Kohle

Nordwestengland im 18 Jahrhundert zu Zeiten der industriellen Revolution. In der Grafschaft Lancashire befindet sich das Zentrum der englischen Baumwoll-verarbeitenden Industrie. Die von James Watt erfundene Dampfmaschine wurde zuallererst in besseren Pumpwerken eingesetzt und machte damit tiefere und effektivere Kohlen- und Erzminen möglich. Die ersten Dampflokomotiven erschienen auf der Bildfläche und liefen beim Transport von Rohstoffen und Waren den bis dahin traditionellen Lastkähnen den Rang ab. Martin Wallace thematisiert diesen Zeitraum in seinem komplexen Wirtschafts- und Aufbauspiel Brass. Dem Verlag Pegasus Spiele ist es zu verdanken, dass diese Spielperle in einer größeren Auflage, überarbeitet und mit deutschen Regeln versehen, unter dem Namen Kohle auf unseren Spieltischen gelandet ist.

Die Spieler selbst schlüpfen in die Rollen mächtiger Industriebarone dieser Zeit und versuchen durch die Industrialisierung dieses englischen Landstriches zu Macht, Ansehen und Geld zu kommen. Dazu müssen Kohlezechen, Erzminen, Baumwollspinnereien, Werften und Häfen gebaut und mittels Kanälen oder in der zweiten Phase mittels Schienen verbunden werden. Zudem ist es möglich in die Forschung zu investieren und so hochwertigere Gebäude zu errichten. Finanziert wird das alles über ein hoffentlich stetig wachsendes Einkommen und regelmäßig notwendige Kreditaufnahmen. Gleichzeitig müssen die bereits produzierten Rohstoffe, wie Kohle und Erz, geschickt eingesetzt werden, um noch effektivere Industriebauten errichten zu können, welche noch mehr Rohstoffe, Geld und letztendlich auch Siegpunkte generieren.

Vor dem Spiel erhalten die Spieler ein gewisses Startguthaben sowie Marker für Industrien, welche sich in ihrer Effektivität steigern. Zudem gibt es die Marker für die Transportwege. Für die Errichtung einfacherer Industrien genügt eine Barzahlung, entwickelte Industrien benötigen später zusätzlich noch Dreingaben in Form von Rohstoffen. Auf der Landkarte sind die Arten der Transportwege vorgegeben, welche gebaut werden können und auch in den Städten gibt es Vorgaben zur Anzahl der Bauplätze und der Art der Industriebauten, welche errichtet werden können.

Das eigentliche Spiel gliedert sich in zwei Phasen, welche durch die zu bauenden Transportwege geprägt sind. Zuerst die Kanal- bzw. Lastschiffphase und danach die Schienen- bzw. Eisenbahnphase. In jeder Phase werden zwei Runden gespielt. Vor jeder Runde erhalten die Spieler ihr Einkommen, welches sie sich bis dahin erarbeitet haben, sowie acht Karten, über welche die eigentlichen Aktionen im Spiel ausgeführt werden können. Hierbei gibt es Städte bzw. Gebäudekarten, welche das Bauen in bestimmten Städten oder von bestimmten Industriegebäuden erlauben. So können die Spieler pro Zug zwei Karten ausspielen, sprich zwei Gebäude bauen oder, wenn nicht die richtigen Karten zur Hand sind, durch Abgabe beider Karten ein beliebiges Gebäude in einer beliebigen Stadt errichten. Alternativ zu diesen Aktionen kann geforscht, Transportwege ausgebaut, Baumwolle verkauft oder Kredite aufgenommen werden. Ständig ist man gewillt mehr Aktionen auszuführen, als Geldbeutel oder Kartenhand hergeben.

Schnell füllt sich das Spielfeld mit Leben, von allen Spielern nutzbare Transportwege verbinden Städte. Kohlezechen sowie Erzminen produzieren eine vorbestimmte Anzahl von Rohstoffen, welche ebenfalls durch alle Spieler nutzbar sind, falls entsprechende Verbindungen bestehen. Wurden diese Rohstoffe verbraucht, wird das Industriegebäude umgedreht und generiert danach einmalig Siegpunkte und eine Einkommenserhöhung. Baumwollspinnereien können nur zusammen mit Häfen umgedreht werden, Werften sind immens teuer, werden dafür aber ohne zusätzliche Bedingung umgedreht.

Ist nach zwei Spielrunden die erste Phase vorüber, werden alle bisher gebauten Kanäle und die Industriebauten der Stufe 1 wieder vom Brett entfernt. Nun beginnen die beiden Spielrunden der Eisenbahn-Phase. Der grundsätzliche Spielablauf bleibt identisch, allerdings steigt die Nachfrage nach Kohle und Erz drastisch an, da Schienen nur unter Einsatz von Kohle gebaut werden können und alle effektiveren Industriebauten zur Errichtung Rohstoffe benötigen.

Zum Ende der jeweiligen Phase werden neben den bisher erreichten Siegpunkten auch die Transportverbindungen mit Siegpunkten bedacht, welche Städte mit errichteten und umgedrehten Industriebauten verbinden.

Vor dem Spielen selbst hat Martin Wallace allerdings das Studium der Regeln gesetzt. Immerhin 16 Seiten der gut strukturierten, klar gegliederten, vorbildlich mit illustrierten Beispielen und taktischen Hinweisen versehenen Spielregel gilt es durchzuarbeiten und zu verinnerlichen. Positiverweise geschieht dieses sehr rasch. Trotzdem gibt es aufgrund der großen Komplexität und der vielen Stellschrauben im Spiel eine hohe Einstiegshürde. Selbst erfahrene Vertreter der Spezies Vielspieler benötigen oft ein bis zwei Spielpartien, um alle Möglichkeiten, welche Kohle bzw. Brass bietet, auszuloten.

Spieletester

20.12.2009

Fazit

Nach etlichen Spielen, welche nicht 100%ig zu überzeugen wussten, hat Martin Wallace hier ein Spiel geschaffen, welches durchaus an den Erfolg von Age of Steam anzuknüpfen vermag. Leider hat der Verlag Pegasus Spiele nur das Titelcover überarbeitet, dieses finde ich übrigens sehr gelungen, die restlich minimalistische Spielgrafik blieb unangetastet. Hier hätte man durchaus Hand anlegen können.

Was unter dem Strich jedoch bleibt, ist ein hochintelligentes und komplexes Brettspiel, in welchem die einzelnen Komponenten stimmig ineinandergreifen und es viele, viele mögliche Siegstrategien gibt, die es von den Spielern auszuloten gilt. Leider ist Kohle bzw. Brass nur erfahrenen Spielern, welche sich nicht scheuen, auch zwei bis drei Stunden an einem schönen Spiel zu sitzen, wirklich zu empfehlen.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 3 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 120 Minuten
Preis: 35,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2008
Verlag: Pegasus Spiele
Grafiker: Peter Dennis
Genre: Wirtschaft
Zubehör:

Spielplan, Spielregel, 12 Plättchen (Ferner Markt), 148 Industriebautenmarker (je 37 in vier Farben), 56 Transportmarker (je 14 in vier Farben), 8 Siegpunktemarker (je 2 in vier Farben), 8 Spielermarker aus Holz (je 2 in vier Farben), 1 Baumwollmarker aus Holz, 30 Rohstoffquader (Kohle) aus Holz, 25 Rohstoffquader (Eisen) aus Holz, 100 Münzen (Kunststoff), 66 Spielkarten, 4 Übersichtskarten

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