Das Ältere Zeichen

2005 brachte Fantasy Flight Games‘ Autorenduo Kevin Wilson und Richard Launius mit der Neuauflage von Arkham Horror ein Kooperationsspiel im Psychohorror-Universum des Lovecraft’schen Cthulhu-Mythos heraus und hat zumindest mich durch mehrmaliges Spielen dazu gebracht, der weltweiten Spielecommunity zu widersprechen und es für ein fürchterlich überladenes, unsteuerbares, dem Spieler mögliche Strategien vorgaukelndes und zeitmäßig überdimensioniertes Etwas zu halten, von dem ich heute nicht mehr verstehen kann, wie ich es jemals mögen konnte. (Immerhin war damit ein neuer Dauerprügelknabe geboren, mit dem ich meine Leser nerven kann. Ist doch auch etwas wert…)
2011 folgte Corey Koniecka (Battlestar Galactica – Das Brettspiel, Rune Age) mit dem Cthulhu-Geisterhausspiel Villen des Wahnsinns und enttäuschte uns Cthulhu-Kultisten erneut. Diesmal erkannte so mancher schneller, dass auch die Villen ein Bauchklatscher waren, der dem Spieler ein Hammerspiel vormacht. 
Dienstlicher Auftrag an FFG: Lasst die Finger vom Cthulhu-Mythos!!!

Ende 2011: Fantasy Flight Games schiebt ungefragt Elder Sign hinterher, ein neues Spiel rund um den Cthulhu-Mythos, das – ebenso wie die Villen - einen Arkham Horror Files-Label trägt. Grund genug also, es nach Kräften zu ignorieren, klänge das Ganze nicht durchaus vielversprechend: Elder Sign präsentiert sich als Kooperationsspiel im Würfelpoker-Stil, das zudem verspricht, mit einer Spieldauer von 45-60 Minuten sympathisch kurz zu sein. Also versuchen wir unser Glück mit einem neuen Lovecraft-Spiel aus dem Hause FFG, auch wenn mit Kevin Wilson und Richard Launius dasselbe Autorenteam an seiner Wiege stand wie bei Arkham Horror. Vielleicht klappt‘s beim dritten Versuch ja endlich.

Im Sommer 2012 jedenfalls erfreute uns der Heiderberger Spieleverlag mit einer deutschen Übersetzung des Spieles unter dem Titel Das ältere Zeichen. Dass es im Kanon des Cthulhu-Mythos eigentlich Das Zeichen der Älteren heißen müsste wollen wir jetzt einmal großzügig übersehen, auch aufgrund der Tatsache, dass sich die Heidelbären einmal mehr die Mühe gemacht haben, die Errata aus der englischen Fassung gleich unmittelbar zu eliminieren.


Das Spiel:

Im Museum von Arkham gehen seltsame Dinge vor. Etwas Schreckliches versucht in unsere Welt zu treten. 1-8 Ermittler (=Spieler) treten dem entgegen:

Vor Spielbeginn wird unser heutiger Bösewicht ermittelt, indem eine der dem Spiel beiliegenden acht „Großen Alten‘“ gezogen wird, der heute unser Bösewicht sein darf. Dieser hat eine spezielle Fähigkeit, mit der er die Spieler das Spiel über nervt, sowie eine Leiste, auf der im Zuge des Spieles Marker landen werden. Wenn diese Leiste voll ist, greift der Große Alte an! Schaffen die Spieler es aber vorher, die auf der Karte des Großen Alten angegebene Anzahl an Älteren Zeichen zu sammeln, wird er gebannt und die Spieler gewinnen sofort.
Wenn der Große Alte angreift, haben die Spieler noch die Chance, den Bösewicht in einem nicht ganz einfach zu gewinnenden Endkampf zu bannen.
Soweit so bekannt aus Arkham Horror. Naja, es spricht ja nichts dagegen, eine prinzipiell gute Idee mit anderen Mitteln aufzuziehen.

Im Kampf gegen das Böse stehen den Spielern neben Punkten für Ausdauer und für geistige Gesundheit sowie einer speziellen Fähigkeit sechs grüne Würfel zur Verfügung. Diese Würfel zeigen 4 Symbole: 1-3 Lupen (=“Nachforschung“), ein Totenkopf (=“Gefahr/Kampf“), eine Schriftrolle (=“Wissen um die Hintergründe“) und ein Terrorsymbol (stilecht als Tentakelmonster dargestellt). Durch bestimmte Handkarten gibt es außerdem noch einen gelben und einen roten Bonuswürfel. Diesen beiden Bonuswürfeln fehlt das Terrorsymbol, dafür hat der gelbe Würfel eine Seite mit 4 Lupen und der rote Würfel ein Jokersymbol.

Es liegen stets 6 Karten mit Abenteuern aus. Diese Abenteuer bestehen aus 1-3 Zeilen, „Herausforderungen“ genannt, die Kombinationen aus eben diesen Würfelsymbolen zeigen. In seinem Zug kann der Spieler entweder eine Aktion am Museumseingang setzen oder zu einer dieser Abenteuerkarten ziehen und versuchen, dieses zu bestehen.


Die Abenteuer:

Ein Spieler, der ein Abenteuer bestehen will, nimmt die sechs grünen Würfel, kann zudem noch Karten ausspielen, die ihm Bonuswürfel geben, und würfelt. Es gilt, die einzelnen Herausforderungen zu bestehen, indem man die entsprechenden Kombinationen würfelt. Schafft man eine Herausforderung, legt man die entsprechenden Würfel auf die Karte, nimmt alle übrigen Würfel und versucht nun, mit den restlichen Würfeln eine weitere Herausforderung zu schaffen. Meistens können die Herausforderungen in beliebiger Reihenfolge bestanden werden, einige wenige Karten geben jedoch die Reihenfolge der zu spielenden Herausforderungen vor.

Schafft der Spieler mit seinem Wurf keine der Herausforderungen, hat er nun folgende Möglichkeiten:
> Wenn der Spieler sogenannte Hinweismarker besitzt, kann er einen davon ausgeben, um beliebig viele Würfel neu zu würfeln.
> Hat der Spieler spezielle Karten oder Charaktereigenschaften, die sich auf Würfelwürfe beziehen, kann er diese nun einsetzen.

Nützt das alles nichts, darf der Spieler einen seiner Würfel auf seine Figur legen und somit für den nächsten Wurf speichern. Befinden sich andere Spieler auf demselben Feld, kann der Spieler auch auf deren Figuren Würfel speichern. Danach muss er einen Würfel abgeben, kann aber natürlich die restlichen Würfel erneut würfeln.

Hat ein Spieler alle Herausforderungen einer Karte bestanden, erhält er dafür Belohnungen in Form von Karten, die die oben erwähnten Bonuswürfel oder andere Effekte geben. Zudem gibt es auch Hinweismarker zu gewinnen, vor allem aber auch die spielentscheidenden Elder Signs, die die Spieler für den Sieg benötigen. In manchen Fällen öffnen sich aber auch Tore in andere Welten oder Dimensionen, die dann als zusätzliches Abenteuer auf dem Spielfeld liegen. Diese sind im Normalfall zwar schwieriger zu bewältigen, bringen aber auch dementsprechend höhere Belohnungen.
In manchen Fällen ruft das Gelingen eines Abenteuers ein Monster auf den Plan. Monster sind eine besondere Form von Herausforderung, die entweder auf einer Karte eine speziell markierte Herausforderung ersetzen, erschweren oder – wenn keine solche Karte ausliegt – eine zusätzliche Herausforderung hinzufügen.

Schafft ein Spieler zumindest eine Herausforderung der Karte allerdings nicht, so gibt die Karte an, was der Spieler verliert. In den meisten Fällen verliert man körperliche oder geistige Gesundheit, in einigen Fällen ruft das Versagen auf einer Karte Monster auf den Plan oder bringt Marker auf die Leiste des Bösewichtes.
Ein Spieler, dessen körperliche oder geistige Gesundheit auf 0 sinkt, erhält einen neuen Charakter, tote Helden stärken aber natürlich den Bösewicht.


Spielende:

Am Ende jedes Zuges dreht jeder Spieler an einem Rundenmarker, dem die stylische Form einer Uhr verpasst wurde, um 15 Minuten weiter. Wenn ein Spieler damit auf 12 Uhr landet, ziehen die Spieler eine Ereigniskarte, die in den meisten Fällen die Anzahl der Marker auf dem Großen Alten erhöht. Somit wird die Zeit automatisch irgendwann einmal knapp, auch wenn man keine Abenteuerkarten mit entsprechendem System vermasselt.
Zudem zeigt die Karte ein Ereignis, das entweder die ganze nächste Runde gilt oder zur nächsten „Mitternacht“ eintritt.

Sobald die Spieler die notwendige Anzahl an Älteren Zeichen sammeln konnten, haben sie gewonnen.
Ist die Leiste des Großen Alten vorher voll, gibt es einen Endkampf. Dieser funktioniert wie eine Herausforderung: Bei jedem Erfolg verliert der Große Alte einen Lebenspunkt. Seine Lebenspunktezahl entspricht der Anzahl der Marker die nötig waren, ihn zu erwecken.

Spieletester

20.12.2011

Fazit

Es ist erstaunlich wie leichtfüßig und unterhaltsam ein Koloss wie Arkham Horror werden kann, wenn man alles Unnötige wegsubtrahiert. Und genauso spielt sich Das Ältere Zeichen: Ein Arkham Horror, aus dem man alles gestrichen hat, was das Spiel kompliziert, umständlich und unnötig lang gemacht hat. Stattdessen wurde dieselbe Idee als im Grunde simples und durch ein paar überschaubare Feinheiten verbessertes „Würfelwurf-Herumdoktorspiel“ aufgezogen, das im Normalfall (Ausreißerpartien gibt’s immer) in einer Stunde durchgespielt ist.
Ja, also ich bin der letzte, der sich darüber beschwert!!!

Kann es sowohl bei Arkham Horror als auch bei Villen des Wahnsinns sehr leicht passieren, dass man sich durch ein paar monumentale Spielelemente boxen muss, nur damit das Spiel mal anderthalbundmehr Stunden „leerläuft“, kommt Das Ältere Zeichen wesentlich unterhaltsamer daher. Ist auch logisch, als „Würfelpoker mit Handlung“ (dass das System noch wesentlich frappanter an Risiko Express erinnert, vergessen wir jetzt einmal kurz) kann es – vernünftig inszeniert – nur sehr schwer in einer Endlosschleife landen. Dabei schafft Das Ältere Zeichen es wesentlich besser, dem Spieler das Gefühl zu geben, bewusst „zu spielen“ statt „gespielt zu werden“. Die Möglichkeiten, an einem Würfelwurf noch nachträglich herumzudoktern, sind vielfältig, so wie auch die Entscheidung, welcher Spieler welche Aufgabe übernehmen soll, hier wesentlich essentieller ist. Zudem ist dieses Spiel um einiges übersichtlicher als bei den „Vorbildern“ und somit schlichtweg spaßiger.

Abstriche muss man allerdings ausgerechnet im Storytellingbereich machen: Die Titel und Storyversatzsücke der Karten kommen kaum zur Geltung, eine wirkliche "Geschichte" will sich nicht wergeben. Uns Lovecraft-Kultisten (Achtung, Mythos-Fandom voraus!!!) stößt wahrscheinlich aber vor allem sauer auf, dass Wilson und Launius zwar dran gedacht haben, die Masken Nyarlathoteps nur dann ins Spiel zu bringen, wenn Nyarlathotep der Endgegner ist, doch andere Spezifika wie Shub Nigguraths Dunkle Junge, Cthulhus versunkene Stadt R’lyeh oder die Mi-Gos auf Yuggoth bei jedem Gegner ins Spiel kommen können anstatt nur bei jenen, mit denen sie laut Mythos verbunden sind.

Mühsame Partien sind leider auch nicht ganz ausgeschlossen: Wenn etwa Shub-Niggurath der aktuelle Große Alte ist, sind ungewöhnlich viele Monster im Spiel, die durch die Präsenz der „Ziege mit den Tausend Jungen“ noch stärker werden als normal. Ein/-zwei Fehlwürfe oder strategische bzw. taktische Fehler, dann noch die Ereigniskarten in unglücklicher Reihenfolge, und die Spieler wissen: Sie können nur noch mittels Endkampf gewinnen… und er kommt einfach nicht. Da kann auch Das Ältere Zeichen zu einer Plage werden, die sich zieht wie ein drei Tage alter Kaugummi. Liegt es an mir oder gibt es wirklich kein US-Spiel ohne mindestens einer schlechten Konstellation?

Abschließend: Ich lehne mich jetzt einfach mal soweit aus dem Fenster und behaupte, Das Ältere Zeichen ist das erste Lovecraft-Spiel, das Fantasy Flight Games wirklich gelungen ist. Es ist spaßig, simpel, schnell gespielt und kooperativ. Warum sollte man sich dann noch durch Arkham Horror oder Villen des Wahnsinns quälen?


Das englische Original ist bei Fantasy Flight Games erschienen.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Björn | 24.04.2012

Nachdem die Macher von Arkham Horror mit den Villen des Wahnsinns einen Ableger vorgelegt, in dem die Rollenspielelemente stärker hervorgekehrt wurden (was, wie ich finde, reichlich missglückt ist), folgt jetzt mit Elder Sign sozusagen das Gegenteil: Eine Light-Variante, die fast ganz auf derartige Elemente verzichtet. Wie es im Kommentar so schön heißt: "Es ist erstaunlich wie leichtfüßig und unterhaltsam ein Koloss wie Arkham Horror werden kann, wenn man alles unnötige wegsubtrahiert. Und genauso spielt sich Elder Sign: Ein Arkham Horror, aus dem man alles gestrichen hat, was das Spiel kompliziert, umständlich und unnötig lang gemacht hat." Dem ist völlig zuzustimmen, wenn man sich die Ebene des reinen Spielmechanismus ansieht - freilich muss man sich die Frage stellen, ob alles Umständliche und Komplizierte wirklich auch Unnötig ist. Die Qualität von Arkham Horror liegt meines Erachtens ja gerade in dieser Umständlichkeit und Kompliziertheit - denn das Spiel bildet m.E. die Erzählstrukturen der Lovecraftschen Werke adäquat ab. Einerseits aufgrund der einigermaßen unberechenbaren Mechanismen von Be- und Entschleunigung (Hektik beim Rumor, dann wieder Runden, wo man nur so durch Arkham läuft), andererseits aufgrund der Überkomplexität, entsteht hier vielfach der Eindruck, dass man "Gespielt wird" und das ist eine der größten Stärken von Arkham: Man wird Teil der Geschichte (und eben nicht eines Rollenspiels - deshalb funktionieren die Villen auch nicht), man fällt in die Erzählung hinein - und dafür sorgen natürlich auch all die vielen Lovecraftzitate und Lovecraft-ähnlichen Storylines auf den unzähligen Karten. Und dieses Gespieltwerden bei Arkham sorgt dafür, dass sich echte Spieler mit Arkham kaum wohlfühlen, das Spiel hingegen bei den Lovecraft-Fans Kultstatus genießt. Wie sieht es nun mit Elder Sign aus: Durch die Substraktion aller "unnötig komplizierten etc. Elemente" wird das Ganze spielbarer - allerdings damit auch notgedrungen weniger episch. Umgesetzt ist das Ganze recht schön - das Material ist vorbildlich und wer noch keins der Lovecraftspiele (Call of Cthulhu, Arkham oder die Villen) hat, kann sich schon mal an der Aufmachung freuen. Aber ohne das epische Element ist Elder Sign eben wesentlich ein ordentliches Würfelspiel, das durchaus Spaß machen kann, aber das für ein reines Würfelspiel, bei dem man ja recht wenig Einfluss auf die Taktik hat, eigentlich mit einer Stunde recht lange dauert. Wer immer gerne würfelt, kriegt eine schöne Würfel-Poker-Variante - Gelegenheitswürfler, die einen Spieleabendabsacker suchen, sollten aber lieber zu schwungvolleren Varianten a la King of Tokyo greifen. Und die Lovecraft-Fans werden wohl weiterhin lieber Arkham spielen - und sich Elder Sign trotzdem anschaffen, weil man ja nicht immer Zeit hat "den großen Bruder" aus dem Schrank zu holen.... Mit gewissen Einschränkungen empfehlenswert!

Mirko | 23.01.2013

Hallo liebe H.P.L. und Spielefans.

Ich habe Das Ältere Zeichen noch nie gespielt da ich erlich gesagt nicht so auf die Würfelpokermechanik stehe. Dummerweise bin ich halt ein ziemlicher H.P.L Fan und leider haben mich Arkham Horror und die Villen ebenfalls nicht überzeugt. Ich konnte beide Spiele in Aktion auf einer Messe begutachten und probespielen und wurde leider nicht so richtig warm mit ihnen. Nun habe ich eine Frage an euch, kennt jemand das LCG Call of Cthulhu? Gäbe es das Teil auf deutsch, hätte ich wahrscheinlich längst zugegriffen aber auf englisch müsste das Spiel eben schon sehr gut sein um die Einarbeirtung zu rechtfertigen. Hat jemand von euch schon Erfahrungen damit gemacht?

Maluk1013 | 15.07.2013

Ich kann deinen Ausführungen zu ELDER SIGN und ARKHAM HORROR nur anschließen.

ELDER SIGN ist kurzweilig, stimmungsvoll und machte mirmbisher in allen Runden viel Spaß. ARKHAM HORROR ist ein überlanges, glücksbetontes Etwas. Klar, ELDER SIGN ist auch durch das Würfeln und das Kartenziehen glücklastig, aber es gaukelt den Spielern nicht vor, dass es etwas anderes ist.

Wenn ich die Wahl habe zwichen ARKHAM HORROR, VILLEN DES WAHNSINNS und ELDER SIGN, ist meine Empfehlung aufnjeden Fall das Letztere...

Und das beste H.P.Lovecraft Spiel bleibt wohl für alle Zeiten CALL OF CTHULHU - Das Rollenspiel...

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 8
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: 25,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2011
Zubehör:

1 Rundenmarker in Uhrform
8 Spezialwürfel
1 Tafel "Museumseingang"
156 Karten
144 Marker
1 Spielanleitung

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