Die Piraten von Nassau

Nassau galt am Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert als die Piratenhochburg der Karibik. Die mächtigen Regalschiffe der Kriegsmarine konnten die seichten Gewässer vor der Küste nicht befahren, die jedoch allemal tief genug waren für die kleinen und wendigen Schiffe der Korsaren und Freibeuter. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts riefen die Piraten Nassau zu ihrer Republik aus! Über drei Jahrzehnte lang überfielen die rauen Gesellen des Meeres Handelsschiffe und Häfen anderer Karibik-Inseln, machten Gefangene, pressten Lösegeld und ließen sich mit Rum volllaufen. Das goldene Zeitalter der Seeräuberei stand in seiner höchsten Blüte! Von Vitaminmangel und schlechten Zähnen wollen wir jetzt einmal besser nicht reden…
Einleitung und Grundsätzliches

Die Piraten von Nassau ermöglicht es zwischen drei und fünf Piratenkapitänen, von ihrer Heimatbasis Nassau aus in See zu stechen und in jeder Spielrunde entweder Handelsschiffe zu entern, Häfen anzugreifen oder Gefangene zu nehmen. Nach jedem erfolgreichen Raubzug auf See kehren die Piratenkapitäne nach Nassau zurück und müssen dabei versuchen, der königlichen Kriegsmarine zu entkommen.

Jeder Spieler verfügt zu Spielstart über sein eigenes schmuckes Piratenschiff, dargestellt durch eine zweiteilige Schiffstafel (Bug und Heck). Dieses Schiff verfügt bereits zu Spielbeginn über einen Kanonenwert, einen Segelwert sowie über einen kleinen Frachtraum. Im Verlauf des Spieles kann jeder Kapitän sein Schiff zur Brigg (dritter Schiffstafelteil) und später zur Galeone (vierter Schiffstafelteil) ausbauen und mit Galionsfigur, Kapitänskajüte sowie zusätzlichen Kanonen, Hochsegel, Stag- und Vordersegel sowie Drehsegel, mit Piratenflagge, Krähennest und Webeleine hochrüsten. Dazu können Besatzungsmitglieder aus 19 unterschiedlichen Berufsbildern (wie z.B. Steuermannsmaat, Kartograph, Lotse, Tischler und Schiffskoch) an Bord genommen werden. Auch auf die Schiffskatze und den Schiffshund muss man nicht verzichten. Einzig der Papagei hat es leider nicht in diese Brettspiel-Umsetzung geschafft!
Alle diese Ausbauten und Erweiterungen erhöhen die Werte des Schiffes in den Bereichen Kanonen und Segel und geben zudem mehr Frachtraum. All das wird benötigt, um die im Verlauf des Spieles immer besser ausgestatteten Handelsschiffe angreifen und ausrauben zu können. Zudem fließen diese Werte dann auch noch am Ende des Spieles in die Schlusswertung ein (dazu später mehr).

Zudem erhält jeder Spieler noch eine Schiffsminiatur, eine Schatztruhe sowie vier Kapitäns-Karten (die beim Ausspielen die Werte der Kanonen und Segel temporär erhöhen). Und schon geht’s los…

Spielprinzip

Das Spielbrett zeigt neben dem Hafen von Nassau drei Seeregionen, die durch jeweils ein Transitfeld voneinander getrennt sind. Jede Seeregion besteht aus sechs durchnummerierten Feldern, auf denen entweder Häfen abgebildet sind oder Handelsmarine-Karten abgelegt werden. Auf diesen Karten sind Handelsschiffe dargestellt, die jeweils unterschiedliche Stärkewerte im Bereich Segel und Kanonen aufweisen.

Auf diesen Seeregionen bzw. in den Transitfeldern bewegen die Spieler ihre kleinen hölzernen Schiffsminiaturen, um zu den auf dem Spielfeld platzierten Handelsschiffen oder Häfen zu gelangen. Die Bewegungsreichweite wird dabei durch Würfelwürfe bestimmt, wobei die Bewegung durch den innovativen Gebrauch dieser Würfel durchaus planbar bleibt. Alle Handelsschiffe verfügen über Kanonen- und Segelwerte; sobald das eigene Piratenschiff in beiden Kategorien über bessere Werte verfügt gelingt es, das Handelsschiff zu entern und dessen Fracht zu erbeuten (Schießpulver, Rum oder allgemeine Frachtgüter) oder sogar Passagiere gefangen zu nehmen. Erbeutete Frachtgegenstände können im weiteren Spielverlauf in Nassau gegen Schiffserweiterungen oder -ausbauten eingetauscht werden.

Die auf dem Spielplan aufgedruckten Häfen können ebenfalls überfallen werden (allerdings benötigt man dazu mehr als ordentlich ausgerüstete Kanonendecks), erfüllen aber noch einen weiteren Zweck. Ein Spieler, der mit seinem Schiff in einen Hafen einläuft, kann dort entweder Gefangene gegen Bezahlung eines Lösegeldes freilassen oder Fracht schmuggeln. Auch in diesem Fall ist auf den Häfen die Art der Frachtgegenstände, die dort verfügbar sind, aufgedruckt. Wird ein Hafen überfallen, gilt er als zerstört und kann bis zum Ende des Spieles von keinem Piratenschiff mehr angelaufen werden.

Für erfolgreiche Plünderungen von Handelsschiffen oder Häfen kann der dafür verantwortliche Piratenkapitän seine Spielfigur auf der sogenannten Ruchlosigkeits-Punkteleiste um einen entsprechenden Wert vorrücken.

Am Ende jeder Runde kehren die Kapitäne nach Nassau zurück, müssen sich jedoch davor einem Schiff der Kriegsmarine stellen. Der Kampf gegen dieses Schiff verläuft exakt so wie der bereits oben beschriebene Kampf gegen Handelsschiffe. Geht ein Gefecht gegen die Kriegsmarine verloren, büßt der unterlegene Pirat Fracht und Ruchlosigkeit ein. Nun kann das eigene Schiff nach Möglichkeit mit besseren Segeln, größeren Kanonen und zusätzlichen Besatzungsmitgliedern ausgerüstet werden.

Die in der abgelaufenen Runde geenterten Handelsschiffe werden durch neue Handelsschiff-Karten ersetzt (diese werden von Runde zu Runde widerstandsfähiger) und es kommen auch neue Schiffe der Kriegsmarine ins Spiel (es versteht sich, dass diese mit Fortdauer des Spiels auch immer mächtiger und unerbittlicher werden).

Spielsieg

Im Verlauf des Spieles erhalten die Piratenkapitäne Ruchlosigkeits-Punkte für Überfälle auf Handelsschiffe und dafür, dass sie Gefangene über die Planke gehen lassen. Dieser Punktezuwachs wird wie oben beschrieben bereits während des Spieles auf der auf dem Spielbrett aufgedruckten Punkteleiste nachgehalten. Sobald die Spielende-Karte gezogen wird, endet das Spiel mit einer Schlusswertung, bei der folgende Kriterien bewertet werden:

1. Der ruchloseste Pirat (die höchste Punktezahl auf der Ruchlosigkeits-Punkteleiste)
2. Die wildeste Besatzung (der höchste Punktewert für die Besatzung)
3. Das beste Schiff (der höchste Punktewert für das Schiff)
4. Der reichste Pirat (das meiste Vermögen in der Schatzkiste)

Der Sieger jeder Kategorie erhält 7 Siegpunkte, der Zweitplatzierte 5 Siegpunkte, der Drittbeste 3 Siegpunkte und der Viertbeste einen Siegpunkt. Der jeweils Fünftplatzierte geht leer aus.

Spieletester

31.05.2012

Fazit

Das Spiel Die Piraten von Nassau versucht die schmale Nische zwischen dem familientauglichen Piratenbucht und dem Profispiel Korsaren der Karibik zu besetzen, scheitert jedoch leider auf relativ hohem Niveau. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass einige Teile des Spielmaterials nicht den heutigen Qualitätsstandards entsprechen. Die fünf Schatztruhen sowie die sieben Gefangenen-Figuren sind lediglich aus etwas stärkerem Papier gefertigt und müssen vor dem ersten Spiel zudem noch mühsam zusammengebaut werden. Hier wurde eindeutig an der falschen Stelle gespart. Dabei wäre es durchaus auch anders gegangen, wie die hohe Qualität des Spielplanes sowie der Schiffsbau- und -anbauteile zeigt.

Die Schiffsbauteile sowie die Möglichkeiten, den eigenen Kahn zur Brigg und dann zur Galeone auszubauen und zudem mit mannigfachen und sehr detailverliebten Ausbauten und Mannschaftsteilen zu versehen, sind zweifellos das Higlight des Spiels. In diesem Bereich schimmert die Möglichkeit durch, dass dem Piraten-Thema durchaus noch spannende Facetten entlockt werden können. In der vorliegenden Form jedoch ist die Umsetzung insgesamt doch etwas zu bieder und blass geblieben.

Das Spiel ist relativ rasch erklärt und auch für Neueinsteiger geeignet. Obwohl für die Bewegung der Schiffe Würfel geworfen werden müssen, ist der Spielverlauf durchaus plan- und steuerbar. Obwohl die direkte Interaktion mit den Mitspielern fehlt, vermisst man diese gar nicht so sehr, da man ständig den Fortschritt der anderen Teilnehmer vor Augen hat und dadurch in ein offenes Wettrennen mit diesen eintritt.

Noch ein Wort zum deutschsprachigen Regelheft: die Übersetzer der englischen Original-Spielregel haben bei der Translation offenbar auf elektronische Hilfsmittel zurückgegriffen: Fehlerfreie Textpassagen wechseln unvermittelt mit völlig unverständlichen Wort- und Satzkonstruktionen ab, für die wohl nur ein billiges Übersetzungstool verantwortlich sein kann. Die deutsche Version des Regelheftes hätte jedenfalls in dieser Form das Licht der Welt nicht erblicken dürfen. Dennoch reicht die Qualität des 16seitigen Heftchens aus, um die Spielregeln zu vermitteln. Das eine oder andere Kauderwelsch kann ja im Zweifelsfall mit der ebenfalls beiliegenden englischsprachigen Spielregel gegengelesen werden.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 3 bis 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: 47,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2012
Grafiker: Betty Le Bon
Genre: Strategie
Zubehör:

in je 5 Spielerfarben: eine erweiterbare Piratenschiff-Ablage, ein Piratenschiff aus Holz, eine Ruchlosigkeits-Spielfigur, 3 Würfel (sechsseitig), eine Schatztruhe aus Karton. allgemeines Spielmaterial: Spielbrett, 125 Marker (32 Schiffskörper-Verbesserungen, 34 Masten-Verbesserungen, 42 Besatzung, 10 Handelswinde, 7 geplünderte Häfen), 109 Spielkarten (58 Handelsmarine, 30 Kriegsmarine, 20 Piratenkapitäne, eine Spielende-Karte), 62 Münzen (54 spanische Silberdollar, 8 Dublonen), 60 Fracht-Marker aus Holz (20 Schießpulver, 20 Frachtgut, 20 Rum), 7 Gefangenen-Spielfiguren, Spielanleitung.

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