Neuland

Verkopfte Logistik
Neuland ist die neue Ausgabe eines sehr ambitionierten Spiels aus dem Jahr 2004, das ebenso Neuland hieß (und nicht nur Land, das durch die Neu-Auflage zu Neu-Land wurde). Auf der grünen Wiese, im Wald und in den Bergen entsteht mit den mittlerweile standardisierten Gütern Holz und Stein so etwas wie Industrie. Diese produziert beispielsweise Tuch, Papier und Waffen und damit wird die Möglichkeit geschaffen, Wappen auf Besitztümer deponieren zu dürfen. Wer zuerst alle seine Wappen auf dem Spielplan hat, ist Sieger und kann sich sofort bei jedem großen Logistikunternehmen um einen Job bewerben.

Aller Einstieg scheint leicht…
Die Spielregel ist durchaus verständlich. Auf einer zweistündigen Fahrt ins ferne Mariazell arbeiteten wir sie gemütlich durch. Nicht alles war auf Anhieb klar, eine grobe Vorstellung von Ablauf und Spieltiefe zeichnete sich nach einigen Diskussionen jedoch ab. Bei der ersten Partie brauchten wir aber nochmals eine Stunde, um den beiden Neulingen, die nicht mit im Auto saßen, das Regelwerk nahe zu bringen und uns wieder alles in Erinnerung zu rufen. Die Vorbereitung des Spielmaterials nahm weitere 15 Minuten in Anspruch. Dann waren alle Gebäudeplättchen auf dem Vorratsplan gestapelt (Rückseite nach oben), das Spielfeld aus handelsüblichen Sechsecken mit umlaufender Zeitleiste (noch nicht so bekannt wie die Kramer-Leiste) als Rahmen war aufgebaut und jeder Spieler hatte seine Materialien auf dem kleinen Übersichtsplan vor sich bereitgelegt.
Der erste Zug gestaltet sich für jeden Spieler noch recht einfach. Die beiden Gratis-Gebäude Jagdhütte und Forsthaus, sie produzieren Nahrung und Holz, werden auf einem entsprechenden Landschaftsfeld deponiert. Alle weiteren Gebäude kosten entweder Stein oder Holz, jedes der Landschaftssechsecke beherbergt genau drei dieser rautenförmigen Produktionsstätten, dann ist das Feld voll und es bleibt ein Y-förmiger Streifen in der Grundfarbe des Felds (Wald, Wiese, Berg), mit drei Gebäuden herum.
Erste Produktions-Aktionen sind auch noch leicht durchschaubar. Man setzt eine seiner 7 Figuren auf die Jagdhütte, das kostet eine Aktion auf der Zeitleiste, verwendet die erzeugte Nahrung im Forsthaus und produziert Holz (die Figur hüpft zum Forsthaus, die Produktion kostet erneut eine Aktion) und kann das Holz gleich wieder zum Bau einer Mine verwenden. Die Mine zu bauen kostet nur den Rohstoff, aber keine Aktion. Wird das Gebäude außerhalb des Produktionsgebiets – das sind die 6 rundum angrenzenden Spielfelder - des Rohstoffs gebaut, dann kostet jede Grenzüberschreitung einen Aktionspunkt. Das wäre nicht so schlimm, hätte man beliebig viele. Dem ist aber nicht so, man darf nämlich den Punkt, auf dem man auf der Zeitleiste gestartet ist (markiert mit dem Gegenwartsstein) nicht wieder erreichen, den Gegenwartsstein also nicht überrunden. Maximal 10 Aktionspunkte hat man zur Verfügung. Danach zieht der Gegenwartsstein zur nächsten Spielfigur im Uhrzeigersinn weiter und definiert den aktiven Spieler, der bei klugem Ausnutzen des Mechanismus auch wieder derselbe Spieler sein kann. Doppelzüge sind möglich. Die dynamische Zugreihenfolge ist ein sehr nettes Element.

Harter Kampf gegen das Spiel
Generell hat man im Laufe des Spiels mit einigen Dingen zu kämpfen, die Mitspieler gehören eigentlich nicht wirklich dazu. Man kämpft mit einer verwirrenden Vielfalt an Gebäuden, die optisch nicht deutlich genug unterscheidbar sind und mit administrativen Tätigkeiten wie dem Zählen der nötigen Aktionspunkte und dem dazugehörenden Ziehen der Spielfigur auf der Zeitleiste.
Wann ist ein Aktionspunkt zu bezahlen und wann nicht?
Wo endet der Produktionsbereich (= Kostengebiet) eines Gebäudes und wie viele Grenzen überschreite ich bis in die Region, in der ich das Produkt verwenden will? Man kämpft mit den Rohstoffen, die man zwar besitzt, aber nicht in Form von Plättchen vor sich liegen hat. Rohstoffe werden auf den Produktionsstätten mit eigenen Figuren markiert, am Ende des Zugs werden liegende Figuren entfernt und noch stehende werden umgelegt (kann auch am Anfang des nächsten Spielzugs erfolgen). Vorausplanung ist nötig, aber nur schwer möglich. Es ist auch kein Leichtes, Spielzüge wieder zurückzunehmen. Die Mitspieler sind, wenngleich Neuland jede Interaktion vermissen lässt, stets über Gebühr voll ins Geschehen eingebunden, weil jeder Teilzug genaue Kontrolle erfordert. Nicht weil der aktive Spieler betrügen will und die Kontrolleure dies verhindern wollen, sondern weil jeder so seine Schwierigkeiten hat, alles richtig und regelkonform abzuhandeln. Das Spielziel, Wappen auf Besitztümer ablegen zu dürfen, rückt da bisweilen weit in den Hintergrund. Planung ist ohnehin nur sehr begrenzt möglich und es gab schon Mitspieler, die sich nicht mal darauf freuten, wieder an die Reihe zu kommen.

Der Ausstieg fällt leicht….
Die angegebene Spieldauer verdoppelte sich locker. Die Produktionsketten gestalteten sich mit Fortschritt des Spiels immer schwerer überschaubar. Wir versuchten, etwas demotiviert aber doch noch guter Dinge, das Spiel zu retten und kleine Verbesserungen einzubringen. Wir stapelten die Gebäudeplättchen auf dem Vorratsplan mit der Vorderseite nach oben. Damit waren die wirklichen Eigenschaften der Gebäude sichtbar und die Verwirrung sank etwas. Auch das Industrialisieren der Landschaften änderten wir dahingehend ab, dass die Gebäude mit Wald, Wiese oder Gebirge nach außen gelegt wurden. Grenzen eines Gebiets waren damit besser sichtbar und Grenzüberschreitungen leichter feststellbar. Schließlich definierten wir jede Grenzüberschreitung als zu zählende Aktion, verdoppelten allerdings den Zeitweg, indem wir auch die Richtungspfeile zwischen den Steinsäulen als Feld zählten. Am Spiel selbst änderte sich nur wenig, es wurde aber etwas einfacher. Irgendwann endete es auch. Wir waren geschlaucht und enttäuscht. Zu lange Spieldauer wird mit zu wenig Spielspaß vergolten. Schade, da wäre mit etwas mehr redaktioneller Betreuung noch viel mehr rauszuholen gewesen. Vielleicht gibt es noch eine dritte Ausgabe.


Spieletester

13.12.2009

Fazit

Das Neuland, in das wir uns begaben, wurde uns nicht zum Heimatland. Die Regel gaukelt Leichtigkeit vor, das Spiel selbst ist ein Schwergewicht. Nicht nur spielerisch sondern auch physikalisch.
Vielleicht kommt es noch zu einer schlankeren dritten Ausgabe.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 180 Minuten
Preis: 30,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2008
Verlag: Eggertspiele
Grafiker: Klemens Franz
Genre: Strategie
Zubehör:

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