Schinderhannes

Soonwald (Deutschland), Jahrhundertwende des 18. Jahrhunderts: Der ruchlose Räuber Johannes Bückler, genannt Schinderhannes, treibt sein Unwesen. Es gilt, ihn zu fassen... und dazu muss man genau herausfinden, wo er welches Verbrechen begangen hat. So hocken ein paar unbedarfte Gesetzestreue in einem Wirtshaus und tragen die Hinweise zusammen.
(Über die innere Logik dieser Geschichte könnte man jetzt genauso sinnieren wie darüber, dass man bei Cluedo bei gefundener Leiche die Tatwaffe ermitteln muss, aber sie verspricht eine interessante Spielidee abzugeben, das müsst ihr zugeben...)


Das Spiel:

Der Spielplan ist in 16 Ortschaften á vier Bezirke unterteilt. In jedem dieser Orte ist eines der 16 Verbrechen geschehen, die wiederum in 4x4 Farben unterteilt sind.

Jeder Spieler hält 5 Karten in der Hand, die Informationen über den Ort der Verbrechens beinhalten. Diese Karten sind in sechs Stapel unterteilt, deren Rückseite anzeigt, ob sich diese Karte auf eines der Verbrechen oder einen der Orte bezieht. Auf den Karten, die sich auf die Verbrechen beziehen, sagt uns die Rückseite zudem, ob es um nur ein Verbrechen geht, um eines von allen Vieren, das sich der Spieler aussuchen kann, oder darum, dass ein Verbrechen zu einem anderen Verbrechen anderer Farbe benachbart stattfand.

Ein Spieler, der an der Reihe ist, kann nun eine seiner Karten ausspielen, danach eine Karte abwerfen und seine Handkarten wieder auf 5 ergänzen. Man kann auch passen und stattdessen beliebig viele Handkarten abwerfen und neu ziehen.

Spielt man eine Handkarte aus, so gibt diese Hinweise auf die Orte diverser Verbrechen, etwa "Der Pferdediebstahl fand in Bärenbach, Lettweiler, Antes Mühle oder Kirn statt." oder "In Hundsbach gab es einen Pferdediebstahl, eine Erpessung, einen Überfall oder einen Gefängnisausbruch." (Und hier gleich ein schneller Einschub: Das ständige Suchen der Ortschaften auf dem Spielplan geht relativ schnell relativ vehement auf die Nerven.) Manche Hinweise geben an, dass Verbrechen in einem Nachbardorf desselben oder benachbarten Bezirks passierten, und manche bezeichnen die Himmelsrichtung eines Tatortes. Der Spieler legt kleine Marker mit dem Symbol des entsprechenden Verbrechens auf die entsprechenden Orte.
Liefert eine Karte weitere Hinweise zu einem der Verbrechen dessen Marker bereits auf dem Plan liegen, werden die Marker, die nicht zu der Karte passen, vom Spielplan entfernt. Bleibt von einem Verbrechen nur ein Marker übrig, ist das Verbrechen lokalisiert.

Für jeden Marker, den ein Spieler setzt, erhält er einen Siegpunkt, ebenso für jeden Marker, den er entfernen darf, sowie einen Siegpunkt, wenn er ein Verbrechen lokalisiert.
Sind alle Verbrechen lokalisiert, ist das Spiel zu Ende. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt.

Spieletester

20.06.2010

Fazit

Bevor ich auf die Suche nach dem Schinderhannes eingehe, vorab ein kleines Statement zu Stephan Riedels Schwesternspiele Schinderhannes und Old Town:
Auch wenn ich der weiten Internetgemeinde widersprechen muss, aber Old Town und Schinderhannes sind - so leid es mir tut - KEINE Deduktionsspiele. Es geht darum, die richtigen Karten in der Hand zu halten und im richtigen Moment auszuspielen. Ein wirkliches "Herausfinden", wo welches Gebäude bzw. Verbrechen liegt, kommt schlichtweg nicht vor. Das ist nicht negativ gemeint, es sollte nur einmal gesagt werden.

So, und jetzt zum Schinderhannes, und auch hier muss ich dem größten Teil der Internetgemeinde leider widersprechen: Mir gefällt Old Town deutlich besser. Das mag daran liegen, dass es thematisch wesentlich schöner passt, aus Zeitungsartikeln, Dokumenten und Briefmaterial eine Stadt nachzukonstruieren, als etwas auszuknobeln, was eigentlich allgemeines Wissensgut sein sollte. Dass Kaufmann XY in Meisenheim erpresst wurde, sollte außer Frage stehen, die Frage muss heißen: War es Schinderhannes oder irgendein namenloser Strauchdieb?

Gut, daraus wollen wir dem Spiel keinen Strick drehen, denn wer wie schon erwähnt bei vorhandener Leiche unbekannte Tatwaffen akzeptiert - und das haben wir schließlich alle - darf hier wohl nicht pingelig werden. Für mich hat die Jagd nach dem Schinderhannes leider ein anderes Problem, und das liegt überraschenderweise in den sechs Kartenstapeln.
Zog man bei Old Town noch von drei Stapeln, deren Karten alle nach einem Muster aufgebaut waren, so machen einem die sechs Stapel in diesem Spiel nun durch die Tatsache, dass die Orte bzw. die möglichen Verbrechen auf der Rückseite abgedruckt sind, vor, das Spiel besser beeinflussen zu können. Leider ist dies eine Fehleinschätzung, da der Kartentext vor allem bei fortlaufender Spieldauer in den seltensten Fällen dem entsprach, was ich gebraucht hätte.

Old Town hat dabei zudem immens geholfen, dass jeder Spieler zwei "eigene Gebäude" hatte, mit denen die Kartentexte hantierten und dem Spieler so Möglichkeiten gaben, die Schinderhannes abgehen.

So muss ich dem Spiel leider das Zeugnis ausstellen, dass zumindest mir Old Town um Längen besser gefällt als die "Neuinszenierung" des Spielsystems. Zwar hätte auch dort etwas mehr Deduktion dem Spiel gut getan, aber es war sowohl thematisch als auch spielerisch meiner Ansicht nach wesentlich unterhaltsamer als Schinderhannes. Auch wenn ich mit dieser Meinung offebar ziemlich alleine dasteh'...
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Tom | 20.06.2010

Nein, ganz alleine stehst Du nicht da...
Echte Deduktion sucht man vergebens - aber wie soll man den Mechanismus denn sonst beschreiben? Kartenablegespiel? Worker-Placement? Tobago ohne Insel? Abgesehen davon wurde das Spiel auf Eurer Seite selbst in das Genre "Detektiv-Spiel" gesetzt...
(Allein die Ausarbeitung der unzähligen Zugbedingungen und Abhängigkeiten, die während der Entwicklung der beiden Spiele alle logisch aufgebaut und erprobt werden mussten, ist mDeduktion in Reinform! ;) )

Zur weiteren Kritik: Mag sein, dass inhaltlich leichte Abstriche durch die geschichtliche Einbettung gemacht werden müssen: Klar wurde realiter der Esel wenn, dann nur in einem Ort geraubt und nicht jedesmal woanders... aber genausogut wird ja auch "Oldtown" relativ willkürlich zusammengesetzt.

Die erweiterten Karten machen IMO das Spiel interessanter, da die getrennten Ortskarten ein gezielteres und taktischeres Nachziehen erlauben.

Und nicht zuletzt "isst das Auge mit" und Schinderhannes bietet wahrlich einiges Mehr an Atmosphäre und grafischer Ausarbeitung als das doch recht "knallige" Oldtown, so dass ich dem runderneuerten Spiel auf jeden Fall den Vorzug geben würde...

Grüße,
Tom

Andreas Günter | 20.06.2010

Ich muss doch sagen, dass ich über euren Kommentar zu Schinderhannes einigermaßen erstaunt bin. Natürlich handelt es sich hier um einen ungewohnten Mechanismus, der sich so auch nicht in anderen Deduktions- und Dedektivspielen findet (Ausnahme natürlich das erwähnte Old Town). Aber die Originalität der Idee ist doch so groß, dass das Spiel eine (etwas) bessere Wertung verdient hätte. So gut wie mir muss es ja nicht jedem gefallen. Auch die Aufmachung und Gestaltung ist für einen Kleinverlag wunderschön, der Spielplan ist stimmungsvoll und die Karten und Plättchen gehören zum Schönsten, was derzeit überhaupt auf dem Markt ist. Ich kann nur empfehlen, sich auf das Spiel einzulassen. Es braucht ein Weilchen, bis man die Mechanismen in ausreichender Weise durchschaut, aber dann belohnt einen das Spiel mit einem ganz anderen, neuen und spannenden Spielgefühl.

Markus | 21.06.2010

Ein Dedektiv-Spiel (Thema) ist noch lange kein Deduktions-Spiel (Mechanismus)
Bei Schinerhannes geht es nicht wirklich darum,, etwas geheimes aufgrund von Hinweisen zu erkennen, sondern rein darum, die Karten, die einem der Zufall zuteilt, so auszuspielen, dass man möglichst viele Punke erzielt.
Das Spiel ist zweifelsfrei schön gestaltet, aber Begeisterung konnte in unserer Runde nicht aufkommen, da man kaum vorausplanen kann, und immer nur die Karten, die man gerade zur Verfügung hat durchgeht um zu sehen, wie man ein paar Punkte abstaubt. Die Tatsache, dass dann gegen Spielende einige Karten nichtmehr funktionieren und man immer wieder mit dem aussortieren Beschäftig ist, hemmt den Spielfluss zusätzlich.

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 4
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: 25,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2009
Verlag: Clicker Spiele
Grafiker: Christian Opperer
Genre: Deduktion
Zubehör:

1 Spielplan
80 Karten
80 Hinweismarker
16 Tatscheiben
4 Spielfiguren
1 Spielanleitung

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