Eine Studie in Smaragdgrün

Kern des Spiels ist die preisgekrönte Kurzgeschichte "Eine Studie in Smaragdgrün" von Neil Gaiman, in der die Welten von Sherlock Holmes und H.P. Lovecraft zusammengeführt werden. In der Originalversion ist das Spiel 2013 unter dem Titel "A Study in Emerald" beim Verlag Treefrog Games in englisch erschienen. Unsere Rezension des englischen Spiels findet ihr hier: A Study in Emerald.

Im Jahre 1882 regieren die Alten seit siebenhundert Jahren die Welt.  Viele Leute akzeptieren die monströsen Herrscher und man nennt sie die Loyalisten. Aber es gibt eine wachsende Zahl von Revolutionären, welche die Menschheit von der Unterdrückung und Sklaverei befreien wollen. Diese Kämpfer nennen sich Restaurationisten. 
Als Spieler schlüpfst du in eine dieser Rollen und versuchst, dich und deine Gesinnung gegen Gewalt und Terror zu behaupten.  Ein Kampf zwischen Gut und Böse wird auf der Welt entfesselt. Nur wer seine Agenten gemäß seiner Gesinnung richtig einsetzt und genug Einfluss in einer der großen Städte der Welt geltend machen kann, wird als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen.

Der Aufbau:

Jeder Spieler erhält zu Begin eine Siegpunktscheibe, Agenten, Einflussmarker und die Startkarten in seiner Spielfarbe. Die Königlichenkarten und die Stadtkarten werden auf die jeweils dazugehörigen Städte des Spielplans gelegt. Je nach Spielerzahl kommt noch eine bestimmte Anzahl an allgemeinen Spielkarten hinzu. Die gesamten Karten jeder Stadt werden nun gemischt und verdeckt auf das jeweilige Stadtfeld gelegt. Dabei dreht man die oberste Karte um. Ist es eine königlichen Karte, kommt sie auf den freien Kartenslot unterhalb der Stadt. Hier ist der Herrscher dieser Stadt also sofort für alle Spieler sichtbar. Ansonsten bleibt die Karte aufgedeckt auf dem Stapel liegen.
Jeder Spieler bekommt nun noch verdeckt eine geheime Identitätskarte. Sie bestimmt, ob der Spieler ein Loyalist ist und die königlichen Herrscher aktzeptiert, oder ob er ein Restaurationist ist und gegen die tyrranischen Herrscher in den Städten kämpft. Auf diese Karte werden drei Stabilitätsmarker gelegt.
Aus seinen Startkarten nimmt der Spieler fünf Karten auf die Hand. Die restlichen fünf Karten bilden den zunächst recht übersichtlichen Nachziehstapel des Spielers.

Die Aktionen:

Alle Karten sind mit mehreren verschiedenen Symbolen versehen, die dem Spieler seine verschiedenen Aktionsmöglichkeiten in seinem Zug anzeigen. Eine dieser Aktionen kann er wählen, um diese in seinem Zug zu spielen. Manche Karten haben auch Textfelder, die ihm zusätzliche dauerhafte oder einmalige Vorteile oder Aktionen zugestehen. Nach dem Spielen der Aktion kommt die Karte auf den perönlichen Ablagestapel und steht dem Spieler später erneut zur Verfügung. Die verschiedenen Aktionen je nach ausgespielter Karte sind:
  • Einflussmarker setzen
  • Karte beanspruchen (die aufgedeckte Karte einer Stadt nehmen)
  • Einflussmarker zurücknehmen
  • Agenten bewegen
  • Leistenmarker bewegen
  • Attentat ausführen
  • Karten abwerfen
  • Kartenaktion
  • Passen 

Die Siegpunkte:

Um Siegpunkt zu erhalten, ist es wichtig zu wissen, welche geheime Identität man im Spiel verkörpert. Als Loyalist ist man bemüht, die Herrscher in den Städten zu schützen. Hat man den Verdacht, dass ein Mitspieler der Fraktion der Restaurationisten angehört, wird man versuchen, dessen Agenten durch Bombenattentate vom Spielbrett zu eliminieren.  
Gehört man den Restaurationisten an, wird es das oberste Ziel sein, die königlichen in den Städten zu entdecken und zu töten. Aber vorsicht. Bei solch einem Kampf kann der Spieler wahnsinnig werden. Bestimmt wird dieses durch einen Würfel mit dementsprechenden Symbol. Sollte er ein "Wahnsinn-Symbol" würfeln, verliert er einen seiner drei Stabilitätsmarker. Nach dem Verlust des dritten Markers muss er seine geheime Identität aufdecken. Als Loyalist kann er weiterspielen, denn die Angehörigen dieser Fraktion sind sowieso alle wahnsinnig. Ist er ein Restaurationist, endet das Spiel sofort.  
Weitere Siegpunkte kann der Spieler durch zwei Leisten auf dem Spielbrett erhalten. Eine Leiste gehört den Loyalisten.  Sie stellt die Bemühungen der Autoritäten dar, einen Krieg zu entfachen, der die Meister und Gebieter mit Energie versorgt. Die andere Leiste gehört den Restaurationisten und gibt die Bemühungen der Fraktion wieder, die Bevölkerung gegen die Herrscher aufzuhetzen, ihre Fesseln der Unterdrückung abzuwerfen.

Die Taktik:

Die Herausforderung im Spiel ist es, durch genaues Beobachten der Mitspieler herauszufinden, auf wessen Seite sie stehen. Jeder Spieler ist bemüht, seine Identität so lange als möglich geheim zu halten. Vielleicht spielt er Aktionen, die gegen seine Gesinnung sind, um die anderen in die Irre zu leiten? Vernichtet er als Loyalist einen anderen Agenten, weil er glaubt, das dieser ein Restaurationist ist, erhält er zunächst einmal Siegpunkte. Stellt sich aber bei Spielende heraus, das er auch ein Loyalist war, verliert er diese Punkte wieder und fällt in der Wertung zurück. Im Gegenzug verlieren alle Restaurationisten ihre erhaltenen Loyalistenpunkte am Spielende. Diese Fraktion gewinnt Punkte, indem sie die königlichen in den Städten töten. Um einen Überblick über Loyalisten und Restaurationistenpunkte zu behalten, wurden alle Loyalistenkarten und deren Punkte in grün dargestellt. Die Restaurationisten und deren Punkte spielen dagegen mit einer pinken Kennzeichnung.

Noch verzwickter wird es, wenn die Gesinnung im Spiel wechselt. Durch bestimmte Karten ist es dem Spieler möglich, seine Gesinnung im Spiel zu ändern. Natürlich wird er es nicht seinen Mitspielern zeigen, aber seine Spielweise wird sich mit einem mal grundlegend ändern. So kann es den Mitspielern passieren, dass die Siegpunkte, die sie als Loyalisten erhalten haben, wertlos geworden sind, weil aus einem Restaurationist ein Loyalist oder umgekehrt geworden ist.

Die Spielmechanik:

Jeder Spieler beginnt mit zehn Startkarten. Fünf davon nimmt er auf die Hand. Die restlichen bilden seinen persönlichen Nachziehstapel. Durch die Aktion "Karte banspruchen" kann sich ein Spieler neue Karten dazu nehmen, sofern er in der Stadt, aus der er die Karte beansprucht, genug Einfluss hat. Diese Karte kommt mit den ausgespielten Karten auf den persönlichen Ablagestapel. Nach seinem Zug zieht der Spieler fünf neue Karten von seinem eigenen Nachziehstapel. Hat er dort nicht genug Karten liegen, mischt er den persönlichen Ablagestapel und bildet daraus seinen neuen Nachziehstapel. Dadurch kommen auch die neu erworbenen Karten aus den Städten auf seine Hand und somit ins Spiel. Kenner von test werden dieses Prinzip kennen. 

Durch Einsetzen von Einflusssteinen in eine Stadt kann der Spieler dort seinen Einfluss und somit seine Aktionsmöglichkeiten vergrössern. Agenten erhält er durch spezielle Symbole auf den Karten, die er in den Städten beanspruchen kann. Gespielte Einflusssteine erhält er ebenfalls durch dafür vorgesehene Aktionen auf seinen Karten zurück. Attentate auf andere Agenten oder königliche Herrscher kann er ebenfalls durch Aktionen auf seinen Karten und Ausspielen von Karten mit Bombensymbol(en) ausführen. Um Karten zu beanspruchen und um Attentate auszuführen, bedarf es aber immer genügend Agenten und Einfluss in der jeweiligen Stadt. Allerdings stehen dem Spieler zu Beginn nur fünf Einflussmarker zur Verfügung. Diese wandern nach einer Stadtaktion in den sogenannten Nimbus auf dem Spielbrett. Folglich müssen sie erst einmal wieder durch die Aktion "Einflusssteine aufnehmen" zurückgeholt werden.
Welche dieser Aktionen der Spieler ausführt, hängt von der ausgespielten Karte und den darauf abgebildeten Aktionssymbolen ab. Da er sich aus mehreren Symbolen eines auswählen kann, hat der Spieler verschiedene Taktiken zum erreichen seines Ziels zur Verfügung.
Sobald ein Spieler alle seine drei Stabilitätsmarker verloren hat und der Fraktion der Restaurationisten angehört, endet das Spiel. Ebenso ist das Ende erreicht, wenn ein Spieler die geforderten Siegpunkte abhängig von der Spielerzahl erreicht hat. Der Spieler, welcher nach Angleichung und Abrechnung die meisten Siegpunkte für sich verbuchen kann, gewinnt die Partie. 

Spieletester

10.04.2016

Fazit

Fasziniert hat mich ein längeres Gespräch mit Carsten Reuter, Chef vom Schwerkraft-Verlag, auf den Ratinger Spieletagen. Wenn er über seine Spiele spricht, spürt man die Überzeugung und Begeisterung für diese Art von Spielen, die den Zuhörer einfach mitreißt. Durch seine Begeisterung wurde ich auf das Spiel Eine Studie in Smaragdgrün aufmerksam. Das Spiel vereint alle Elemente, die ein Vielspieler von einem Spiel erwartet. Ein Deckbauelement der Aktionskarten, Deduktion durch genaues Beobachten der Mitspieler, Worker-Placement durch geschicktes Einsetzen der Agenten und der Einflusssteine.
 
Das Spielbrett allein wäre eine Rezension wert. Selten habe ich ein Spiel gesehen, welches mit so aufwendigen und detaillierten Grafiken aufwartet und so viel Spieltiefe damit erzeugt. Das gleiche gilt für die Spielkarten, die stimmungsvoll gestaltet sind. Aber auch das Spielprinzip überzeugt vollkommen. Ich muss zugeben, dass ich zunächst von der Mechanik des Deckbau-Prinzips wenig überzeugt war, da diese Art von Spielen nicht zu meinen Favoriten gehört.  Aber nach den ersten Minuten hat mich Eine Studie in Smaragdgrün voll überzeugt und in seinen Bann gezogen. 

Bemerkenswert ist, dass in dem Spiel zwei Parteien miteinander gegeneinander spielen. Dabei verbringt man die Anfangsphase des Spiels damit, herauszufinden, wer in welcher Fraktion spielt. Glaubt man schließlich zu wissen, wer zu wem gehört, muss man seine Taktik diesen Erkentnissen anpassen und dementsprechend ausrichten. Abhängig von der zugeordneten Fraktion muss genau geplant werden, in welcher Stadt die Einflusssteine eingesetzt werden und welche Aktionskarte dafür genutzt wird. Wage ich es, ein Attentat auf einen Mitspieler zu begehen? Zunächst erhalte ich dafür bei Erfolg Siegpunkte. Aber wenn ich mich irre und er nicht der anderen Fraktion angehört, verliere ich diese wieder am Spielende. Oder muss ich die Königlichen in den Städten töten und dabei den Attentaten meiner Mitspieler entgehen? Selbst wenn ich mit meiner Vermutung recht hatte und vom richtigen Spieler die Agenten eliminiert habe, kann es immer noch sein, dass dieser seine Gesinnung wechseln konnte und mir somit alle Punkte verloren gehen. Eine weitere schöne Regel ist, dass alle Spieler der Fraktion mit dem schwächsten Spieler in ihren Reihen am Ende fünf Punkte verlieren. Folglich muss ich herausfinden, wer zu meiner Gesinnung gehört und wo er auf der Punkteleiste steht und muss diesen dann unbemerkt etwas unterstützen.

Dieses Spiel ist voller Interaktion. Man kann seinen Mitspielern nicht aus dem Weg gehen. Ein stilles "vor sich hinbauen" ist nicht möglich. Erfreulich ist auch die Spieldauer. Je nach Spieleranzahl dauert eine Partie 60 bis 90 Minuten.
Eine Studie in Smaragdgrün besticht durch sein Spielprinzip und durch die Mechanik. Nichts ist im Spiel sicher, nichts ist gewonnen und nichts ist so, wie es scheint. Eine Partie steckt voller Überraschungen und neuer Wendungen. Ständiges Anpassen der Strategie ist erforderlich um bestehen zu können. Spieler, die immer dieselbe Strategie spielen und sich nicht auf Veränderungen einstellen, werden in diesem Spiel häufiger das Nachsehen haben. Aber genau das macht diesen hohen Reiz aus und verleitet dazu, Eine Studie in Smaragdgrün immer wieder auf den Tisch zu bringen.

Wenn ich überhaupt kritische Punkte anführen kann, dann nur diese, dass die Zombies, die durch gewisse Karten ins Spiel kommen, besser als Doppelagenten hätten bezeichnet werden sollen. Meiner Meinung nach hätte das thematisch besser ins Spiel gepasst. Ein weiterer Punkt sind die allgemeinen Karten. Es wäre schön, wenn sich in absehbarer Zeit neue Karten zu den vorhandenen, in Form einer kleinen Erweiterung, hinzugesellen würden. Das würde dem Spiel nochmals mehr Abwechselung geben. Aber das ist Kritik auf sehr hohem Niveau. Ich habe das Spiel in verschiedenen Besetzungen mit Expertenspielern gespielt und ausschließlich Begeisterung am Spieltisch erfahren. Eine Studie in Smaragdgrün lässt sich sehr gut zu zweit als auch mit mehreren Spielern spielen. 
Für alle Spieler, die eine neue Spielerfahrung suchen und vom gewöhnlichen Mainstream weg wollen um neue Spielerlebnisse zu erfahren, ist dieses Spiel eine Kaufpflicht!

Redaktionelle Wertung:

Plus

  • Hervorragende Grafik auf dem Spielbrett und den Karten
  • Schön gestaltetes Spielmaterial
  • Gute Gliederung der Regel
  • Leicht zu verstehende Regel
  • Große Spieltiefe
  • Unzählige taktische Varianten
  • Große Interaktion
  • Angenehme Spieldauer trotz Komplexität

Minus

  • Größere Anzahl an unterschiedlichen allgemeinen Karten wäre wünschenswert
  • Eine andere Bezeichnung der Zombies wäre thematisch passender

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 5
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 60 bis 90 Minuten
Preis: 45,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2015
Zubehör:

1 Spielbrett
5 Siegpunktscheiben
50 Einflussmarker
50 Agenten
50 Startkarten
6 Geheimidentitätskarten
66 Spielkarten
9 Stadtkarten
9 Königlichenkarten
2 Leistenmarker
15 Stabilitätsmarker
1 Stabilitätswürfel
6 Zombiefiguren
1 Spielanleitung

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