Saigo No Kane

Noch selten habe ich ein Spiel rezensiert, das sich so zielsicher zwischen den Stühlen, soll heißen zwischen Thema und Aufbereitung einerseits und spielerischem Anspruch andererseits, positioniert. Schulsprecherwahlen in der japanischen Eliteschule „Saigo no Kane“ interessieren, noch dazu im typischen Mangastil illustriert und gestaltet, die verspielte Erwachsenenwelt wohl genau überhaupt nicht. Jugendliche, die vielleicht vom optischen Ersteindruck angesprochen sind, werden mit dem anspruchsvollen taktisch-strategischen Spiel wohl nicht zu recht kommen.

Ziel des Spiels ist, die Stimmenmehrheit bei der Wahl zum Schulsprecher zu erobern. Dazu startet man mit einem Kandidaten, der einem der 6 Clubs angehört, mit 5 Popularitätsmarkern (rote Herzen aus Holz), 5 Yen- und 2 verschiedenen Talentmarken, unterschiedlich je nach Kandidaten. Mit welchem der 6 Charaktere man spielt ist egal, sie sind prinzipiell gleichwertig, man kann sich also nach optischen Kriterien für einen oder eine entscheiden. Haruno Hareya gehört dem QulturQulu an, Nijino Ame ist Mitglied des Superstar – Clubs. Jeder Spieler bekommt noch 3 Lehrerkarten und 3 Plättchen seines Kandidaten mit Standfuß, einer wird auf den Anfang der Stimmenzählleiste gesetzt, die anderen beiden braucht man im Spiel selbst.

Der Spieplan mit umlaufender Siegpunktleiste zeigt jeweils 4 Ablagefelder für Schülerkarten (die Schule), Gegenstandskarten (der Supermarkt) und Veranstaltungskarten (der Sportplatz). Unter jeder der 4 Veranstaltungskarten (im 2-Personen-Spiel werden nur 3 verwendet) finden sich 4 Markierungen für die Figuren der Spieler. Jeweils zu Beginn jeder der 5 Runden setzen die Spieler ihre beiden Figuren zu verschiedenen Veranstaltungen. Veranstaltungen bringen neben den Wählerstimmen, die zum Sieg führen, zusätzlich Herzen, Yen oder Lehrerkarten. Man bekommt diese Goodies jedoch nur, wenn man am Ende der Runde entsprechende Talentmarker abliefern kann. Zu Spielbeginn hat man nur 2 verschiedene, für simple Veranstaltungen braucht man aber beispielsweise 3 Herzen, 2 Staffeleimarker und 3 Maskenmarker, für eine andere 4 Yen, 2 Fußballmarker und 2 politische Marker. Woher nehmen und nicht stehlen, lautet die Devise.

Schülerkarten kauft man mit Herzen und durch aktivieren dieser im nächsten Zug oder auch später erhält man die Talentmarker, die auf der Schülertafel abgebildet sind. Teure Schüler bringen zusätzlich Herzen, Yen oder Stimmen, manche gleich beim Kauf, andere später am Ende der Runde. Die Schüler haben japanische Namen wie Akatoru Hideki oder Murata Sanji, polnische Namen wie Karol Potocki oder adelig-deutsche wie Merrin von Sydow. Gegenstände im Supermarkt kauft man mit Yen, manche bringen Herzen, manche bringen Talentmarker, wenn man sie wieder abgibt. Allerdings läuft das nicht so linear, die Effektivität der Gegenstände erhöht sich im Lauf des Spiels, abhängig von der Anzahl von Schülerkarten einer speziellen Farbe (also eines speziellen Clubs), die man schon zur Unterstützung angeworben hat.

Mit Lehrerkarten, es gibt 6 verschiedene mit jeweils 2 Optionen, kann man aktivierte Schülerkarten wieder reaktivieren, eine Karte aus der eigenen Auslage mit Spielplanauslage tauschen (die weggetauschte darf dabei nicht teurer sein als die neu erworbene, jedoch kommt ein neuer Schüler voll aktiv in die Auslage, was mitunter sehr wichtig ist), man kann einem Gegenspieler 2 Herzen oder 2 Yen entfernen und dieser kann sich mit einer anderen Lehrerkarte verteidigen oder sogar eine von einem anderen Spieler gespielte Lehrerkarte für ungültig erklären. Ganz schön mächtig, diese Lehrer, und durchaus hinterhältig, wie eben in der Schule auch schon vorgekommen.

Fassen wir zusammen. Man setzt seine beiden Spielfiguren zu 2 Veranstaltungen, heuert Schüler mit Herzen an und kauft Gegenstände mit Geld, aktiviert Schüler und nimmt die entsprechenden Talentmarker, wandelt vielleicht bis zu 3 Marker mit der Kandidatenkarte in andere um, spielt Lehrerkarten oder auch nicht bis alle Spieler passen und handelt danach die Veranstaltungen ab. Dabei bestimmt der aktuelle Startspieler, in welcher Reihenfolge Letzteres passiert. Erfüllt man alle für eine Veranstaltung nötigen Bedingungen, bekommt man auch jeden Bonus, schaffen das mehrere vertretene Kandidaten, werden die zu vergebenden Stimmen geteilt und abgerundet. Erfüllt man die Vorgaben nur teilweise, bekommt man keine Stimmen und sucht sich die Goodies aus. Danach gibt es Zwischenwertungen mit Stimmenzuwachs von je einer Stimme für den Spieler mit den meisten Gegenständen, den meisten Schülern, den meisten Talentmarkern, den meisten Popularitätsmarkern (=Herzen) und den meisten Yen.

Wirklich komplexe Produktionsketten begegnen uns da auf dem Weg durch die 5 Runden. Durch die sich laufend vergrößernde Anhängerschaft und die steigende Anzahl an Gegenständen dauert auch jede Runde länger als die vorangegangene und gipfelt in der Auswertung der Veranstaltungen der letzten Runde, die nur mehr Stimmen bringt. Die Spielzeit von 45-60 Minuten verdoppelten wir zu Viert ganz locker, in einer zügigen 2-Personen-Partie geht sich eine Stunde aber aus.

Spieletester

16.04.2010

Fazit

Wie eingangs erwähnt, verträgt sich der Mechanismus oder besser gesagt, vertragen sich die doch vielfältigen Mechanismen, von denen ich manche nur ansatzweise skizziert habe, nicht mit Handlung und grafischer Aufbereitung des Spiels. Mit Kinderspiel hat Saigo no Kane in keiner Weise zu tun, ganz im Gegenteil. Problematisch scheint mir aber, dass eben genau dieses Layout die Vielspieler wohl davor abschreckt, sich mit dieser japanischen Eliteschule zu beschäftigen. In der harten Welt der Politik wäre das Spiel sicher besser angesiedelt, wenngleich das Thema Schulsprecherwahl halt doch neu und unverbraucht ist. Wie auch immer, ein paar interessante Stunden verbrachten wir doch als Schüler in Saigo no Kane, eine Klasse wiederholen möchte ich aber nicht. Nachsatz zum Spielmaterial und zur deutschen Spielregel: Die deutsche Übersetzung der Spielregel weist leider ein paar wesentliche Fehler auf (ein Mitarbeitsminus den Korrekturlesern der deutschen Spielregel Britta Stöckmann und Mario Steigerwald). So bekommt man am Ende einer Runde für Gegenstände die Boni nicht erst für 2 oder 3 Schüler der entsprechenden Farbe, sondern schon bei 1 oder 2, außerdem werden Stimmen bei Gleichstand immer dividiert und abgerundet. Die englische Spielregel ist da deutlich besser. Auch am Spielmaterial gibt es ein paar Punkte zu kritisieren. Die Standfüße für die Spielfigurenplättchen sind zu eng und die Farben des roten und des braunen Clubs sind leider in manchen Darstellungen zu ähnlich. Was aber wirklich stört sind die Fehldrucke der Veranstaltungskarten. Für die ersten 4 Runden sind die blauen zu verwenden, für die letzte Runde die roten. Leider gibt es 2 blaue Karten mit roter Rückseite und 2 rote Karten mit blauer Rückseite. Ist im Spiel selbst nicht wirklich wichtig, stört aber und darf in einer Eliteschule wirklich nicht passieren.
Redaktionelle Wertung:

Plus

Minus

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Besucherkommentare

Britta Stöckmann | 16.12.2010

MITARBEITSMINUS

Anstelle eines Kommentars zum Spiel ein Kommentar zu folgender Aussage des Rezensenten:
"Die deutsche Übersetzung der Spielregel weist leider ein paar
wesentliche Fehler auf (ein Mitarbeitsminus den Korrekturlesern der deutschen Spielregel Britta Stöckmann und Mario Steigerwald)."

Ein kleiner Hinweis: Inhaltliche Fehler gehen nicht auf das Konto der Korrekturleser, da sich die Korrektur allein auf das sprachliche Niveau der Regelübersetzung bezieht. Zumindest mir lag zum Zeitpunkt der Korrektur weder die Originalanleitung vor, noch hat der Verlag das Spiel selbst zum Testen bereitgestellt.

MfG B. Stöckmann

Jörg Domberger | 16.12.2010

Liebe Britta,
ich nehme meine Kritik an den Korrekturlesern mit Bedauern zurück.
Liebe Grüße
Jörg

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Details

Auszeichnungen:
Spieleranzahl: 2 bis 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: 35,00 Euro
Erscheinungsjahr: 2008
Verlag: Wolf Fang
Genre: Strategie
Zubehör:

1 Spielplan, 48 Schülertafeln, 36 Gegenstandstafeln, 6 Kandidatentafeln, 30 Veranstaltungskarten (2 verschiedenfarbige Sätze) 25 Lehrerkarten, 72 Talentmarker in sechs Arten, 40 Popularitätsmarker mit dem Wert 1, 8 Popularitätsmarken mit dem Wert 5, 40 Yenmarker mit dem Wert 1, 8 Yenmarken mit dem Wert 5, 6 Kandidatenmarken, 18 Spielfiguren, 18 Plastikstandfüße, 1 Spielleiter-Marker, 1 Rundenmarker, Spielregeln in drei Sprachen

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