Im Wandel der Zeiten

Abt. Civilization II

2006 nahm sich Vladimir Chvatil (ein Autor, bei dem ich eigentlich aus Prinzip einfach einmal hinschaue) des (von mir wie üblich komplett ignorierten) PC-Spieles Through the Ages an, und landete bei den Genrefans damit einen Smash-Hit. Schnell erkannte Pegasus Spiele, dass man dieses Spiel im deutschsprachigen Raum gut anbringen konnte, erwarb die Rechte für die deutsche Fassung und brachte das Spiel unter dem Titel Im Wandel der Zeiten auf den Markt.

Chvatil selbst ließ indes Pandemie-Schöpfer Matt Leacock aus dem Spiel ein Würfelspiel zimmern, und landete damit einen (von mir bereits an entsprechender Stelle als unbedingte Kaufempfehlung angepriesenen) weiteren Hit, dessen sich Pegasus ebenfalls annahm (Im Wandel der Zeiten - Das Würfelspiel). Mal sehen, ob eine Saat gesetzt wurde, oder ob der Fall damit erledigt ist.

Nun aber mit reichlicher Verspätung meinerseits (*schäm*) zur Urform:


Das Spiel:

Jeder Spieler erhält zu Spielbeginn eine Zivilisationstafel, auf der er die Spielsteine ablegt, auf denen mittels Spielfiguren und Karten die verschiedenen Aspekte der Zivilisation dargestellt werden: Arbeiter, Rohstoffe (bzw. Nahrung), Technologien, Regierungsform sowie allgemeine Werte, wie militärische Stärke oder Glücklichkeit der Bevölkerung festgehalten werden.
Das Spiel an sich dreht sich um den Erwerb sogenannter Zivilisationskarten. Durch diese Karten erhält der Spieler eben Punkte in Bereichen wie Technologien, Wissenschaft, Glücklichkeit u.ä. sowie militärische Einheiten, militärische Taktiken, Arbeiter, Rohstoffe usw..

Der Wandel der Zeiten geht durch vier Zeitalter: Antike, Mittelalter, Neuzeit und Moderne. In jedem dieser Zeitalter kommen andere Karten - und damit Möglichkeiten - ins Spiel.


Runde 1:

Auf einem allgemeinen Spielplan liegen Karten aus, die die Spieler in der ersten Runde erwerben. Dabei können Anführer, Wunder oder Aktionen erworben werden. Hat jeder Spieler Karten gewählt, werden die von Spielbeginn an vorhandenen Farmen und Minen aktiv: Die Arbeiter der Spieler werden auf den entsprechenden Karten verteilt und produzieren Nahrung und Rohstoffe.


Runde 2 bis Spielende:

Jetzt geht das Spiel erst richtig los: Ab sofort hat jeder Spieler zivile und militärische Aktionen, die durch die Regierungsform bestimmt werden. Mit diesen Aktionen werden etwa die Bevölkerungszahlen beeinflusst, Wunder errichtet, Technologien entwickelt, militärische Einheiten gebaut oder verbessert oder die Regierungsform gewechselt.
Alle diese Karten sorgen für weitere Kulturpunkte, Wissenschaftspunkte, Rohstoffe, Aktionspunkte und andere wichtige Dinge, die der Spieler braucht, um weitere Karten und/oder Punkte zu erwerben, die dazu beitragen, dass man bei Spielende die meisten Siegpunkte hat.
Am Ende jeder Runde muss jeder Spieler nun aber auch dafür sorgen, dass die Bevölkerungs nahrungstechnisch versorgt ist.

Nun wäre Vladimir Chvatil nicht Vladimir Chvatil, wenn er seinem Spieler einen Brocken wie Im Wandel der Zeiten einfach hinwirft, ohne uns dabei an der Hand zu nehmen und freundlich durch das Spiel zu führen. Das bedeutet: Was Ihr in den oberen Absätzen gelesen habt, ist der prinzipielle Spielaufbau, und damit gleichzeitig das Einsteigerspiel. Hat man das einmal durch, kann man Im Wandel der Zeiten zweimal steigern:


Das Fortgeschrittenenspiel:

Hier wird das Spiel zunehmend politisch:

Wenn die Summe der Rohstoffe einer Zivilisation eine gewisse Summe überschreiten, werden diese von der Korruption gefressen.

Ein weiterer wichtiger Punkt wird die Glücklichkeit der Bevölkerung: Mit der Anzahl der Arbeiter steigt die Anzahl an glücklichen Gesichtern, die die Spieler in ihren Zivilisationskarten haben müssen. Wird die Glücklichkeit der Bevölkerung vernachlässigt, werden einige Arbeiter nicht mehr arbeiten. Man kann Arbeiter zum Arbeiten zwingen, doch das führt zu Aufständen, die man tunlichst vermeiden sollte.

Zudem werden dem Spiel Politik- und Militärkarten hinzugefügt:
Militärkarten: Taktikkarten geben an, wie die Zivilisation Armeen aufstellt - und wieviele Punkte jede Einheit wert ist. Zudem gibt es Karten, die als Verteidigungsbonus oder als Kolonisation von Gebieten gespielt werden können.
Politikkarten: Der Spieler kann hiermit historische Ereignisse ausspielen, die Kulturpunkte bringen.
Eine ausgespielte Politikkarte wird verdeckt auf ein Feld "Zukünftige Ereignisse" gelegt. Jede Runde werden Ereignisse gewertet, die die Spieler in vorherigen Runden ausgelegt haben. Diese werden nach der Wertung abgelegt, und die "Zukünftigen Ereignisse" rücken nach.
Diese Karten enthalten Ereignisse wie militärische Angriffe, Bündnisse, Versteigerungen von Kolonien usw..


Das Expertenspiel:

Im Expertenspiel wird das Spiel zunehmend militärischer:

Hier kann es durch Militärkarten zwischen den Zivilisationen zum Kriegszustand kommen. Modifiziert durch Luftstreitkräfte erhält jede Armee eine Stärke, die sich aus den Einheiten und den Taktikkarten ergibt. Wurde die Karte ausgespielt, können die Beteiligten in der nächsten Runde Einheiten einsetzen und danach ablegen, um die Stärke zu erhöhen. Die Seite mit der höheren Stärke gewinnt, die Militärkarte gibt an, welche Belohnung der Sieger erhält.

Spieletester

12.04.2010

Fazit

Uff.
Es ist nun mal eine Tatsache, dass man ein Spiel mindestens 2-3 mal gespielt haben sollte, um es endgültig bewerten zu können. Gar nicht so einfach bei einem Spiel, dessen Spielzeit bei 120 Minuten AUFWÄRTS liegt, und das zumindest in meinem Freundeskreis offenbar fast nur Männern gefällt. Erklärung dafür hab' ich keine, vielleicht ist's auch Zufall...

Gelohnt hat sich's auf jeden Fall. Und schließlich ist es ja nicht so, dass die Welt nach dem seligen Civilization nicht noch Platz für ein zweites, gutes Zivilisationsaufbauspiel hätte (wenn wir jetzt das Weltraummonumental-Civspiel Twilight Imperium als SF-Spiel mit ähnlicher Prämisse ausklammern). Chvatil jedenfalls hat mir ein weiteres Mal gezeigt, dass ich ihn zu Recht als einen der besten derzeit aktiven Autoren ansehe: Wie bei Meister Chvatil (der hier übrigens wohl seine erste thematisch ERNSTHAFTE Arbeit vorlegt) üblich, greifen die Mechanismen nahtlos ineinander, Lücken in den Regeln oder Schwächen im Spielfluss fürchtet man vergebens, und wie immer überwindet der Mann mit seiner "Einsteigerspiel-Profivariante"-Philosophie das vorzeitige Abwandern von Neulingen, sorgt damit aber auch bei "Alten Hasen" für ein angenehmes Kennenlernen des an sich sehr innovativen Systems.

Noch ein Wort zum System an und für sich: Wie eigentlich auch immer bei Meister Vladimir steht hinter Im Wandel der Zeiten eine relativ simple Grundidee (hier: Sammle Karten und erwirb damit genug Ressourcen, um stärkere Karten zu sammeln), die den Spielern wieder genug Möglichkeiten gibt, zu agieren. Dafür hat der Mann ein Auge. Für das Material gibt's von mir (mal wieder) ein dickes Extralob: Ob man die diversen Leisten als einzelne Pläne (CzechBoardGames) oder als großen Plan (Pegasus Spiele) bevorzugt, ist Ansichtssache, ich perönlich kann mit beiden leben.
Als genial-praktisch aber stellt sich die Leiste heraus, mit der die Spieler ihre sich jede Runde wiederholenden Einnahmen festlegen. Auch wieder so ein Punkt, bei dem ich mich frage, warum noch kein Genreautor sowas gemacht hat.

Letztendlich kann ich mich bei Chvatil eh immer nur wiederholen: Seine Spiele kann man eigentlich ungesehen empfehlen. Und wenn man seine Spiele dann spielt, merkt man, dass man sich nicht geirrt hat.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

Teilen mit facebook twitter

Besucherkommentare

Marc Jünger | 12.04.2010

Hallo beisammen!

"Im Wandel der Zeiten" ist wirklich ein tolles (aber auch langes)Taktikspiel mit vielen Wegen, "die nach Rom" führen...
Ich persönlich finde die Aufmachung nicht ganz so schick...aber (!) dafür sehr zweckdienlich. Die Leisten bzgl. des "Einkommens (bzgl. Wissen und Kultur pro Zug" helfen sehr, den Überblick zu wahren. Ich kann mich dem Rezensenten bzgl. seiner Meinung zu Spiel und Autor nur anschließen!
Jeder Vielspieler sollte sich "Im Wandel der Zeiten" mal näher anschauen.

Mit freundlichen Grüßen,
Marc Jünger

Methos | 12.04.2010

So ziemlich das beste Aufbauspiel des letzten Jahrzehnts!

Kommentar verfassen

Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 180 Minuten
Preis: 40,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2009
Verlag: Pegasus Spiele
Genre: Strategie
Zubehör:

1 Spielplan
341 Karten
275 Spielsteine
40 Würfel
4 Zivilisationsbretter
4 Übersichtstafeln
1 Anleitung

Anzeige

Statistik

Derzeit findest Du auf spieletest.at 7382 Gesellschaftsspiele-,
1668 Videospielrezensionen
2226 Berichte.