Nebel über Valskyrr

Entzündet die Leuchtfeuer von Valskyrr! Das sagenhafte Reich droht vom bösartigen Nebel verschluckt zu werden. Und was darin lauert, möchten die unbescholtenen Bürger des Landes gar nicht so genau wissen. Es braucht also mal wieder ein paar Helden, die beherzt in die Sache eingreifen.
Valskyrr in a nutshell – Das Spielgeschehen im Überblick

Normalerweise schreibe ich so einen Absatz nicht. Einen Spielüberblick in Kurzform baue ich lieber fließend in den Test ein. So herausgestrichen kommt mir das eher unelegant vor. Normalerweise schreibe ich aber auch nicht über Nebel über Valskyrr. Deswegen ein paar einleitende Worte zum Aufbau dieser Rezension:
Nebel über Valskyrr ist ein relativ komplexes Spiel. Es gibt heftigere Titel da draußen. Aber es richtet sich ganz eindeutig an Vielspieler, und auch da an eher routinierte. Was diesen Absatz aber wirklich notwendig macht und gleichzeitig den Spieleinstieg beispiellos schwierig gestaltet, ist die Vielzahl an Schritten in einer Spielrunde, sowie Extraregeln und Ausnahmen für einige Kleinigkeiten. Gleich vorweg: Das Regelwerk ist sehr gut durchdacht und auch lückenlos erklärt. Das vorher ausgeführte Problem und der sehr technische Tonfall der Regel machen es aber viiiiel zu umfangreich, um hier alles zu erklären. Ich werde deshalb in den nächsten Zeilen den Ablauf und das Spielziel ganz grob zusammenfassen, um dann weiter unten auf die wichtigsten Elemente des Spiels einzugehen.

Nebel über Valskyrr ist ein voll kooperatives Spiel. Das heißt, dass alle Spieler ein gemeinsames Ziel verfolgen. Dieses Ziel kommt hier in Form eines Szenarios. Vier davon sind im Grundspiel enthalten, quasi eine Mini-Mini-Kampagne.

Es geht eigentlich stets darum, dass wir mit unserer Heldengruppe einen bestimmten Ort erreichen und dort den Endboss des Szenarios schlagen. Orte werden durch quadratische Plättchen dargestellt. Wir beginnen unser Abenteuer immer auf der Taverne. Unser Held oder unsere Heldin liegt als Tableau vor uns, wir haben eine Startausrüstung und ein Starterdeck, noch sind unsere Fähigkeiten überschaubar. Von hier aus bewegt sich unser Grüppchen von Ortsfeld zu Ortsfeld, um schließlich und endlich den finalen Kampf zu erreichen. Der Weg dort hin allerdings ist steinig. Auf jeder Ortskarte, die wir durchreisen, wartet eine Begegnung auf uns. Diese Begegnungen sind es, die uns das Leben schwer machen. Erst wenn der Konflikt gelöst wurde, wir den Ort somit gesichert haben, können wir unsere Reise fortsetzen. Unterwegs können wir die Fähigkeiten und das Arsenal unseres Recken etwas ausbauen. Stirbt unterwegs ein Mitglied der Gruppe, verlieren die Helden sofort, ebenso wenn die Zeit abgelaufen ist. Erst der Triumph im Endkampf sichert uns den lang ersehnten Spielsieg.

Alleine sind wir stark, gemeinsam sind wir... auch stark

Soviel also zum ungefähren Ablauf. Weil das alleine etwas arg schwammig ist, das volle Regelpaket hier aber wie gesagt keinen Platz findet, kommen jetzt die wichtigsten regeltechnischen Raffinessen.

Das Spielerdeck: In Nebel über Valskyrr wird unser Charakter hauptsächlich durch sein Kartendeck symbolisiert. Das Spielertableau dient nur als Orientierungshilfe. Was finden wir so in unseren Decks? Dort sind zwei generelle Kartentypen vertreten: Heldentaten und Ausrüstung. Ein paar Gegenstände haben wir von Anfang an, der Rest wird mit allen Heldentaten gemischt und als Nachziehstapel bereitgestellt. Für gewöhnlich haben wir in unserem Zug fünf Karten in der Hand, können eine normale Aktion und beliebig viele schnelle Aktionen und Reaktionen ausspielen. Auf jeder Karte, egal ob Ausrüstung oder Heldentat, steht nun genau, was man damit machen kann und ob die entsprechende Ausführung eine normale oder schnelle Aktion oder eine Reaktion ist. Bei fast allen Karten gibt es mehrere Möglichkeiten.
Kosten oder überhaupt Ressourcen gibt es keine. Allerdings werden viele Karten nach ihrer Nutzung auf den Ablagestapel gelegt. Neben Nachzieh- und Ablagestapel gibt es aber noch ein drittes Kartenlager: den Friedhof. Und Achtung, hier kommt die zweite Raffinesse des Kartendecks: Jede Karte steht gleichzeitig auch für ein Leben unseres Charakters. Erhält unser Heroe also Schaden, müssen wir entweder vom Nachzieh- oder Ablagestapel oder von unserer Hand die entsprechende Kartenanzahl auf den Friedhof legen. Wenn wir uns heilen, können wir pro geheiltem Punkt entweder eine Karte vom Friedhof auf den Ablagestapel legen oder vom Ablage- auf den Nachziehstapel (in beliebiger Reihenfolge!).
Im Laufe des Spiels lukriert unsere Heldengruppe Beute, vor allem durch das Töten von Monstern. Für diese Beute können wir neue Fähigkeiten, sogenannte Große Heldentaten, erwerben. Damit erhöhen wir gleichzeitig unsere maximalen Lebenspunkte und unsere Handlungsmöglichkeiten im Spiel.

Der Gegnerfokus: Wenn neue Gegner erscheinen, werden sie zunächst in die Abenteuerzone gelegt und von dort auf die Helden aufgeteilt. Dabei geht ein Monster immer auf denjenigen, der gerade den höchsten Gegnerfokus hat. Direkt danach wird besagter Fokus halbiert, das nächste Ungetüm stürzt sich dann auf denjenigen, der dann den höchsten Fokus hat. Halbieren, nächstes Vieh zuweisen usw., bis keine Gegner mehr übrig sind oder kein Held mehr über Gegnerfokus verfügt (Anzahl und Typus der Monster werden von der aktuellen Begegnungskarte vorgegeben). Das heißt: Wer den höchsten Fokus hat, kriegt auch am meisten Monster ab. Besonders starke Aktionen treiben üblicherweise aber auch den Fokus hoch. Hier gilt es deshalb immer, intelligent hauszuhalten.

Die Skalen: Drei Skalen beinflussen in Nebel über Valskyrr maßgeblich das Geschehen: die oben erwähnte Gegnerfokus-Skala jedes Helden, die Verstärkungsskala, die die Anzahl der nachzurückenden Monster bestimmt, und vor allem die Zeitskala. Die fällt stetig ab und ist gewissermaßen das Damoklesschwert über uns, denn wenn unsere Zeit abgelaufen ist, haben wir das Spiel verloren. Es ist an sich schon schwierig, diese drei Skalen zu kontrollieren. Besonders knifflig wird das aber erst dadurch, dass das Übertreten bestimmter Felder jeder Skala zu Ereignissen führt. Bösen Ereignissen. Die dann teilweise wieder Einfluss auf andere Skalen haben etc.

Die Zonen: Oben sind wir schon ein wenig auf die Abenteuerzone eingegangen, in der Monster vor ihrer Zuweisung landen. Neben dieser Abenteuerzone verfügt noch jeder Held über seine eigene Heldenzone. Das ist für zwei Dinge wichtig: Zum einen hat jede Aktion eine Reichweite. Grundsätzlich gilt, dass Reichweite 1 nur Dinge in der eigenen Heldenzone betreffen kann, Reichweite 2 dehnt den Aktionsradius dann gleich auf alle anderen Heldenzonen und die Abenteuerzone aus. Außerdem gibt es in jeder Heldenzone bestimmte Ausrüstungsbegrenzungen, die durch ein gefinkeltes System geregelt werden. Auch hier muss man stark aufpassen, dass sich kein Fehler einschleicht.

Wie spielt sich das Ganze jetzt, wenn man sich ins teils zu akademisch geschriebene, teils neuartige und teils schlicht und einfach komplexe Regelwerk und die ganzen Besonderheiten eingearbeitet hat? Das Spielgefühl ähnelt einem Brettrollenspiel, die Systematik ist am ehesten ein Deckbuilding. Das Design ist gelungene high fantasy, wenn auch teilweise etwas wenig abwechslungsreich (so gibt es etwa nur eine Illustrationen für die Heldenkarten pro Held). Wir werden in die Welt von Valskyrr gezogen, identifizieren uns durchaus ein wenig mit unserem Charakter, haben dabei auch ganz schön Denkarbeit zu leisten. Ein absolut gelungenes Strategiespiel also. Und tatsächlich gibt es am Ende des Tages kaum Grund zur Klage. Nur zwei Punkte sind uns wiederholt sauer aufgestoßen: (1) Die Anzahl der Szenarien: Lediglich vier davon sind im Grundspiel inbegriffen. (2) Die extrem geringe Interaktion. Aktionen mit Reichweite 2 sind sowieso schon selten, aber meistens hat man ohnehin genug mit seinem eigenen Bereich (also Reichweite 1) zu tun. Abschließend, das muss man dem Spiel zumindest ein bisschen anlasten, sei hier noch einmal die extrem hohe Einstiegshürde erwähnt, die man beim Regelstudium erst mal überwinden muss.

Spieletester

02.11.2016

Fazit

Nebel über Valskyrr verbindet viele Dinge, die wir an (Strategie)Spielen schätzen. Die Charaktere spielen sich abwechslungsreich, sind aber stets sehr gut ausbalanciert. Die Mechanik, dass Fähigkeiten, Ausrüstung und Leben quasi ein shared pool sind, haben wir bis dato selten gesehen. Sie funktioniert hervorragend (übrigens auch in anderen Spielen, die dieses System verwenden, z.B. Gladiatori). Das Artwork ist gelungen. Glück hat keine spielentscheidenden Auswirkungen, sorgt aber für angenehme Unsicherheit und das gewisse Kribbeln beim Aufdecken neuer Gegner oder Orte.

Ein paar kleinere Wermutströpfchen haben sich aber doch in unser Spielerlebnis eingeschlichen. Zum einen ist die Einstiegshürde auch für hartgesottene und erfahrene Regelstudenten alles andere als niedrig – viele Ausnahmen und ein sehr „technischer" Aufbau und Ausdruck machen den Anfang sehr schwer. Heidelberger Spieleverlag hat darauf aber bereits mit einem FAQ reagiert. Außerdem möchten wir euch dieses Videoals Erklärungshilfe ans Herz legen. Ansonsten stören wir uns ein wenig daran, dass nur vier Szenarien im Grundspiel enthalten sind. Und zu guter Letzt lässt sich feststellen, dass das sehr gute Balancing und der gefinkelte Deckaufbau auf Kosten der Interaktion gehen. Meistens beschäftigen wir uns mit den Problemen, die direkt vor uns liegen, also den Monstern, die uns angreifen. Wirkliche Überschneidungen mit anderen Spielern sind sehr spärlich.

Wenn du einen gut durchdachten Strategietitel mit epischem Setting suchst, bist du bei Nebel über Valskyrr genau richtig. Erwartest du bei einem voll kooperativen Spiel hitzige Diskussionen und schwere Gruppenentscheidungen, solltest du eher zu Alternativen wie ZombicideSpace Alert oder auch Winter der Toten greifen.
Redaktionelle Wertung:

Plus

  • Stimmige Atmosphäre
  • Schönes Artwork
  • Neuartige Mechanismen
  • Sehr gutes Balancing

Minus

  • Sehr hohe Einstiegshürde
  • Wenig Interaktion zwischen den Spielern
  • Nur vier Szenarien mitgeliefert

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 1 bis 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 100 bis 180 Minuten
Preis: 40,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2015
Zubehör:

1 Regel
1 Abenteuerbuch
1 Abenteuertableau
7 Heldentableaus
10 Holzwürfel

22 Ortsplättchen
-7 Wildnis
-7 Ödlande
-7 Grenzmarken
-1 Zuflucht

56 Wundmarker
30 Beutemarker
20 Zielmarker
40 Zustandsmarker
6 Abenteuermarker
1 Gruppenmarker mit Standfuß

236 Heldenkarten
102 Normale Gegner-Karten
4 Endgegner-Karten
18 Normale Begegnung-Karten
4 Endbegegnung-Karten
13 Zeitkarten
8 Übersichtskarten

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