Die Schlachten von Westeros

Spieler denen ein reines Co-Sim zu öde und unattraktiv, ein Tabletop regeltechnisch allerdings viel zu aufwändig ist, fanden bisher vor allem in der Battlelore Serie aus dem Hause Days of Wonder oder bei Memoire 44 aus demselben Verlag ihr spielerisches Zuhause. Battlelore konnte sich allerdings nicht so recht entscheiden und schwankte je nach Szenario und Ausbausatz zwischen historisch weitestgehendst korrektem Mittelalter und Fantasy-Mittelalter, während Memoire 44 hingegen Schlachten im zweiten Weltkrieg thematisiert und aus diesem Grunde bei einigen Spielern Akzeptanzprobleme hat. Einige verlagspolitische und lizenzrechtliche Entscheidungen später wird die Battlelore Serie nur noch als englische Ausgabe von Fantasy Flight Games fortgeführt, während als quasi Ersatz ein neues System vorgestellt wird: „Die Schlachten von Westeros“ aus dem Hause Fantasy Flight Games. Für die deutsche Lokalisation sorgt deren deutscher Kooperationspartner, der Heidelberger Spieleverlag.

Die Schlachten von Westeros machen kein Hehl aus ihrer direkten Beziehung zu Battlelore, im Gegenteil, sie werben sogar damit, in dem entsprechenden Regeluniversum angesiedelt zu sein. Was nicht verwunderlich ist, hatte doch Battlelore speziell in Deutschland viele Anhänger. Der Schriftsteller George R. Martin liefert mit seinem Fantasyzyklus „A Song of Ice and Fire“ einen stimmigen Hintergrund für das Spiel und Fantasy Flight Games bzw. der Heidelberger Spieleverlag haben schon angekündigt die Spieler mit kontinuierlichem Nachschub in Form von Ausbauboxen zu versorgen. Der Fantasyzyklus „A Song of Fire and Ice“ protzt weniger mit den üblichen Fantasyzutaten wie Drachen, Orks und Zwergen, sondern thematisiert nach dem Tod des Königs den Kampf verschiedener Herrscherhäuser gegeneinander um die Krone. Lug und Trug, Verrat, politische Ränkespiele und offene Feldschlachten sind an der Tagesordnung. Insofern erinnert der Plot ein wenig an das geniale Science-Fiction Szenario „Dune“ und den dortigen Kampf um Einfluss und den gleichnamigen Wüstenplaneten. Bei Die Schlachten von Westeros selbst geht es allerdings weniger um weit reichende strategische Entscheidungen, vielmehr stehen kurze, stark taktisch geprägte Scharmützel bzw. Szenarios im Vordergrund, welche mit einer durchschnittlichen Spieldauer von jeweils rund 60 Minuten angenehm zu spielen sind und zudem eine schnelle Revanche erlauben.

Vor die Freuden des Spielens hat der Heidelberger Spieleverlag Spieleverlag aber erst einmal den Schweiß der Arbeit gesetzt. Knapp zwanzig Seiten Regeln müssen studiert und eine Menge Spielplättchen und Geländeteilen ausgepöppelt werden. Dazu kommen die rund 140 Einheiten aus Kunststoff, welche an ihren Basen befestigt werden müssen. Das klappt nicht immer auf Anhieb und so sind Bastelschere, Cutter, heißes Wasser und Kunststoffkleber zu Beginn ständige Begleiter. Natürlich sind diese Figuren auch ein wahres Eldorado für Minaturenmaler, aber solange wollen wir doch nicht wirklich mit dem Spielen warten und deshalb sind die Figuren der beiden Fraktionen, sowie deren Anführer auch unterschiedlich eingefärbt. Für jede Seite sind vorerst vier verschiedenartige Einheiten verfügbar, die Ausbausätze werden eine zusätliche Varianz sicherstellen. Natürlich sollte man vor dem ersten Spiel die Regeln vorab wenigstens in groben Zügen parat haben. Feinheiten, wie der genaue Ablauf und viele der Sonderfertigkeiten von Einheiten und Anführern sind allerdings deutlich besser anhand eines Einführungsszenarios nachvollziehbar.

Jedes der zehn im Grundspiel enthaltenen Szenarien hat seine eigenen Rahmenbedingungen. So unterscheiden sich diese in Siegbedingungen, Rundenanzahl und Anzahl und Art der einzusetzenden Einheiten teilweise deutlich. Mit Hilfe der mitgelieferten Geländeplättchen entsteht auf der Basis des Grundspielplanes ein detailreiches Gelände. Jede der Spielrunden besteht aus 4 Phasen: der Reaktivierungsphase, der Organisationsphase, der Kommandophase und der Umgruppierungsphase. Die Phasen eins und vier können beide Spieler normalerweise simultan ausführen. In der Reaktivierungsphase wird über die Initiative der aktuellen Runde entschieden und die Truppen werden (nach der letzten Runde wieder) einsatzbereit gemacht, da diese nur einmal pro Runde eine Aktion ausführen können. In Phase zwei erhalten die Kontrahenten Befehlsmarker und Kommandokarten. Die Kommandophase ist die bedeutsamste Phase, denn in dieser bewegen sich die Einheiten und greifen ggf. an. In der vierten Phase hingegen werden vorwiegend die Resultate aus den vorhergehenden Aktionen ausgewertet.

Kernstück des Spiels sind natürlich die Gefechte zwischen den unterschiedlichsten Einheitentypen. Wie in einem reinrassigen Tabletop gibt es hierbei eine Vielzahl von Dingen auf die zu achten ist, wie z.B. Sichtlinien, Moralwerte, Rang der Einheit oder Waffenreichweiten, um nur einige zu nennen. Einheiten werden über so genannte Kommandokarten aktiviert, von denen eine gewisse Grundzahl bei beiden Kontrahenten identisch ist. Weitere Karten, welche von Anführern mit eingebracht werden, erlauben eine zusätzliche Varianz. Die Kämpfe selbst werden mit speziellen achtseitigen Kampfwürfeln ausgewürfelt. Allerdings sind auch hier etliche Modifikatoren zu beachten, welche letztendlich die Anzahl der Würfel und damit die Stärke des Angriffs bestimmen. Wird eine Einheit im Kampf nicht vernichtet, kann sie aber evtl. zum Rückzug gezwungen werden. Dadurch entstehen permanent neue Situationen und es macht den Hauptreiz dieses Spiels aus, diese und die Stärken und Schwächen der einzelnen Einheiten zu erkennen und gezielt für sich selbst zu nutzen.

Spieletester

28.07.2011

Fazit

Mit Die Schlachten von Westeros ist Fantasy Flight Games wieder ein genialer Coup gelungen. Eine opulente und überaus prächtige Ausstattung, eine gelungene und glaubwürdige Hintergrundstory, genügend Nachschub für viele, viele Abende auf dem Schlachtfeld, pardon am Spieltisch, in Sicht und eine relativ schlanke, trotzdem aber durchdachte und viele Feinheiten beachtende Regel in der Hinterhand, sichern den Besitzern dieses Spiels ein langes Spielvergnügen. Natürlich ist die Einarbeitung in die Regelmaterie bei dieser Art von Spielen immer eine erste und noch dazu relativ große Hemmschwelle, allerdings entschädigt das Spiel selbst dann reichlich für die Überwindung derselben. Allen Freunden von Tabletops, Spielen mit mittelalterlichem Hintergrund oder epischen Geschichten sei Die Schlachten von Westeros wärmstens ans Herz gelegt. Es lohnt sich wahrlich!
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 2
Alter: ab 13 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: 60,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Grafiker: Andrew Navaro
Genre: Tabletop
Zubehör:

Spielanleitung, Westeros-Schlachtszenarien-Heft, 138 Plastikfiguren (32 Garden des Nordens (hellgrau), 12 Reiter von Winterfell (hellgrau), 12 Schützen der Nordlande (hellgrau), 9 Hundeführer von Stark (hellgrau), 24 Wachen von Lannisport (rot), 15 Ritter von Casterly Rock (rot), 12 Schützen der Westlande (rot), 12 Schweren Infanteristen von Lannister (rot), 5 besonderen Kommandeure von Stark (dunkelgrau), 5 besonderen Kommandeure von Lannister (dunkelgrau), 138 grüne Figurensockel, 36 braune Fahnenstangen, 1 sechsgeteilter Spielplan, 8 Würfel (achtseitig), 110 Karten (14 Kommandeurkarten, 70 Kommandokarten), 8 Einheiten-Übersichten, 16 Scharmützel-Aufbaukarten, 2 Scharmützel-Übersichten, 32 Spielplan-Auflagen und 9 Geländemarker, 1 Kommandotafel für Stark, 1 Kommandotafel für Lannister, 1 Rundenanzeige, 1 Rundenzähler, 1 Siegpunktzähler für Stark, 1 Siegpunktzähler für Lannister, 1 Moralanzeige-Seitenteil für Stark, 1 Moralanzeige-Seitenteil für Lannister, 1 Neutrales Moralanzeige-Mittelteil und 1 Moralanzeiger, 10 Kommandomarker, 50 Befehlsmarker, 86 Einheiten-Banner (43 Einheiten-Banner für Stark, 43 Einheiten-Banner für Lannister), 14 Kontrollmarker, 6 Richtungsmarker, 20 Kampfanzeiger, 6 Verwüstungsmarker, 18 Brandanzeiger (unterschiedlicher Werte), 13 Strategiemarker, 3 Spezial-Bogenschützenmarker, 1 Marker „Catelyn Stark“ und 2 Marker „Edmure Tully“, 7 Zeltmarker, 8 Belagerungsturm-Marker, 9 Katapult-Zielmarker, 10 Kommandeurscheiben, 1 Streitkolben

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