Der Pate

Der Messebesuch in Essen ist im Normalfall den Klein- und Kleinstverlagen dieser Welt vorgesehen (es gilt: Je exotischer desto besser), Großverlage wie Ravensburger oder im konkreten Fall eben Kosmos lasse ich üblicherweise links liegen. 2010 musste ich diese Gewohnheit brechen, denn (abgesehen von Jäger der Nacht) brachte Kosmos einen Titel heraus, den ich unbedingt besser sofort als jetzt begutachten musste: Die Brettspieladaption des Filmtrilogie Der Pate. Jetzt zählt Francis Ford Coppolas Meisterwerk einerseits zu meinen erklärten Lieblingsfilmen, aber andererseits ist Michael Rieneck ein Autor, der zwar mit Spielen wie Die Säulen der Erde oder Cuba durchaus ein Renommee vorweisen kann, mit Der Hexer von Salem aber eines meiner erklärten Nemesis-Spiele auf die Menschheit losgelassen hat, das meiner Ansicht nach, hätte man ihm mehr Beachtung geschenkt, das Zeug gehabt hätte, mit einem Schlag ein ganzes Genre zu schrotten. Nun will ich zwar nicht das gesamte Schaffen eines Autors aufgrund eines Titels für mistig erklären (dafür sind Spiele wie die beiden obrigen, oder auch Dracula oder Nichtlustig: Die Lemming-Mafia einfach zu gut), aber wenn man einen solchen Bauchfleck landet wie Rieneck mit dem Hexer von Salem kann sich der Meister darauf verlassen, dass ich bei einer Adaption vom Paten ganz genau hinschaue.

Also wollen wir mal sehen, ob Michael Rieneck wieder zu alter Form findet, oder ob ich ihm meine DVD-Box quer über den Schädel ziehen muss:


Das Spiel:

Jeder Spieler übernimmt eine der vier großen (Film-)Mafiafamilien Tatagllia, Barsini, Stracci und natürlich Corleone im New York des Jahres 1945/46. Und damit nicht vor Spielbeginn bereits die ersten Auftragskiller losgeschickt werden um sicherzustellen, dass man auch ja die Familie Corleone spielen darf, gibt die Seite des Spielplanes, an der man sitzt, die Familie vor. Spielerisch unterscheiden sich die Familien ohnehin nur durch den Namen.
Für jede Familie gibt es vier Leisten: Einfluss, Ansehen, Einkommen und Gefälligkeiten. Zu denen gleich mehr.
In der Stadt sind Geschäfte mit den Werten 1.000,- bis 5.000,- Dollar, die die Mafiafamilien kontrollieren können. Jedes dieser Geschäfte wird von einer der Familien übernommen. Die Stadt selbst ist in vier Viertel unterteilt, in denen ein schwarzes Mafiaauto durch die Straßen fährt und jeweils das Viertel, in dem es sich gerade befindet, vor allen Widrigkeiten schützt.

Vor Beginn einer Runde wird eine Ereigniskarte gezogen. Diese Karten haben (neben einem Filmzitat als Titel, die aber oft nichts mit dem Text zu tun haben) einen auf alle Spieler wirkenden Effekt. Danach ist jeder Spieler abwechselnd am Zug. War jeder Spieler einmal dran, beginnt die nächste Runde. Nach acht Runden ist Schluss.


Der Spielzug:

Jeder Spieler hat eine Tafel mit vier Zeilen vor sich liegen. Der Zug eines Spielers besteht aus vier Würfelwürfen:

Im seinem ersten Wurf würfelt der Spieler alle vier Würfel in den vier Farben, wählt einen der Würfel aus und legt ihn in auf das entsprechende Feld der ersten Leiste. Der Wert des Würfel gibt an, welches der Geschäfte in dieser Runde Gewinn für alle Spieler, die ein solches besitzen, abwerfen.
Ab dem zweiten Wurf geht es um Aktionen, die der Spieler mit seinen Würfel für sich auslöst. Der Spieler würfelt die übrigen 3 Würfel und wählt einen der Würfel aus. Diesen legt er nun auf das Feld von Zeile 2, das der Farbe des Würfels entspricht. Dieses Feld bestimmt die Aktion, der Wert des Würfels die Stärke. Nach seiner Aktion würfelt der Spieler die letzten beiden Würfel und definiert die Aktionen der Zeilen 3 und 4. Danach werden die Würfel an den nächsten Gegner weitergegeben.

Die Aktionen, die die Spieler mit ihren Würfeln auslösen können, sind vielseitig. Es reicht von Aktionen, die die Leisten betreffen, über Bewegung des Gangsterautos bis hin zu Razzien und "Geschäftsübernahmen", bei denen die bisherigen Verwalter schnell den Grund des Hudson River aus nächster Nähe ansehen dürfen. Doch gerade diese Aktion ist mit Bedacht zu setzen, denn wer gegnerische Figuren killt, muss dafür an den Gegner Schuldmarker übergeben. Mit einer der möglichen Aktionen können diese Schuldmarker sehr teuer werden und das "Opfer" nachträglich bereichern.


Die Leisten:

Für jede der Familien gibt es vier Leisten:

Einfluss und Ansehen: Diese zwei Leisten sind spielentscheidend. Warum? Abgesehen davon, dass man damit Sonderaktionen wie Neuwürfe bekommt, bestimmen spezielle Symbole auf den Ereigniskarten der Runden 1-7, welche dieser beiden Seiten man vollendet haben muss, um an der Endabrechnung überhaupt teilzunehmen.

Einkommen: Jede Runde erhält ein Spieler Einkommen aus dem familieneigenen Betrieb. Mithilfe einer der Aktionen der letzten Zeile der Würfelleiste lässt sich dieser Wert steigern.

Gefälligkeiten: Man kann mithilfe einer Aktion der Würfellisten "Freund der Familie"-Marker erwerben. Einer davon kann pro Runde ausgegeben werden, um eine Gefälligkeit auf der Leiste einzufordern (sprich: eine Aktion zu setzten). Die möglichen Aktionen hängen davon ab, wie weit der Marker auf der Gefälligkeitenleiste vorgerückt ist. Mit Hilfe einer der Aktionen der letzten Zeile der Würfelleiste lässt sich die Figur auf dieser Leiste bewegen.


Spielende:

Nach Runde 8 ist das Spiel zu Ende. Alle Spieler, die an der Endabrechnugn teilnehmen, erhalten noch Geld für ihre Geschäfte und ihr Einkommen und müssen außerdem ihre Schuldmarker bezahlen.
Der Spieler, der danach das meiste Geld hat, gewinnt.

Spieletester

09.01.2011

Fazit

Der Pate ist, das dürfte aus den vorigen Zeilen hervorgehen, ein Spiel, bei dem die Aufgabe darin besteht, einen Würfelwurf möglichst gewinnbringend zu verwalten. Und das ist Michael Rieneck sehr gut gelungen: Nicht nur, dass das Spiel die Stimmung von Coppolas Filmen schön einfängt, das Spiel ist spannend, abwechslungsreich, und wenn man von einer Ereigniskarte, die zu sehr vom Platz des Startspielers abhängig ist, absieht, gut balanciert (wobei es mir vor allem die Schuldmarker angetan haben). Zumindest hatte ich kaum das Gefühl, Spielball der Würfel zu sein. Irgendetwas Sinnbringendes lässt sich aus dem Würfelwurf fast immer herausholen, und wenn nicht, geht dem meistens ein "das riskier ich jetzt, und wenn's danebengeht, hab ich Pech gehabt" voraus, und damit passt's auch wieder.

Demnach sei Michael Rieneck der kleine (wenn auch brachiale) Ausrutscher im Monsterprügelgenre verziehen und weiters jedem, der diese Art Spiel oder das Thema (bzw. die Filme) mag, nahegelegt, das eine oder andere Auge zu riskieren. Ich denke, wenn man ein Spiel am Essen-Wochende freiwillig und mit Begeisterung DREIMAL spielt (Vorführspiel auf der Messe mitgerechnet), sollte das doch einige Aussagekraft haben.

Noch eine kleine Anekdote am Ende: Dieses Spiel hat meinen Wortschatz um ein schönes Wort erweitert. Denn wir unheilbaren Cineasten fachsimpelten nach dem Testspiel natürlich unverzüglich über die Filmtrilogie. Das endete im folgenden Dialog:

Ich:
"Teil 3 ist eindeutig der Schwachpunkt. Es ist ein verdammt guter Film, aber eben eindeutig der schwächste Pate."
Gunnar: "Junge, DAS is‘ jetzt aber echt edelmeckern."

"Edelmeckern“ – Ich liebe dieses Wort.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Mike | 30.04.2011

Hab´s auf der Spielemesse in der Uno-Ciy entdeckt, angespielt und sofort bei Amazon bestellt.
Echtes Highlight, es macht Spaß, den anderen Familien eins auszuwischen. Schön gestaltetes Brett, gute Rundenkarten (stabil!) und abwechslungsreiche und spannende Runden (Kriterium erfüllen). Wer den Paten kennt, wird das Spiel mögen.

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: 30,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: Kosmos
Grafiker: Franz Vohwinkel
Genre: Strategie
Zubehör:

1 Spielplan
4 Würfeltableaus
28 Spielfiguren
1 Autofigur
10 Ereigniskarten
4 Würfel
37 Plättchen
18 Anzeigesteine
20 Schuldmarker
Spielgeld
1 Spielplan

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