Nobilis The Essentials

Das Spiel ist nur in englischer Sprache erhältlich. Die Rezension bezieht sich auf die PDF Ausgabe. Die Druckausgabe kostet circa 50 Euro.

Ein Gott zu sein ist nicht leicht. Das könnte das Motto von Nobilis sein. An diesem würfellosen Rollenspiel schieden sich schon immer die Geister. Die einen fanden es genial, die anderen zu regelleicht und abgehoben.

Die neueste und dritte Ausgabe des Spiels umfasst 372 Seiten. An den Buchseiten wird reichlich Platz gelassen. Wie schon in den vorigen Ausgaben gibt es immer wieder Zitate aus den Büchern des Nobilis Universums und Kommentare als Randnotizen.

Eine der Besonderheiten der vorherigen Ausgabe war das Auftreten als Bildband und die künstlerische Gestaltung. Dadurch hob sich das Spiel deutlich von anderen Rollenspielen ab. Auch diese Ausgabe ist reichhaltig und diesmal vierfarbig illustriert. Meiner Meinung nach hat man sich damit keinen Gefallen getan. Es handelt sich ausschließlich um Bilder im Manga- bzw. Animestil, viele davon in eher mäßiger Qualität. Das ist an sich nicht weiter schlecht, schließlich wenden sich viele dieser Werke an Erwachsene, aber hier entsteht der Eindruck eines Kinderbuches. Ein Spiel, das sich auf Comics wie Sandman oder Geschichten wie Hellraiser bezieht, wird durch Bilder, wo die Imperatoren wie Pokemon wirken, nicht aufgewertet. Tatsächlich haben Leser, die keine Ahnung von den vorherigen Büchern hatten, geschlussfolgert, es handelt sich hierbei um ein Anime Rollenspiel.

Die ersten 102 Seiten beschreiben den Hintergrund. Zunächst gibt es einen Überblick. Die mythische Welt wird von Quälgeistern bedroht. Die Quälgeister sind Manifestationen des Nichts und führen Krieg gegen die Existenz. Die Imperatoren verteidigen ihre Existenz und auch die allgemeine. Dieser Krieg wird auf verschiedenen Ebenen ausgetragen. Da die Imperatoren an der Front sind, müssen sich andere um den Haushalt, die Körper der Imperatoren und den Rest der Welt kümmern. Da kommen die Spielercharaktere zum Zug, die die Mächte datstellen. Die Mächte verkörpern ein oder mehrere Aspekte, z.B. Eifersucht, Ewigkeit, Kälte, Autos, Netzwerkspiele usw. Diese gottähnlichen Mächte werden als Nobilis bezeichnet und bilden unter ihren Imperatoren Familien.

Eine Gruppe von vier Imperatoren überwacht die Erde und die Nobilis. Diese sind Lord Entropy, Ananda, Surolam und Ha-Qadosch Berakha. Kurz zusammengefasst ist Entropy das Böse in Person und trägt die Nummer 1 als Antagonist. Ananada ist der Engel des kommenden Zeitalters und des Mordes. Er besticht durch seine Zurückhaltung und seine Schönheit. Surolam ist für die gewöhnliche Dinge verantwortlich, insbesondere für das, was die meisten als ‚Realität‘ bezeichnen würden. Ha-Qadosch Berakha wird nicht beschrieben.

Die Welt, die wir als Realität kennen, ist ein Trugbild. Hinter dem Trugbild liegen viele Wunder, z.B. sind alle Dinge beseelt. Es gibt unendlich viele Welten und Altarräume. Ein Altarraum ist die Heimstatt eines Imperators und seiner Mächte-Familie. Der Altarraum von Ananda (und Teil unserer Welt) ist die Rückseite der Stadt. Dort sind Donner-Märkte lebendig und Menschen die dort Waren kaufen, sind Symbionten. Einkaufswagen schließen sich zu Rudeln zusammen und jagen Menschen usw.
Danach besuchen wir den Hof der Heuschrecken. Der Altarraum von Surolam, wo in Zeitlosigkeit vergessen werden kann und alles was getan wurde oder wird, auch erkannt ist.
Die böse Welt, Lord Entropies Zuhause, wird auch vorgestellt. Dabei lernen wir seine Familie (Verachtung, Zerstörung, Schändung) und einige seiner Diener kennen.
Es wird noch auf die mythische Welt eingegangen, den Weltenbaum und seine Grenzen, die Naturgeister und andere Besonderheiten.

Danach werden einige Altarräume vorgestellt, z.B. Zaanannim, der Ort des Netzwerkfernsehens.

Weitere wichtige Orte und vor allem die Fraktionen der Imperatoren folgen als Nächstes. Da haben wir den Himmel, die Hölle, Licht und Dunkelheit, die Weltesche, die tiefe mythische Welt und die Geisterwelt.

Die Regeln sind denkbar einfach. Es gibt 4 Attribute: Aspekt, Domäne, Persona und Schätze, alle in der Höhe von 0-5. Diese Zahl wird mit dem Schwierigkeitsgrad in Höhe von 0-9 verglichen. Ist das Ergebnis gleich oder höher, ist es ein Erfolg. Um eine Zahl größer als 5 zu erreichen gibt man Wunderpunkte aus. Jeder Charakter hat für jedes Attribut 5 Wunderpunkte. Um Wunderpunkte zurück zu gewinnen, spielt man seine Nachteile aus.

Bei einem Konflikt spielen auch noch Vorteil, Auctoritas und Durchschlag eine Rolle. Vorteile geben Bonusse. Auctoritas ist ein Schutzschild bis zu der Höhe der Persona und Durchschlag zählt als Bonus und bietet die Möglichkeit gegnerische Wunder zu durchdringen. Derjenige mit der höchsten Zahl am Schluss gewinnt den Konflikt. Jeder Charakter hat immer zwei Aktionen, eine Gewöhnliche und eine Wundersame. Es ist daher wichtig zu überlegen wie diese Aktionen genutzt werden, um sich einen Vorteil im Konflikt zu sichern.

Nach dieser kurzen Erklärung geht es zu der Charaktererschaffung. Es beginnt mit einer Art Brainstorming, dem Avatar Diagramm. Aus 16 verschiedenen Archetypen wählt man passende Stichworte für die Herzseite aus und bekommt dann auch passende Stichwörter für die Schattenseite. Diese Archetypen bilden dann auch Schwerpunkte, die zu weiteren Stichwörtern führen, z.B. welches Wesen man ist, welche Mächte man verwaltet, welche Kontakte man pflegt, die eingegangenen moralischen Verpflichtungen und wie das bisherige Leben verlaufen ist.

Die Regeln springen jetzt erstmal zu den Sterblichen. Es werden Leidenschaften und Fertigkeiten verteilt. Diese sind frei wählbar und werden mit einem Wert von 1-5 belegt. Der Schwierigkeitsgrad ist wieder von 0-9, nur dass diesmal Willenskraft anstatt von Wunderpunkten eingesetzt wird, um ein hohes Ergebnis zu erzielen. Wird stattdessen ein Wunderpunkt eingesetzt, dann erreicht man automatisch das bestmögliche Ergebnis.
Auch hier gibt es für Konflikte noch Extrawerte, die dem Konflikt mit den Wundern gleichen.

Um den Charakter zum Leben zu erwecken, Durchschlag zu erhalten und Wunderpunkte wieder zu erlangen, gibt es Fesseln und Verpflichtungen. Diese sind wieder frei wählbar und werden mit einem Wert von 1-5 belegt. Dabei handelt es sich um Dinge, die der Charakter machen muss, nicht machen kann oder den Charakter in Aktion versetzt, z.B. ich bin ein Geist, ich kann nicht getötet werden, ich liebe mein Auto, ein Quälgeist liebt mich, alle müssen mich bewundern, usw. Der einzige Unterschied zwischen Fesseln und Verpflichtungen ist, dass Fesseln vom Spieler und Verpflichtungen vom Spielleiter gesteuert werden. Jedesmal, wenn ein Charakter sich in Schwierigkeiten bringt, gewinnt er Wunderpunkte zurück. Desweiteren sind die Verpflichtungen allgemeingültig. Wenn ein Charakter ein Geist ist und daher nicht stofflich ist, gilt das auch für eventuelle Gegner und es wird Durchschlag benötigt um diese Verpflichtung zu durchdringen.

Jetzt wird festgelegt was für Eigenschaften die persönliche Domäne, das sogenannte Gut, hat. Wieder werden Punkte auf der Skala 1-5 verteilt. Dies dient in allererster Linie dazu zu definieren, was der Spieler eigentlich meint. Wird zum Beispiel das Gut Kälte gewählt, könnte das mit Eis, Verlangsamung, Stille, Frieren, dem Füllen der Leere, einem Herzenszustand, einer Stimmung oder anderen Dingen verbunden werden.

Die vier Hauptattribute werden nun ausführlich von Stärke 0 bis 9 erklärt.
Aspekt stellt die physischen Eigenschaften des Charakters dar. Ab Aspekt 3 verlässt es den menschlichen Bereich, ab 7 ist es nicht mehr den Gesetzen der Logik unterworfen.
Domäne beschreibt die Kontrolle über das Gut. Ab 1 sind es kleine Tricks, mit 4 kann es beschworen, erschaffen und manipuliert werden. Höhere Wunder können das Schicksal der Welt verändern.
Persona stellt die Verkörperung des Guts durch den Charakter dar. Damit werden Segnungen und Flüche ausgesprochen oder die Manifestation in dem entsprechenden Gut durchgeführt. Das ist auch das übernatürliche Charisma der Nobilis.
Schätze sind nicht nur nützliche Gegenstände, das können auch Begleiter und Anker sein. Anker sind Wesen von denen die Nobilis Besitz ergreifen und je nach Stärke auch Wunder wirken können.

Um ein Charakter mit dauerhaften Wundern auszustatten, werden Gaben eingekauft. Diese reichen von der Unsterblichkeit über Unsichtbarkeit, Gestaltwandel, Glück bis hin zur Versteinerung. Es wird auch ein Baukasten für das Entwickeln von Gaben angeboten.

Das nächste Kapitel schaut nochmal auf die Altarräume und deren Gestaltung. Jede ordentliche Familie baut sich ihr Eigenes. Dabei kann man der Fantasie freien Lauf lassen. Es wird nur der Verteidigungswert für die Grenze festgelegt. Wenn jemand großartige Wunder in diesem Reich wirken will, so nimmt man es als zweites Gut hinzu. Der Vorteil ist, dass es um 3 Stufen erhöht gilt.

Auch der Imperator erhält ein zweites Kapitel. Jetzt wird erklärt was einen Engel, einen Teufel, Magister des Lichts oder Finsternis oder Wildnis, einen wahren Gott oder eine Schlange Aarons ausmacht. Die unterschiedlichen Philosophien machen wirklich Spaß. Die Wunder der Imperatoren haben größere Auswirkungen als die niederen der Mächte und werden danach behandelt. Auch Organisationen, bestimmte Orte und Währungen erhalten ein paar Seiten.

Ausführlich werden dann die Antagonisten, die Quälgeister beschrieben. Es werden einzelne Persönlichkeiten, ihre Methoden und Waffen vorgestellt. Diese sind keine Leichtgewichte und die Charaktere werden sich anstrengen müssen, um selbst einen Einzelnen zu besiegen. Es werden noch weitere Organisationen und mögliche Gegner mit je einer Seite vorgestellt.

Aktionen und Konflikte füllen die nächsten drei Kapitel. Es wird nochmals ausführlich auf Regeln eingegangen. Inhaltlich kommt aber nichts Neues hinzu.

Das System für Wunden ist gewöhnungsbedürftig. Zunächst einmal muss geklärt werden, ob die Macht überhaupt eine Wunde erleidet. Die Stärke der Wunde füllt zunächst einmal die entsprechenden Kästchen Oberflächlich, Schwer oder Tödlich aus. Solange nicht alle Kästchen ausgefüllt sind, ist der Charakter noch handlungsbereit. Wenn man eine Wunde erleidet, dann fügt man eine Verpflichtung hinzu. Das reicht von strategisch zerrissener Kleidung bis zu Sprachschwierigkeiten wegen eines abgetrennten Kopfes hin weg. Die Kategorien haben keinen Übertrag, d.h. wenn die Kästchen für oberflächliche Wunden voll sind, passiert dort nichts mehr, egal wieviel oberflächliche Wunden da noch kommen mögen. Im Gegenteil, wenn eine höhere Kategorie sich auffüllt, dann wird die nächst untere Reihe wieder frei. Im Kampf mit den Mächten bringt man am besten die großen Geschütze mit. Das Ganze gilt aber nicht nur für physische Wunden, auch Verwandlungen und soziale Kämpfe werden so ausgetragen.

Die Nobilis verfügen auch über Rituale. Dabei handelt es sich um ein Sammelsurium verschiedener Effekte und Regelmechaniken, wenn z. B. Wunderpunkte verschoben werden können oder wie ein Nobilis sich automatisch der Umgebung anpasst.

Anstelle eines Erfahrungpunktesystem hat Nobilis Schicksalspunkte. Es wird ein Projekt gestartet und wieder in einer Art Diagramm eingetragen. Die Punkte werden vergeben für Offenbarungen, Fehlschläge, Siege und triviale Siege oder Fehlschläge. Wenn 15 Punkte erreicht werden, dann geht das Projekt vorwärts. Dasselbe kann man für die persönliche Entwicklung des Charakters betreiben. Das Ziel hier liegt allerdings zwischen 15 und 75 Punkten. Die genauen Kosten für eine Erhöhung der Charakterpunkte entscheidet der Spielleiter.

Es folgen noch eine Kurzgeschichte und ein ausführlicher Index und Verweise auf die Quellen der Zitate. Die Namen der Künstler und die Charakterblätter bilden den Abschluss.


Spieletester

18.08.2011

Fazit

Nobilis ist kein Spiel für Jedermann. Die Schwerpunkte liegen auf sozialen und philosophischen Sichtweisen. Das klassische, Gewölbe erforschende, Rollenspiel liegt so ziemlich auf der entgegengesetzten Seite der Skala. Dieses Spiel beginnt dort, wo die meisten anderen Rollenspiele aufhören. Es wird die Frage gestellt: „Was wäre wenn ich ein Gott wäre?“ Wen die Antwort interessiert, dem kann ich dieses Spiel empfehlen. Diese Edition ist deutlich aufgeräumter und leichter zugänglich als die vorherigen Versionen. Die Illustrationen hätten aber dem Thema besser angepasst sein können.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 7
Alter: ab 14 Jahren
Preis: 15,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2011
Verlag: EOS Press
Genre: Rollenspiel
Zubehör:

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