Alien Frontiers

Dieses Spiel ist bisher zwar in allen erdenklichen Sprachen – sogar auf Polnisch – erschienen, aus irgendeinem kühnen Grunde aber noch nicht auf Deutsch. 


Eine der Websites, auf der ich mich mit schon beinahe täglicher Sicherheit herumtreibe, ist die US-amerikanische Weird World-Seite www.cracked.com. Cracked ist eine Fundgrube witziger Texte, großartiger Betrachtungen, absurder Tatsächlichkeiten… und so mancher unangenehmer Wahrheiten. (Man sollte sich damit arrangieren, dass sich gefühlte fünf von zehn Artikel um das Thema „Film“ drehen, wobei wiederum in neun von zehn Filmartikel Batman, der Wizard of Oz und/oder Star Wars vorkommen.) Jedenfalls überreiche ich den Machern gerne den imaginären Preis für den erfolgreichsten Produktivitätskiller: Einmal drauf komm ich aus den Flashback- und Recommended For Your Pleasure-Spalten nicht mehr raus, und schon sind zwei/drei weitere Stunden Lebenszeit dahin (aber nicht verschwendet!!!). 

Das Thema „Spiele“ ist auf cracked.com nicht gerade überrepräsentiert, wer aber engagiert genug sucht (oder in der Suchleiste „boardgames“ eingibt) stolpert über so einige lesenswerte Kleinodien. So erschien etwa vor einiger Zeit der Artikel „6 Board Games that ruined it for everyone“. Sein Autor Luke McKinney vertrat darin die nicht von der Hand zu weisende These, dass das Brettspiel in weiten Kreisen der Bevölkerung deshalb als „langweilig“ und als „Zeitverschwendung“ abgelehnt wird, weil klassische Spiele wie Das Spiel des LebensVier gewinnt oder Battleship einfach katastrophal zum Steinerweichen schlecht sind. McKinney zählte hierbei die sechs schlimmsten Fälle auf und bot kundenorientiert zu jedem der gebashten Spiele eine Alternative an.
Ich für meinen Teil brauchte nach dem Lesen des Artikels eine Nackenbehandlung: Ich kam aus dem Nicken nicht mehr heraus, aber wenn jemand auch vorschlägt, anstelle von Risiko solle man Die Siedler von Catan und anstelle von Monopoly (ugh) Funkenschlag spielen, gehört ihm mein Herz. Punkt.


Durch den Artikel rückten aber auch zwei Spiele in meinen persönlichen Focus: 

Da war zunächst die Alternative für den Seelenfresser Snakes and Ladders (hierzulande als Rutschbahn und Leiter ignoriert): Richard Garfields Würfelpoker-Monsterbalgerei King of Tokyo, dessen Existenz ich zu diesem Zeitpunkt zwar zur Kenntnis genommen, das sich aber an meiner Aufmerksamkeit immer elegant vorbeigemogelt hatte. Durch McKinneys Artikel wurde ich dann doch neugierig, und nach der Heiligprechung auf dem Spieleblog „Einserpasch“, dessen Autor jährlich mit mir nach Essen pilgert und die sympathische Eigenart hat, meinen Spielegeschmack grundsätzlich zu teilen, war das Urteil gefallen: Sofortige Aneignung, am besten vorgestern. Inzwischen halte ich dieses Spiel für nichts Geringeres als für ein freakin‘ Meisterwerk… vorausgesetzt, man mag Würfelpokerspiele, bei denen man auch noch ein bisschen am Wurf herumdoktern kann und es ebenso großartig findet, wenn Godzilla einem mechanischen Drachen eine Ohrfeige verpasst. 

Als sich Luke McKinney der Todgeburt Vier gewinnt annahm, schlug er als Alternative – und damit sind wir beim aktuellen Bezug – Alien Frontiers vor. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt von diesem Spiel, das sein nunmehr sehr glorreiches Leben als Kickstarter begann und inzwischen bei Sonderausstattung und einer Erweiterung steht, noch nie etwas gehört, aber man folgt ja schon mal Empfehlungen, wenn sich diese als fundiert herausstellen… 
…in diesem Fall aber einfacher gesagt als getan: Eine Bestellung vom Spielehändler meines Vertrauens wurde vom Verlag verlegt/ignoriert/als Zunder für den Kamin verwendet, Amazonhändler liefern nur gegen Portogebühr im Gegenwert eines Kleinwagens, auf ebay verkaufen wollt’s keiner (was wieder sehr FÜR das Spiel spricht) und der Verlagsstand auf der Messe in Essen schoss den Vogel ab, indem sie eine ERWEITERUNG anboten, aber NICHT DAS SPIEL SELBST!!!

Naja, irgendwann durfte ich Alien Frontiers dann – wie ihr Euch denken könnt – doch in Händen halten, und zwar dank des obrigen Spielehändlers, der das Ding irgendwie doch noch erhalten und mein Exemplar sofort beiseitegelegt hat. So kann ich Euch nun berichten, ob Luke McKinney auch hier recht behalten sollte. 
(Und wenn nicht: Er hasst Monopoly und Risiko. Der Mann hat bereits gewonnen!!!)

Das Spiel:

Irgendwo in den Tiefen des Weltalls haben die Menschen einen Planeten ausgemacht. Gut, das is jetzt nicht so etwas Bemerkenswertes, schließlich gibt es ja genug davon, aber dieser muss vor Äonen von Aliens, die ihre Spuren auf dem Planeten (und in der Umlaufbahn in Form einer creepy-organisch wirkenden „Raumstation“) hinterlassen haben, bewohnt gewesen sein. Darauf springen die irdischen Konzerne/Nationen (darüber schweigt sich die Anleitung konsequent aus, entscheidet also selbst, ob Ihr in der Zukunft von Alien oder 1984 agieren wollt) natürlich sofort an, und noch bevor Captain Kirk „äääähm“ sagen kann, umkreisen alle möglichen irdischen Spacescience–Gadgets den neuen Planeten. Aber welcher Konzern/welche Nation (=welcher Spieler) wird mehr herausholen?

Der Spielplan besteht zunächst aus der Planetenoberfläche, die in acht Regionen unterteilt ist. Und einfallsreich wie man in der Zukunft nun mal ist, sind alle diese Regionen nach SF-Autoren benannt, weshalb wir unsere Kolonien im Asimov-Krater oder am Bradbury-Plateau errichten dürfen. Rund um den Planeten haben sich die Menschen mit allerlei SF-Gedöns eingefunden, und so kreisen hier nun Dinge wie ein Solarkonverter oder eine Terraformingstation. Hier werden sich die Spieler mit ihren Raumschiffen aufhalten.


Also gut, im Einzelnen:

Die Raumschiffe der Spieler werden durch normale Sechsseiter dargestellt. (Wenn man der Meinung ist, entschieden zu viel Geld zu haben, kann man auch Würfel in Raketenform erwerben, der klassische W6 reicht für das Spiel aber völlig aus.) Jeder Spieler beginnt mit drei Schiffen und kann im Laufe des Spieles bis auf sechs Raumschiffe ausbauen. Gebaut und hantiert wird zudem mit zwei Sorten von Rohstoffen: Treibstoff und Eisenerz.
Am Beginn seines Zuges würfelt der Spieler alle seine Raumschiffe und verteilt diese auf dem Spielplan. Diese Würfel bleiben danach bis zu seinem nächsten Zug liegen und blockieren somit Andockplätze für die Gegenspieler. Natürlich hat jedes Feld mehrere Andockplätze.


Es gibt drei Arten, Rohstoffe zu erwerben:

Solarkonverter:
Ein einfacher Würfelwurf bestimmt, wie viel Treibstoff man erhält.

Mondmine:
Jeder Würfel, den man setzt, bringt ein Eisenerz. Allerdings muss jeder Würfel einen gleichen oder höheren Würfelwert wie der vorherige haben.

Orbitalmarkt:
Hier kann Treibstoff für Erz eingetauscht werden. Den Preis bestimmt der Würfelwurf: Der Spieler muss hier einen Pasch ablegen, und der Wert EINES der Würfel bestimmt den Preis.


Das Hauptziel des Spieles besteht darin, Kolonien auf dem Planeten zu errichten. Dafür gibt es folgende Möglichkeiten:

Kolonistenzentrum:
Der erste Würfel, den man hier ablegt, beginnt den Bau einer Kolonie, indem man diesen auf das erste Feld einer Leiste legt. Mit jedem weiteren Würfel zieht die Kolonie ein Feld weiter, nach sechs weiteren Würfeln ist die Kolonie prinzipiell fertig. Mit einem Treibstoff und einem Erz kann diese Kolonie nun auf der Planetenoberfläche errichtet werden.

Kolonienkonstruktion:
Drei gleiche Würfel und drei Erze: Fertig ist die Kolonie.

Terraformingstation:
Ein Würfel mit Wert 6 wird zu Kolonie. Das bedeutet aber auch, dass die Kolonisten ihre Häuser aus den Materialien des Raumschiffes zusammenbauen, man verliert also den entsprechenden Würfel.


Und dann hätten wir da noch drei weitere Module im Orbit schwirren:

Wartungsstation / Werft:
Für einen Pasch darf hier ein neues Raumschiff (=Würfel) gebaut werden. Dies kostet natürlich auch Rohstoffe, und je nachdem das wievielte Raumschiff man baut, umso teurer wird der Spaß.

Station der Aliens:
Mit Würfeln der Summe 8 darf man hier eine von drei offenliegenden Alienartefaktkarten wählen. Diese Karten bringen entweder Vorteile im Spiel oder schlicht Siegpunkte.
Da man mit einem Würfel natürlich schwerlich auf 8 kommen kann, darf man für jeden Würfel, den man hier andocken lässt, alle drei zur Wahl stehenden Karten abwerfen und drei neue ziehen, aus denen man dann wählen darf.

Außenposten der Piraten:
Hier muss man eine Reihe von drei Würfeln aufeinanderfolgenden Wertes ablegen (also z.B. 1-2-3), dann darf man einem Mitspieler entweder vier Rohstoffe oder ein Alienartefakt klauen.
Der Außenposten bietet nur Platz für einen Spieler, man darf dessen Würfel aber vor seinem nächsten Zug aus dem Posten entfernen, wenn man eine höhere Dreierfolge schafft.


Jede Kolonie bringt dem Spieler Siegpunkte. Hinzu kommt: Der Spieler, der in einer Region des Planeten die Mehrheit an Kolonien errichtet hat, erhält zusätzlich einen Punkt plus einen Vorteil, den ihm die entsprechende Region bietet. Beinahe alle diese Regionen bringen Boni für die Andockplätze, einzig die Zentralregion fällt aus dem Rahmen. Hier darf man ein geschrottetes Alienraumschiff aktivieren und kommt so zu einem weiteren Würfel.

Das Spiel endet, wenn ein Spieler seine letzte Kolonie erbaut. Der Spieler, der zu diesem Zeitpunkt die meisten Siegpunkte hat, ist Sieger.
Siegpunkte erhält man durch Kolonien, Mehrheiten in den Planetenregionen und bestimmte Alienartefakte.

Spieletester

17.11.2014

Fazit

Und damit schreiten wir feierlich zur Beantwortung der Frage, die zumindest uns Cracked-Fans natürlich unter den Nägeln brennt: Hatte Luke McKinney mit seiner Empfehlunge recht? Kurz gesagt: Ja, hatte er. Aber sowas von!!!

Wenn man Würfelspiele mag (und ich denke jetzt einfach mal, dass Würfelhasser nicht wirklich zu diesem Spiel greifen werden) sollte man hier unbedingt mal reinschauen. Dabei geht es bei Alien Frontiers kaum darum, nachträglich an Würfelwürfen herumzudoktern (auch wenn es natürlich Alientechnologiekarten gibt, die genau das erlauben), das Ziel besteht hier darin, seine Würfel möglichst gewinnbringend zu platzieren… gewürzt mit einer mächtigen Prise „Gegner blockieren.“ Und das Gelungene daran ist: Einen wirklich SCHLECHTEN Wurf, mit dem man NICHTS anfangen kann, gibt es so gut wie gar nicht. Zwar gibt es eine Regel was mit Würfel passiert, die man nicht einsetzen kann (sie kommen – surprise, surprise – wirkungslos in die Wartungsstation), doch zumindest bei uns kam diese Regel bisher nie zum Einsatz. Denn sollte es wirklich der Fall sein, dass ich meine Würfel nicht mal im Kolonistenzentrum unterbringe (was nur möglich ist, wenn die Kolonie an sich fertig ist, mir zum endgültigen Bau aber die Rohstoffe fehlen), so konnte ich meine Schiffe zumindest immer in der Mondmine oder am Solarkonverter gewinnbringend andocken.

Alien Frontiers schmeißt zwar damit meine Theorie, dass US-Autoren keine balancierten Spiele hinkriegen, wenn Ihr Leben respektive ihre Verlagszukunft davon abhängt, aber Ihr wisst ja: Ausnahme, Regel, und so weiter...

Und natürlich: Hier auch noch der Link zu Luke McKinneys Artikel, der dies hier möglich gemacht hat:
http://www.cracked.com/blog/6-board-games-that-ruined-it-everyone/
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Gerhard | 18.11.2014

Alien Frontiers Aurora gab es jetzt endlich auf der SPIEL 2014 in deutsch - hab natürlich sofort zugegriffen und freu mir nen Ast.

Stefan | 02.12.2014

Für Leute die den Kauf in Essen verpasst haben:
Aus dem Crowdfundig Portal Ulule: "Milan-Spiele have supported the project, so you may be able to get the game with the promo items there."

http://www.milan-spiele.de/alien-frontiers-aurora-inkl-promokarte-international-p-14121.html

Ja, Milan Spiele liefert auch, mein Spiel ist da.

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: 30,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Autor: Tory Niemann
Genre: Würfeln
Zubehör:

1 Spielplan
1 Siegpunktplan
25 Würfel
50 Rohstoffmarker
36 Koloniefiguren
33 Karten
1 Spielanleitung

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