Legend of the Five Rings 4th Edition

Auch die deutschsprachige Ausgabe trägt den englischen Titel: Legends of the Five Rings

Legend of the Five Rings (abgekürzt L5R) feiert seinen 15-jährigen Geburtstag. Und was soll man sagen? Die vierte Edition ist ein echtes Geburtstagsgeschenk. 403 Seiten stark, mit guter Bindung, Lesezeichen, festem Einband und vierfarbig – so lasse ich mir ein Buch gefallen. Die Illustrationen sind außergewöhnlich gut. Ich würde mir wünschen jedes Spiel würde auf einem ähnlich hohen Niveau Kunst und Regeln verbinden. Der Schriftsatz ist sehr klein. Mich persönlich stört dies nicht, aber das Lesen wird dadurch anstrengender.
Das Buch ist mit Informationen vollgestopft. Das Gefühl das andere Spiele mir vermittelten, ich bräuchte noch ein Dutzend Quellenbücher, kam hier erst gar nicht auf.
Das Lesevergnügen wird dann doch ein wenig geschmälert, es wurde im ganzen Buch die Buchstabenkombination 'sb' durch 'SW' ersetzt. Aber auch ohne dieses Missgeschick sind viele Druckfehler auffällig. Für die zweite Auflage ist ein weiteres Lektorat dringend zu empfehlen.
Etwas Anderes, was mir sofort positiv ins Auge fiel, waren die zusätzlichen Informationen und alternativen Spielweisen, die vom Text abgehoben wurden, wie z.B. die Stellung der Frau in Rokugan, wenn man ein Spiel bevorzugt, das sich eher an die japanische Historie anlehnt.

Rokugan, die Welt von L5R, ist detailfreudig und hat sich über die Jahre entwickelt. Man sollte hier betonen, dass es sich um eine Fantasiewelt handelt, die über Asien genauso viel aussagt wie Mittelerde über Europa. Der zugrunde liegende Metaplot, die Hintergrundgeschichte des Reiches, wurde durch das gleichnamige Sammelkartenspiel bestimmt. Dies wurde häufig kritisiert, da einige der Ereignisse die Spielwelt ganz schön durcheinander geschüttelt haben. Das erste Kapitel behandelt dies und viel mehr in den ersten 60 Seiten.

Die Spielwelt ähnelt einem mittelalterlichen Japan mit Monster und Magie. Im Süden, hinter einer großen Mauer, lauern die Schattenlande, wo eine kontinuierliche Flut an Monstren die Welt bedroht. Im Osten ist das Meer, im Westen eine Wüste und Wald, im Norden Gebirgszüge und dazwischen die Provinzen der großen und kleinen Klans. Die kurze Zusammenfassung der Geschichte Rokugans macht Geschmack darauf mal in einem anderen Zeitabschnitt als der Gegenwart Rokugans zu spielen. Die äußeren Bedrohungen sind als gering empfunden und so dreht der größte Teil des Spieles sich um interne Machtkämpfe jeglicher Couleur. Die offiziellen Spielregeln dieser Machtkämpfe sind das Bushido, der Weg des Kriegers. Die einzelne Punkte werden erklärt und wie sie von den Klans verstanden werden. Entscheidend ist also nicht nur ob man erfolgreich war, sondern auch wie dies nach außen hin scheint. Natürlich behandelt das Kapitel das Leben des Samurai nicht erschöpfend, aber es werden die wichtigsten Punkte hervorgehoben, so dass man nach der Lektüre eine gute Vorstellung hat wie ein Charakter in Rokugan zu spielen ist. Die großen Klans erhalten je eine Doppelseite wo sie ihren Schwerpunkt des Bushido erklären und ihre Meinung über die anderen Klans äußern.

Der Klan der Drachen ist ein introvertierter Klan, der viele Mönche hat und in dem großen Nordgebirge wohnt.
Der Klan der Einhörner ist vor einigen Jahrhunderten aus der Fremde zurückgekehrt und ist Großteils nomadisch mit einer starken Kavallerie.
Der Klan der Krabben wacht über die Schattenlande an der großen Mauer im Süden und ist ständig im Kriegszustand.
Der Klan der Kraniche ist der kultivierte und politische Manipulator.
Der Klan der Löwen ist militaristisch.
Der Klan der Mantis ist seefahrend und kommt von tropischen Inseln.
Der Klan der Phönixe hat die meisten Shugenja und neigt zum Pazifismus.
Der Klan der Skorpione ist der Antagonist für alle Anderen.

Habe ich schon die vielen Fehler erwähnt? Bei dem Skorpion-Klan steht bei der Krabbe noch der englische Text.

Die ‘Würfeln & Behalten‘ Spielmechanik besteht daraus X Würfel zu werfen und Y Würfel davon herauszunehmen und diese miteinander zu addieren. Das Ergebnis wird eventuell noch modifiziert und dann mit einem Zielwert verglichen. Ist das Ergebnis höher oder gleich hat man die Probe geschafft. In den meisten Fällen ist X die Summe aus einem Attributwert und einem Fertigkeitenwert und Y der Ringwert. Die Bonusse und Malusse sind meistens in 5er Blöcken, Steigerungen genannt, gestaffelt. Mit den Steigerungen kann man freiwillig seinen Wurf erschweren um damit bessere Ergebnisse zu erzielen. Fällt eine 10 wird weiter gewürfelt und das neue Ergebnis addiert, bei einer weiteren 10 wird dies fortgesetzt, so können hohe Zielwerte geschlagen werden.
Es ist nicht einfach bei diesem System seine Chancen einzuschätzen, insbesondere da man bei den vorgegebenen Schwierigkeiten nicht sagen kann, für welche Erfahrungsstufe sie vorgesehen sind. Die Erhöhung der Fertigkeiten ist ziemlich gleichmäßig, eine Erhöhung der Ringe dagegen sprunghaft. Als Beispiel:
Bei einem Zielwert von 20 (Moderat) und einem Fertigkeitswert 1 haben wir bei Ring 2 (dem Startwert) eine Chance von 20%, bei Ring 3 eine Chance von 56% und bei Ring 4 eine Chance von 84%. Bei einem Zielwert von 20 und einem Ring von 2 sowie einem Fertigkeitswert von 1-4 liegen die Chancen bei 20%, 29%, 37% und 44%.
Vermutlich werden die meisten Spielleiter nach einer gewissen Zeit die Zielwerte nach ‚Gefühl‘ setzen.
Ehre, Ruhm und Status haben ihre eigenen Spielwerte welche von 0,0 bis 10,0 reichen. Es wird eine Reihe von Beispielen angeführt, wie sich Taten von den Samurai auf ihren Wert auswirken. Je nach Höhe der Ehre kann dieselbe Handlung unterschiedliche Auswirkungen haben, z.B. ‘Das unehrenhafte Verhalten anderer höflich ignorieren‘ bringt einem in den Ehrenstufen 0-2 Bonuspunkte, bei einem Ehrengrad ab 7 aber Abzüge. Der Ehrenwert wird als Bonus gezählt wenn der Samurai versucht Versuchungen oder Furcht zu widerstehen. Ruhm und dessen Gegenstück Berüchtigt bezeichnen den Bekanntheitsgrad des Charakters in Rokugan. Status regelt den Stand innerhalb des feudalistischen Systems. Mit diesen Regelungen offenbart sich auch die größte Schwachstelle des Spieles vom Design-Standpunkt aus. Das Regelgerüst unterstützt die angestrebte Denkweise des Spieles nicht. Während in späteren Kapiteln fast abwertend über die Rein-ins-Verlies-Spiele berichtet wird, so folgt der Aufbau der Regeln denselben Gedankenabläufen. Charaktere definieren sich über Attribute und Fertigkeiten. Die Konflikte werden über diese gelöst, alles andere ist Beiwerk. Das zentrale Spielthema, die Ehre, sollte jede Entscheidung der Spielfigur beeinflussen. Wie stark beeinflusst die Ehre die Spielregeln? Minimal, man könnte diese herauslassen, ohne dass es überhaupt auffallen würde.

Die Charaktererschaffung ist recht übersichtlich. Man wählt einen der großen Klans aus, daraus eine Familie, dann eine Schule. Dann kommt der Feinschliff und fertig ist der Charakter. Im Detail ist es ein wenig komplizierter. Jeder beginnt mit 2 Punkten in den Ringwerten Luft, Feuer, Erde, Wasser und Leere. Jeder dieser Ringwerte hat 2 Attribute zugeordnet, Wasser zum Beispiel Stärke und Wahrnehmung. Der Ringwert ist nur so hoch wie der niedrigste der zwei Werte. Die Familien und Schulen erhöhen einen bestimmten Attributwert um 1, so dass bei gewissen Kombinationen der Ringwert, bei geschickter Wahl, sich auf 3 erhöhen kann. Jede Schule lehrt eine ihr eigene Spezialfähigkeit und einige Fertigkeiten. Danach erhält der Charakter 40 Erfahrungspunkte um seinen Charakter zu individualisieren. Dabei kann er die bereits genannten Werte erhöhen, sowie Vor- und Nachteile einkaufen. Dadurch wird es ganz einfach Charaktere mit mehr Erfahrung und Nichtspielercharaktere zu erschaffen.
Es wird aus den verschiedenen Werten ein Gesamtwert namens Erkenntnisrang gebildet. Dieser Erkenntnisrang bestimmt ob man gewisse Techniken erlernen darf und stellt die Messlatte für die Macht des Charakters dar. Da die Ableitungen klar erkenntlich sind, ist es kein abstraktes Stufensystem und auch das hilft beim Gestalten der (Nichtspieler-) Charaktere.
Nachdem die Klans, deren Schulen und Fähigkeiten erklärt werden, folgen die Fertigkeiten. Diese sind nach Hohen-, Bugei-, Händler- und niederen Fertigkeiten aufgeteilt. Da ein Samurai Ehre verlieren kann bei der Ausübung von gewissen Fertigkeiten rücken eher ungewohnte Fertigkeiten in den Vordergrund. So ist es wahrscheinlicher einen Samurai mit der Fertigkeit des Blumen arrangieren anzutreffen, als mit der durchaus nützlichen Fertigkeit des Versteckens und Schleichens.
Die Vor- und Nachteile sollen den Charakter aussagekräftiger gestalten. Dabei werden die für einen Klan typischen Eigenheiten günstiger angeboten, z.B. Gefährliche Schönheit kostet 3 Punkte, für einen Skorpion-Charakter aber nur 2 Punkte. Das Wort ausgeglichen kam mir nicht in den Sinn, als ich die Aufzählung las. Der Spielleiter wird diese Liste seiner Spielrunde anpassen müssen.
Da einige Charaktere Magie ausüben, genau genommen die Kami anrufen können, gibt es auch ein System dafür. Der Shugenja hat eine bestimmte Anzahl von Zaubern zur Auswahl, kann davon eine durch seine Ringe begrenzte Anzahl pro Tag anwenden und macht dann noch einen Fertigkeitswurf, ob das Zaubern auch gelingt. Die Zauber selber sind unspektakulär und hätten auch in jedem anderem Fantasie-Rollenspiel auftauchen können. Ein Grad 1 Zauber kann z.B. ein Schwert aus einem der Elemente für 5 Minuten beschwören, ein Grad 3 Zauber lässt ein Ziel sich regenerieren und ein Grad 6 Zauber erschafft einen Golem der für einen kämpft. Das Ganze hinterließ in mir den Eindruck, dass ein Shugenja besser mit einem Yojimbo (Leibwächter) reist.
Was natürlich nicht fehlen darf sind die Ausrüstungslisten. Auch dort wenig Überraschungen: Waffen, Rüstungen und allgemeine Ausrüstung. Bis auf die Waffen sind die Beschreibungen knapp gehalten.

Die weiterführenden Grundlagen sind ein interessantes Kapitel. Hier werden verschiedene Klans und ihre Schulen beleuchtet, die entweder nur zu einer bestimmten Zeit existierten, als reine Antagonisten dienen sollen, klein und unbedeutend sind oder speziell, wie die kaiserliche Familie oder die Ronin. Es wird ein Massenschlachtensystem angeboten, dessen Schwerpunkt auf den Handlungen der einzelnen Charaktere liegt und recht einfach ist. Die Möglichkeit dass ein Ahne über den Charakter wacht wird besprochen. Interessant sind auch die alternativen Pfade die zu Eliteeinheiten oder speziellen Schulen gehören. Eingeschoben sind Regeln über das Benutzen von Handwerksfertigkeiten und das Herstellen von Gegenständen. Dann geht es aber mit Kata und Kiho weiter. Katas sind antrainierte Bewegungsmuster und Kihos die übernatürlichen Fähigkeiten der Shinsei-Mönche. Charaktere können sich so noch mehr individualisieren. Mit der Maho, der Blutmagie beschäftigen sich die verdorbenen Zauberer und die nächsten Seiten des Buches. Da diese Zauber korrumpieren widmet sich der nächste Abschnitt dann der Schattenlandverderbnis. Es werden Verderbnisstufen, Mutationen, Schutz gegen den Einfluss und Heilmethoden aufgezeigt. Also viel Stoff für dramatische Erlebnisse.

Das nächste Kapitel, das Buch der Leere, richtet sich an den Spielleiter. Der Unterschied zwischen einer asiatischen Geschichte und dem typischen westlichen Heldenmythos wird herausgearbeitet. Die vielen Hinweise und Tipps sind wirklich nützlich, da ein Umdenken erforderlich ist. So wird auf die Zusammenstellung der Gruppe geachtet. Es wird die Möglichkeit zu zweit zu spielen, die Abenteuerstruktur und die Gestaltung besprochen. Besonders hervorzuheben ist der kurze Ausflug in den 36 dramatischen Situationen von Georges Polti und deren Anwendbarkeit im Rollenspiel. Auch die allgemeinen Hinweise zum Spielleiter, den Spielern und den Regeln sind hervorragend. Es werden auch verschiedene Stile aufgezeigt, vom Anime-Stil bis hin zu dem realistisch-trostlosen Stil.
Es gibt ein kleines Bestiarium, das einige Tiere und Monstren vorstellt. Gerade bei Monstren wird klar, dass diese ihrem Namen alle Ehre machen, viele sind Geister, unverwundbar oder beides. Passend folgt dann die Erklärung zum Thema Gifte.
34-Seiten lang werden die Sehenswürdigkeiten in Rokugan beschrieben. Jeder dieser Orte bietet einen Aufhänger für ein Abenteuer. Die Beschreibungen sind wirklich inspirierend, alleine dafür hätte sich das Lesen des Buches gelohnt.
Das Beispielabenteuer ist sehr abgerundet und bietet nicht nur einen Einstieg ins Kampfsystem. Es wird viel Wert auf die Gesamtaspekte des Samurai gelegt. Das Buch schließt ab mit der Aufzählung einiger Inspirationen, einem Index und den Charakterbögen.

Spieletester

21.12.2010

Fazit

Die künstlerische Gestaltung ist wunderbar stimmungsvoll und das Würfeln & Behalten-Regelsystem ist funktional. Der große Wermutstropfen sind die vielen Druckfehler. Das Spiel unterscheidet sich von anderen Rollenspielen indem es Geschichten mit asiatischer Sichtweise erzählt. Das Regelgerüst unterstützt dies leider nur minimal. Wenn man allerdings nicht diesen Anspruch hat und Geschichten mit und über Samurai in einer fantastischen Umgebung spielen möchte, dann ist Legend of the Five Rings mehr als lohnenswert.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 7
Alter: ab 14 Jahren
Preis: 60,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: Uhrwerk Verlag
Genre: Rollenspiel
Zubehör:

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