Helvetia Cup

Die Schweizer sind schon ein eigentümliches Völkchen. Nicht nur, dass bei ihnen vier Sprachen fast gleichberechtigt gesprochen werden (deutsch, französisch, italienisch und rätoromanisch), es gibt es zudem auch eine starke Eigenständigkeit der einzelnen Kantone und eine hohe Identifikation der darin lebenden Menschen mit ihnen. Diesen Punkt nimmt sich der erst im März 2012 gegründete Schweizer Verlag Helvetia Games zum Anlass und Vorbild, um sein mystisches Land Helvetia und dessen Bewohner der internationalen Spieler-Gemeinschaft zu präsentieren. Dabei übertrug der Verlag die Schweiz an sich und die sprichwörtlichen Eigenheiten der Bewohner der einzelnen Kantone in die vorgenannte Fantasywelt. Jeder der Schweizer Kantone verwandelt sich in ein eigenes Reich mit einem ganz speziellen Fantasy-Volk als Bewohner. Der Ruf der echten Bewohner der einzelnen Kantone den sie jeweils in den restlichen Bereichen der Schweiz genießen, sollte bei der Zuordnung mithelfen. So wurden z.B. der Berner Kanton zum Reich Berena mit den Bären als Einwohnern, Graubünden zum Reich Grisa mit dem Volk der Ogern als Bewohner, Zürich wurde zu Zugriga, wo die Vampire hausen, oder Genf zu Gineva mit den Diplomaten als Bewohnern. Zu jedem dieser Reiche und dessen Volk gibt es auf der Hompage des Verlages etliches an Hintergrundinformationen zu finden. Man bemerkt dabei schnell, dass sich die Mitarbeiter von Helvetia Games viel Mühe mit dem Entwurf einer stimmigen und unkonventionellen Hintergrundgeschichte gegeben haben, in der sehr, sehr viel Potential steckt.

Der Verlag hat angekündigt, vor diesem Fantasy-Hintergrund eine ganze Reihe von Spielen mit unterschiedlichsten Spielmechaniken zu entwickeln. Den Anfang macht Helvetia Games mit dem vorliegenden Fußballspiel Helvetia Cup und mit dem Wirtschaftsspiel Shafausa. In Helvetia Cup sind mit den Drachen aus Basela und den Verrückten von Valé aktuell zwar nur zwei der Völker aus Helvetia vertreten, aber es ist geplant, über Erweiterungen später zusätzliche Völker zu integrieren.

Auch in diesem Spiel des Schweizer Kleinverlages gibt es wieder eine umfangreiche Geek-Spielregel und eine verschlankte Familien-Spielregel. Das Grundgerüst des Spiels lehnt sich erstaunlich eng an eine normale Fußballsimulation an, wenngleich der Fantasy-Hintergrund und das Cover anderes erwarten lassen. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Trainern ihrer jeweiligen Mannschaften und müssen als erstes ihre Mannschaft aufstellen. Dazu wählen sie jeweils aus einem Pool von 9 Spielern einen Torwart, einen Kapitän, drei Feldspieler und zwei Einwechselspieler aus. Die Spieler selbst haben in der Familien-Version nur Werte für Angriff und Verteidigung, in der Geek-Version sind diese Bereiche noch einmal in jeweils vier Kategorien unterteilt. So finden sich für die Defensive die Werte für Abnahmen des Balls, das als Blutgrätsche besser bekannte Tackling, den Befreiungsschlag und den Druckaufbau. Im offensiven Bereich gibt es die Werte für das Dribbling, den langen Pass, den Schuss aufs Tor und den Kopfball. Die entsprechenden Werte müssen mit einem Wurf eines 20-seitigen Würfels erreicht oder unterboten werden, um sie nutzen zu können. Nachdem die Figuren auf dem aus lauter Hexfeldern bestehenden Spielfeld positioniert wurden, kann es auch schon losgehen.

Jede Spielrunde besteht dabei aus zwei Phasen, der Bewegungs- und der Aktionsphase. In der Bewegungsphase können, beginnend mit der angreifenden Mannschaft, alle Spielfiguren um ein Hexfeld verschoben werden. Durch den Einsatz eines Boosttrankes oder bei speziellen Positionen auf dem Spielfeld sogar noch ein Feld mehr. Die Aktionsphase wird von der verteidigenden Mannschaft begonnen. Falls ein Verteidiger im selben Hexfeld wie ein Angreifer steht, kann er versuchen, diesem den Ball durch eine geeignete Aktion abzunehmen. Schlägt dies fehl, passt die angreifende Mannschaft oder schießt aus guter Position aufs Tor. Ist ein angreifender Spieler in den Strafraum eingebrochen, kann er ebenfalls auf das Tor schießen. Bei einem Torschuss markiert der Angreifer verdeckt einen der sechs Bereiche des Tores, auf das er zielen wird. Je nach Position des Angreifers zum Tor erhält der Torhüter zwischen einem und vier Markern, mit denen er miteinander verbundene Bereiche markiert. Sind Zielbereich des Schützen und markierter Bereich des Torhüters identisch, gilt der Ball als gehalten. Wurde der Ball nicht pariert, muss der Schütze anschließend noch mit einem W20 seinen Schusswert abzüglich bestimmter Mali unterbieten. Jedes Mal wenn der Ballbesitz wechselt, wird mit einem speziellen Würfel der Zeitfortschritt ermittelt, der sechs, neun oder gar zwölf Minuten betragen kann. Gespielt wird insgesamt wie im richtigen Fußball üblich zweimal 45 Minuten.

Die grundlegenden Regeln sind schnell verinnerlicht und modular kann man durch die Hinzunahme der verschiedensten Elemente wie z.B. der zusätzlichen Eigenschaftskarten und zusätzlicher Aktionen wie z.B. Kopfball oder Direktabnahme den Schwierigkeitsgrad stufenweise von der Familien-Version zur Geek-Version und darüber hinaus steigern. Sehr schön ist auch das Flussdiagramm als Spielhilfe integriert, das genau darüber Auskunft gibt, was in den jeweiligen Situationen möglich ist und welche Konsequenzen sich aus den einzelnen Handlungen und den Ergebnissen der resultierenden Würfelwürfe ergeben. So wird die anfangs doch recht hohe Regelhürde deutlich abgemildert und die Spieler werden zum freien ausprobieren ermuntert.

Insgesamt ist Helvetia Games mit Helvetia Cup eine sehr gute Fußballsimulation gelungen, wenngleich der Glücksfaktor durch die ständigen Würfelwürfe nicht zu unterschätzen ist und den einen oder anderen Spieler schon mal in die Tischkante beißen lässt. Auch das Material, insbesondere die Miniaturen, ist gut gelungen. Leider gibt es hierbei ein paar Mängel vor allem funktioneller Art. So sind leider gerade die vielbenötigten Flussdiagramme aus wenig strapazierbarem Papier und die doppelseitig bedruckten Spielertableaus aus zu dünner Pappe. Die Miniaturen der Feldspieler unterscheiden sich auf dem Spielfeld nicht voneinander, sodass man auf einen permanenten Vergleich der Spielnummern angewiesen ist. Das größte Potential verschenkt Helvetia Cup jedoch dadurch, dass sich die einzelnen Völker fast gar nicht voneinander unterscheiden. Wie ist es möglich, dass ein Drache und ein Humanoid fast identische Fähigkeits-Werte haben und es kaum Unterschiede z.B. bei den Schusskraft- oder Dribblingswerten gibt? Erst die Hinzunahme der Power- bzw. Legenden-Karten bringt einen Hauch von Individualität ins Spiel. Schade, denn hier legt das große Vorbild bzw. der Platzhirsch Blood Bowl die Messlatte deutlich höher an.


Spieletester

03.05.2013

Fazit

Unter dem Strich ist Helvetia Cup ein grundsolides und spaßiges Erstlingswerk von Helvetia Games, das allerdings noch einige Ecken und Kanten hat, die aber noch behoben werden sollten. Weitere interessante Mannschaften sind vom Verlag angekündigt worden, damit auch die versprochenen Turniere gespielt werden können. Bleibt zu hoffen, dass mit den neuen auch die bereits vorhandenen Mannschaften überarbeitet und in ihren Fähig- und Fertigkeiten deutlich individualisierter werden, damit das komplette Potential des interessanten Ansatzes voll ausgeschöpft wird.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: 70,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2012
Verlag: Helvetia Games
Genre: Glück
Zubehör:

Spielplan, 2 Mannschaften (Die Verrückten, Die Drachen), pro Mannschaft: 9 bemalte Spielfiguren aus Kunststoff (1 Goalie, 6 Spieler und 2 Captains), 1 Paket mit Spielerkarten, 1 Paket mit den POWER-Karten, 1 Mannschaftswürfel (W6), 1 Mannschaftswappen 1 Ball, 48 Spiel-Jetons (davon 40 BOOST-Jetons, 8 Gelbe Karten), TOTOMAT-Feld mit der Sanduhr, 2 Infoblätter, Zeitwürfel W6 (6, 6, 9, 9, 9, 12), 1 Chafouin-Münze (Kopf/Zahl), 2 Würfel mit 20 Seiten (1 roter / 1 grüner), 2 Tore mit 8 dazugehörigen Markeure, die Familienspielregeln, normale Spielregeln

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