Junta - Viva El Presidente

Beinahe 25 Jahre sind vergangen, seit in der Republica de las Bananas im Wochentakt geputscht wurde und ebensooft das Präsidentenamt in die Hände fähigerer Geldeinsacker... ähm, 'tschuldigung, Politiker gelegt wurde. Seither hat sich die Welt verändert: Nicht mehr im Parlament, sondern im trauten Domizil sitzt man, um die Geschicke des Staates zu lenken und für das Wohl des Familienkontos zu sorgen. Nicht mehr das Militär wird bemüht, um dem Volke größtmögliches Glück durchzusetzen, ob's denen jetzt passt oder nicht, sondern die mächtigen Familien haben sich Milizen zugelegt, um ihre Argumente durchzusetzen. Das ändert jetzt nichts daran, dass das Präsidentenamt im Wochentakt den Inhaber wechselt, aber es ist doch alles wesentlich... unkomplizierter.

Junta ist im Bereich der Intrigantenspiele längst ein Kultspiel mit einem Status, der es noch über Kollegen wie Illuminati oder Intrige stellt. 2010 kommt bei Pegasus Spiele, Inhaber der Lizenz für die umjubelte Junta-Neuauflage, die Fortsetzung Viva El Presidente heraus. Wir Ösis dürfen uns dabei rühmen, das Autorenteam für dieses Spiel gestellt zu haben, und Verfasser dieser Zeilen hat zudem den strategischen Vorteil, die Entwicklung des Spieles höchstselbst miterlebt und so manche Regelidee dafür mitgetestet zu haben. Und wann hat man als Rezensent schon einmal die Chance über ein Spiel zu schreiben, das man schon gespielt hat, als die Karten noch aus Standard-Computerpapier bestanden und man 08/15-Halmakegel auf Papiertafeln legte, die sich ob der Farbtinte des Druckes aufwellten?
Eben: Nicht so wirklich oft...


Das Spiel:

Jeder Spieler erhält eine Tafel, die sein Anwesen zeigt. Dieses Anwesen enthält ein herrschaftliches Herrenhaus und fünf leere Flecken für Ausbauten. Zudem erhält jeder Spieler einen Sichtschutz und vier Würfel, die Milizen darstellen. Mit einer davon beginnt man das Spiel, die übrigen drei kann man im Laufe des Spieles käuflich erwerben.

Ein Spieler übernimmt das Amt des Präsidenten, gekennzeichnet durch eine dem Spiel beiliegende Sonnenbrille. Die übrigen Spieler werden "Putschisten" genannt.
Das Ziel des Spieles besteht darin, durch Ausbauten des Anwesens (nette Dinge wie Radarstationen, Hubschrauberlandeplätze, aber auch Swimmingpools) und durch Handkarten 5 Siegpunkte zu sammeln.

Das Spiel geht durch 5 Phasen:

Karten verteilen:
Jeder Putschist zieht 1 Handkarte. Der Präsident zieht die Anzahl an Handkarten, die der Spielerzahl plus 2 entspricht, und verteilt diese nach eigenem Gutdünken auf sich und alle Putschisten. Das sind seine "Versprechungen", die aber noch nicht in die Hand genommen werden dürfen.

Milizen einstellen:
Jeder Spieler nimmt alle seine Milizen (=Würfel) und legt sie mit einer bestimmten Seite nach oben hinter den Sichtschutz. Das funktioniert so:
Jedes Anwesen hat eine Würfelzahl zugeordnet. Um einen Spieler anzugreifen, stellt man einen Würfel so ein, dass er die Würfelzahl des Zieles zeigt. Soll eine Miliz das eigene Anwesen verteidigen, stellt man die eigene Zahl ein. Will man den Präsidenten beschützen, stellt man eine "6" ein.

Kämpfe austragen:
Die Milizen werden aufgedeckt. Zuerst werden die Angriffe gegen den Präsidenten ausgetragen, dann reihum die Angriffe auf die anderen Anwesen.
Ein Angriff läuft immer gleich ab: Es werden alle Milizen der jeweiligen Seiten zusammengelegt, die Parteien können Karten spielen, danach würfeln beide Seiten mit den Milizen und zählen die Augen zusammen. Der Verteidiger erhält zudem einen Bonus von +1 für jeden Ausbau.
Einzige Besonderheit: Präsidentenmilizen, die das eigene Anwesen schützen, haben immer nur Wert "1". Man sollte sich also schnell nach verlässlichen Verbündeten umsehen...
Die Partei mit dem höheren Kampfwert gewinnt. Gewinnt ein Angreifer, darf jeder am Angriff beteiligte Spieler vom Verlierer eine Handkarte ziehen.
War der Verteidiger der Präsident und der Angriff war erfolgreich, ist er gestürzt. Alle "Versprechen" werden abgeworfen und der stärkste Angreifer wird ab der nächsten Runde Präsident. Hat sich der Präsident erfolgreich verteidigt, müssen nur die Spieler, die ihn angegriffen haben, ihre "Versprechen" abwerfen.

Geld ausgeben:
Viele der Handkarten enthalten Geldbeträge. Diese können jetzt verwendet werden, um Ausbauten (4 Millionen Pesos), Milizen (2 Millionen Pesos) und auch pro Runde eine Handkarte (1 Million Pesos) zu kaufen.

Handkartenmaximum kontrollieren:
Hat ein Spieler mehr als vier Handkarten, muss er Karten abwerfen.

Sobald ein Spieler in der Phase "Geld ausgeben" 5 Siegpunkte hat, ist das Spiel vorbei. Bei Gleichstand entscheiden zuerst die Siegpunkte (man kann ja schließlich auch mehr als nur 5 Punkte haben) und in weiterer Folge das Bargeld auf der Hand.

Zusätzlich gibt es noch eine Profivariante:
In dieser Variante muss man 6 Punkte erwerben, das Amt des Präsidenten zählt dabei 1 Punkt. Milizen können im Kampf vernichtet werden, und der Präsident kann zu seinen Versprechungen auch Milizen hinzufügen, die dann aber einen eindeutigen Auftrag vom Präsidenten erhalten.

Spieletester

23.11.2010

Fazit

Jau... wenn doch nur alle Fortsetzungen in der Geschichte des Spieles so aussehen würden, dann wäre uns - oder zumindest mir - einiges an Leid erspart geblieben (ja, ich rede mit Dir, Heckmeck Barbecue):

Vom "großen" Junta ist gerade einmal eine Idee übriggeblieben, nämlich die, dass der Präsident Karten zieht (im Original-Junta war's Geld) und an die Spieler verteilt, um sich so seine Freunde zu sichern. Und diese Ähnlichkeit ist, wie ich aus erster Hand weiß, ein reiner Glückstreffer, denn die Kollegen Resl und Reiser haben das Original-Junta - man lese und staune - nie gespielt. Tatsächlich hatte Viva El Presidente ursprünglich ein vollkommen anderes Setting, aber darauf komme ich noch extra zu sprechen.

Tatsächlich haben die beiden Autoren genau die Punkte getroffen, die Spiele wie Junta interessant machten, haben es aber aufs notwendige Minimum komprimiert und so ein Intrigantenspiel gebaut, das in 30 bis 45 Minuten durchgespielt ist, dann aber auch Appetit auf eine weitere Partie macht. Das Aufbauen der eigenen Milizmacht geht schnell von der Hand, die Karten bringen den Spieler von Beginn an voll ins Spiel. Die Formel von Viva El Presidente lautet: Schnell gespielt = schnell Stimmung am Spieltisch.

Noch ein abschließendes Wort zur Spielgeschichte: Junta - Viva El Presidente ist der endgültige Beweis dafür, dass das Thema bzw. das Setting eines Spieles eben DOCH entscheidend ist. In seiner Entstehungszeit hieß dieses Spiel noch Lang lebe der König, spielte im Mittelalter, der "Präsident" war eben "König" und trug eine Burger King-Krone, die Milizen waren Ritter, die Ausbauten der Anwesen Burgen. Das Spiel kam so bei mir über das "Wenn ich's kaufe, dann eigentlich nur, weil ich die Autoren kenne"-Stadium nicht hinaus. Als ich hörte, was Pegasus thematisch daraus macht, wurde ich hellhörig... Jetzt will ich dieses Spiel nicht mehr missen. So hat Junta - Viva El Presidente mit seinem neuen Thema den gewaltigen Vorteil, dass seine Geschichte wesentlich schöner aufgeht und das System damit eindeutig intuitiver ist. Im Mittelalter-Setting wirkten viele Elemente wie z.B. die Versprechungen des Königs oder die Befehle an die Ritter ziemlich aufgesetzt und in die Story mit Gewalt hinweingepresst. Jetzt ergeben sich die meisten Zusammenhänge aus reiner Logik.
Außerdem, entscheidet selbst, was ist cooler: Eine Papierkrone oder eine Sonnenbrille? Eine Burg bauen oder eine Radarstation im Vorgarten aufstellen? Und allen voran: Was passt besser? Wenn im mittelalterlicher Europa jedes Monat ein anderer Herzog König wird oder wenn in einer mittelamerikanischen Bananenrepublik im Wochentakt der Präsident wechselt?

Eben.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Gerhard | 24.11.2010

Sehr schönes Spiel und eine klasse Rezi. Punktabzug, weil in den Karten auch Siegpunkte versteckt sind, die das Spiel schneller zu Ende bringen können, als erwartet. Da diese Karten nicht Jedermann sieht, kann auch kein Feindbild aufgebaut werden und ein Spieler, der sich recht bedeckt hält, gewinnt plötzlich das Spiel, ohne das er Wind von vorne bekommt. So passiert in Essen, was mich ein wenig enttäuscht hat. In meinen Runden werden diese "Schandpunkt"-Karten aussortiert.

Poes_Rabe alias Thomas Nezold | 24.11.2010

@Siegpunktkarten: Seh ich eigentlich nicht so.

Ein Spieler, der mir einer dieser Karten klaut, sollte sich in nächster Zeit vor meinem Milizen in Acht nehmen. Zudem weiß man ja ab dem Moment, in dem der Kartenstapel einmal durch ist, dass beide Karten irgendwo im Umlauf sind.

Außerdem sind die Dinger auch ein schöner Anlass zum Anstacheln: "Hey, der hat mir die Luxusyacht geklaut!!! Der hat damit schon 4 Siegpunkte!!!"
Wer sagt, dass das stimmt, was ich sage.

Untersagt die Anleitung zwar, ergibt sich aber immer irgendwie automatisch...

Daniel_ms | 01.04.2011

schnell, spannend, bšse, toll!
klarer tipp!!!

jumpwalker | 11.07.2012

Vor kurzem wieder mal gespielt -> "Junta/Presidente" ist wirklich eine überaus gelungene Komprimierung des Settings, das man schon vom "Original" kennt. Witzig, schnell gespielt, mittelgroßer bis ordentlicher Ärgerfaktor - eben alles inkludiert, was Spaß macht und Lust darauf, gleich noch eine Partie anzuhängen.

Vanni | 05.08.2014

Ich freue mich schon auf die nächste Runde:Junta.
Vote:Minister der inneren Sicherheit!

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 3 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: 25,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: Pegasus Spiele
Genre: Bluff
Zubehör:

5 Spieltafeln "Anwesen"
20 Würfel
45 Karten
5 Spielübersichten
5 Sichtschirme
25 Ausbaumarker
1 Sonnenbrille
1 Spieleanleitung

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