Britannia wurde 1986 vom britischen Verlag Gibsons Games erstmals veröffentlicht und erschien 1987 bei Avalon Hill in den Vereinigten Staaten. 1990 machte sich Welt der Spiele daran, das Spiel in einer deutschen Version auf den Markt zu bringen. Schließlich landete das historische Brettspiel-Epos im Jahr 2005 bei Fantasy Flight Games und erfuhr bei dieser Gelegenheit unter der Ägide des Autors der Originalausgabe einige zum Teil recht deutliche Änderungen des Regelwerks. Diese Version wurde 2009 vom Heidelberger Spieleverlag als deutsche Ausgabe veröffentlicht. Die folgende Besprechung bezieht sich auf diese aktuelle Ausgabe.
Das Spielziel und die historische Genauigkeit
Britannia wird über 16 Spielrunden gespielt. Jede Spielrunde repräsentiert dabei die Dauer von etwa 75 Jahren Echtzeit.
Jeder Spieler kontrolliert eine Anzahl von Völkern. In einem Vier-Personen-Spiel übernimmt Spieler 1 die gelben Marker (Römer, Romano-Briten, Dubliner, Schotten, Norweger), Spieler 2 die grünen Marker (Waliser, Jüten, Kaledonier, Dänen), Spieler 3 die roten Marker (Briganten, Iren, Wikinger, Sachsen) und Spieler 4 die blauen Marker (Belgae, Pikten, Angeln, Normannen). Jede Völkerkarte gibt an, in welcher Runde und in welcher (See-)Region das jeweilige Volk das Spielbrett betritt und in welcher Runde es sich gegebenenfalls wieder aus dem Spielgeschehen verabschieden und das Spielbrett verlassen muss. Eine Runde besteht aus den einzelnen Spielzügen aller 17 im Spiel enthaltenen Völker. In jeder Runde führt jedes Volk (sollte es auf dem Spielbrett vertreten sein) seinen Spielzug in der Reihenfolge aus, die auf der Völkerleiste angegeben ist. Demnach richtet sich die Spielreihenfolge nicht nach den teilnehmenden Spielern, sondern nach den von diesen geführten Völkern! Der Spielzug jedes Volkes besteht aus den fünf Phasen Bevölkerungszuwachs, Bewegung, Kämpfe/Rückzug, Rückzug von Plünderern und Überbevölkerung.
Jedes Volk gewinnt für die Erfüllung vorgegebener Aufgaben Siegpunkte. Das elegant designte Siegpunkte-System „bestraft“ dabei Spieler, die sich allzu weit von geschichtlicher Wahrheit entfernen. Für jedes Volk gibt es dann die meisten Siegpunkte zu holen, wenn es sich bei seinen Feldzügen, Eroberungen und Überfällen historisch korrekt verhält. Auf jeder Völkerkarte ist exakt vermerkt, zu welchem Zeitpunkt das jeweilige Volk welche Gebiete kontrollieren oder besetzen, gegnerische Einheiten schlagen oder Könige stellen muss, damit die optimale Zahl an Siegpunkten eingefahren werden kann. Es ist jedem Volk freigestellt, außerhalb dieser Vorgaben zu agieren – für diese Vorhaben gibt es jedoch keinerlei Siegpunkte zu gewinnen.
Am Ende der letzten Runde addiert jeder Spieler die Siegpunkte der von ihm kontrollierten Völker. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten ist Sieger. Bitannia unterscheidet sich von vielen Spielen dadurch, dass während des Spiels nicht offensichtlich ist, welcher Spieler gewinnen wird. Jeder Spieler sammelt Siegpunkte mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Manche Völker (z.B. die Römer) erhalten schon frühzeitig viele Siegpunkte, während andere (z.B. die Dänen) erst sehr spät im Spiel Siegpunkte einbringen. Erst langsam wird es den Spielern gelingen, einen Blick dafür zu entwickeln, wie der jeweils aktuelle Spielstand aussehen könnte.
Die Spielrunde und ihre fünf Phasen
Phase I: Bevölkerungszuwachs
Am Beginn dieser Phase zählt jeder Spieler des Volkes die Gebiete, die das Volk derzeit besetzt hält. Normale Gebiete zählen zwei Bevölkerungspunkte, Gebiete mit schwierigem Gelände (Sumpf, Highlands) nur einen Punkt. Für je sechs Bevölkerungspunkte erhält das Volk eine neue Infaterie-Einheit aus dem Vorrat. Überzählige Punkte verfallen nicht, sondern werden in die nächste Runde mitgenommen.
Phase II: Bewegung
Ein Spieler darf einige, alle oder auch keine seiner Einheiten bewegen. Wenn das Volk nicht über Boote verfügt, dürfen Seegebiete nicht betreten werden. Infanterie-Einheiten können sich bis zu zwei Landgebiete, Kavallerie-Einheiten und römische Infanterie bis zu drei Landgebiete weit bewegen. Schwieriges Gelände stoppt in allen Fällen die Bewegung. Auf die Verbindung von Seestraßen, Stapellimits und Bootsbewegungen muss in dieser Phase ebenfalls geachtet werden.
Phase III: Kämpfe und Rückzüge
Befinden sich Einheiten verschiedener Völker (selbst, wenn diese vom selben Spieler kontrolliert werden!) am Ende der Bewegungsphase im selben Landgebiet, kommt es zum Kampf. Jeder am Kampf beteiligte Spieler würfelt für jede seiner Einheiten mit einem Würfel. Eine Infanterie-Einheit schlägt eine gegnerische Infanterie-Einheit mit einem Würfelwurf von 5 oder höher. Römische Infanterie oder Kavallerie benötigt dazu nur einen Würfelwurf von 4 oder höher und kann selbst nur durch einen Würfelwurf von 6 geschlagen werden. Auch für eine verteidigende Einheit in schwierigem Gelände wird ein Würfelwurf von 6 benötigt, um diese zu schlagen. Ein Kampf ist beendet, sobald sich nur noch Einheiten eines einzigen Volkes in der Landregion befinden. Der Verteidiger kann sich unter bestimmten Voraussetzungen auch vom Kampf zurückziehen.
Phase IV: Rückzug der Plünderer
In jenen Spielrunden, in denen Plünderer vom Meer aus in Landregionen eingefallen sind und diese geplündert haben, dürfen sich diese nun wieder in das Seegebiet, aus dem heraus sie ihre Bewegung begonnen haben, zurückziehen.
Phase V: Überbevölkerung
In dieser letzten Phase der Spielrunde zählt der Spieler die Anzahl der von seinem Volk besetzten Landgebiete sowie die Anzahl seiner Einheiten, welche diese Regionen besetzen. Falls die Anzahl der Einheiten mehr als doppelt so groß ist wie die Anzahl der von ihnen besetzten Regionen, werden die überzähligen Einheiten entfernt und kommen in den Vorrat zurück.
Sonstige Regeln
Eine Vielzahl weiterer Regeln sorgt für zusätzliche Spieltiefe. So beeinflussen römische Forts und römische Straßen Kampf und Bewegung und sächsische Burhs (befestigte Siedlungen) helfen bei der Verteidigung. Unterlegene Völker können sich den Aggressoren unterwerfen und schließlich stimmen jene Spieler, die in vorgegebenen Spielrunden mindestens eines ihrer Völker auf dem Spielbrett haben, gemeinsam über die Wahl eines Bretwalda (entspricht einem regionalen Königstitel) oder eines Königs ab – diese Titel bringen zusätzliche Siegpunkte ein. Viele Völker verfügen auch über Anführer-Marker, die die Bewegungsreichweite modifizieren und Vorteile bei Kämpfen gewähren.
Spieletester
Fazit
Das Spielmaterial besteht neben einem sehr großen Spielbrett und den Übersichtskarten zu den einzelnen Völkern ausschließlich aus einer Vielzahl von Pappmarkern. Alle diese Komponenten weisen jene außerordentliche Qualität auf, die man aus dem Hause Fantasy Flight Games gewohnt ist. Das Regelwerk umfasst 24 Seiten, wovon vier Seiten den historischen Hintergrund sowie eine Chronologie der Ereignisse beginnend mit der ersten römischen Invasion im Jahr 55 vor Christus bis zum letzten vergeblichen Invasionsversuch der Wikinger im Jahr 1086 umfassen.
Die Regeln sind hervorragend strukturiert und mit vielen Fallbeispielen versehen – das ist auch notwendig, denn für Gelegenheitsspieler stellt das Erlernen des Regelwerks eine durchaus ambitionierte und zeitintensive Aufgabe dar. Als Familienspiel ist Britannia ohnehin nicht geeignet und die Altersangabe „ab 12 Jahren“ ist deutlich zu niedrig angesetzt. „Britannia-Neulinge“, die zu einer Runde von Spielern stoßen, die mit diesem Spiel bereits Erfahrungen sammeln konnten, werden anfangs keinerlei Chance haben, dieses Spiel zu gewinnen! Es bedarf eines gewissen Lernprozesses um zu erkennen, welche Strategie am Ende zu den meisten Siegpunkten führt. Fehlschläge sind vorprogrammiert! Für eine Spielrunde empfiehlt es sich daher, das Spiel entweder gemeinsam zu erlernen oder sich einen „Profi“ zu organisieren, der quasi als Trainer fungiert und den TeilnehmerInnen während den ersten Partien mit Rat und Tat zur Seite steht.
Einfach zu erlernende Spiele werden mit dem Begriff "Gateway-Game" bezeichnet, da solche Spiele Einsteigern, die bisher noch nie mit Brettspielen in Kontakt gekommen sind, diese völlig neue Welt eröffnen und sie in leicht erfassbarer Form zugänglich machen. In diesem Sinne kann Britannia als "Brückenspiel" gesehen werden für anspruchsvolle Gelegenheitsspieler, die das Tor aufstoßen wollen in die Welt der wirklich komplexen und strategisch ausgefeilten Brettspiele. Für historisch interessierte Vielspieler und Spielekenner ist Britannia der Heilige Gral – nicht mehr und nicht weniger! Für diese Zielgruppe ist das Spiel ohne Wenn und Aber mit der Höchstnote zu bewerten.
Plus
- präzise historische Simulation
Minus
- perfektes Spielerlebnis nur bei vier Spielteilnehmern
Besucherkommentare
Das schöne an dem Spiel ist (im 4-Personen-Modus), das ein einigermassen historisches Vorgehen auch belohnt wird. Mit den Schotten zu versuchen, Südengland zu erobern, ist technisch zwar denkbar, bringt aber eben keine Siegpunkte.
Britannia ist eines der ganz wenigen Strategie-Spiele die ich kenne, wo es auch ehrgeizigen Spielern (fast) egal ist, ob sie gewinnen oder verlieren. Es ist einfach faszinierend zuzusehen, wie sich die einzelnen Völer im Laufe der Jahrhunderte entwickeln.
Eine reizvolle Variante für Leute, die ihre ersten 100 Partien hinter sich haben und ein wenig Abwechslung suchen oder die es mit der Geschichte nun nicht gar so genau nehmen, ist es im übrigen, die Völker frei in einer Auktion zu versteigern. Damit ist das Spiel kaum mehr auszurechnen und bekommt eine zusätzliche strategische Komponente.
Chu
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Details
251 Einheitenmarker
17 Völkerkarten
16 Bevölkerungsmarker
175 Siegpunktmarker
1 Rundemarker
5 Würfel (sechsseitig)
1 Spielplan
1 Regelheft
Statistik
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