald er Karten ausspielen muss (wenn er z.B. von einem Ort zum nächsten reist) werden diese Karten offen auf dem „Regenerationspool“ abgelegt. Hat er keine Karten mehr im Lebenspool, muss er rasten und sich erholen – dieser Vorgang bewegt jedoch einen von Saurons Fortschrittmarkern auf der Siegpunkteleiste weiter, spielt also dem Gegner direkt in die Hände! Wenn ein Held verletzt wird, muss er Karten im „Schadenspool“ ablegen. Diese Karten sind aus dem Spiel und verringern die Karten, auf die der Held im weiteren Spielverlauf Zugriff hat. Sobald ein Held weder Karten in seinem Lebenspool noch auf seiner Hand hat, ist er besiegt – er erwacht daraufhin zwar im nächstgelegenen Zufluchtsort, doch seine Niederlage hat zur Folge, dass sich einer von Saurons Fortschrittsmarkern … siehe oben!

Ähnlich wie sich die Fähigkeiten der Helden (Tapferkeit, Stärke, Gewandtheit und Weisheit) im Spielverlauf verbessern, gewinnt auch Sauron an Erfahrung, Macht und Einfluss hinzu, kann mit der Zeit über mehr Schergen verfügen und stärkere Plots ausspielen.

Spieletester

24.08.2013

Fazit

Abenteuer in Mittelerde hält über weite Strecken der langen Spieldauer einen sehr ansprechenden Spannungsbogen. Das Spiel ist im Ablauf völlig asymmetrisch – die Aktionen und Möglichkeiten, die den Helden während ihres Zuges zur Verfügung stehen, haben nichts mit jenen gemeinsam, auf die Sauron während seines Zuges Zugriff hat. Für beide Parteien läuft das Spiel extrem unterschiedlich, ist aber gut ausbalanciert. Die Spielschachtel wartet mit überbordendem und hochwertigem Spielmaterial auf, die Illustrationen sowie vor allem die Dimension und der Detailreichtum, mit der das Spielbrett ausgestaltet wurde, all das sollte ausreichen, um Abenteuer in Mittelerde zu einem absoluten Kracher gedeihen zu lassen. Sollte...

Das Spiel ist derart gut zwischen den Heldenspielern und Sauron austariert, dass die vorgegebenen Siegbedingungen am Ende des Spieles häufig zu einem Gleichstand beider Parteien führen und es damit zu einem Endkampf zwischen einem der Helden und den Ringgeistern kommen muss. In diesem "Bosskampf" gewinnt die stärkere Kartenhand! Nach einem enormen taktisch-strategischen Aufwand, den vor allem die Helden über die komplette Spieldauer von mindestens drei Stunden betreiben mussten, ist ein solch abruptes Ende – auf das nicht unerheblich wenige Partien offenbar zwangsläufig zusteuern – enorm unbefriedigend. Die Spieler bleiben mit dem unbestimmten Gefühl, dass man das auch viel einfacher und zeitsparender hätte haben können, zurück. Dafür gibt es deutliche Abzüge bei der Gesamtbewertung. Auch der Langzeitspaß leidet letzten Endes unter diesem Malus.

Allen Herr der Ringe-Fans kann dieses Spiel trotz der beschriebenen Schwäche empfohlen werden. Das umfangreiche Spielmaterial ist ein wahrer Genuss und die Spieler werden stets vom Gefühl begleitet, dass die Autoren und Grafiker mit allergrößter Liebe und Begeisterung am Werk waren.
Redaktionelle Wertung:

Plus

  • optisch beeindruckender und sehr funktioneller Spielplan
  • asymmetrisches Spielerlebnis

Minus

  • meist enttäuschend abruptes Spielende

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Besucherkommentare

Marc Hamar | 24.08.2013

Die Helden haben gegen einen erfahrenen Sauron nahezu keine Chance, weil er seine Zielvorgaben frühzeitig kennt und entsprechend spielen kann. Von unserer anfänglichen Begeisterung für das Spiel blieb nach 10-12 Partien nichts mehr übrig. Schade eigentlich.

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 13 Jahren
Spieldauer: 180 Minuten
Preis: 45,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2009
Verlag: Kosmos
Grafiker: Andrew Navaro
Genre: Strategie
Zubehör:

1 Spielplan, 220 große Karten (Ereigniskarten, Schattenkarten, Questkarten, Plotkarten, Begegnungskarten, Bedrohungskarten, Monster-Übersichtskarten), 255 kleine Karten (Kampfkarten, Heldenkarten, Fertigkeitskarten, Auftragskarten, Gegenstände-Karten, Verderbniskarten), 235 Marker und Plättchen (Monsterplättchen, Gunstmarker, Einflussmarker Stufenmarker, Schadensmarker, Aktionsmarker, Anführermarker, Plotmarker, Fortschritts- und Ereignismarker), 5 Heldenbögen, 5 Heldenfiguren, 5 Schergenfiguren, 8 Standsockel für Anführer, 1 Spielanleitung (40 Seiten)

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